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Wachtendorf-Kolumne Renten-Studie: Bulgarien – ein schlechter Witz

Findet das jüngste Rentensystem-Ranking der Allianz nicht an allen Stellen plausibel: DAS-INVESTMENT-Kolumnist Egon Wachtendorf.
Findet das jüngste Rentensystem-Ranking der Allianz nicht an allen Stellen plausibel: DAS-INVESTMENT-Kolumnist Egon Wachtendorf. | Foto: Johannes Arlt

Welches Land hat das beste Rentensystem? Deutschlands größter Versicherer Allianz hat darauf in seinem erstmals veröffentlichten „Global Pension Report“ eine eindeutige Antwort gegeben: Schweden. Deutschland landet unter 70 analysierten Staaten auf Platz 26, noch hinter Bulgarien (Platz 9), China (Platz 11) und Kasachstan (Platz 20).

Klar, dass ein solches Ergebnis für Diskussionen sorgt. Wobei sich diese noch am wenigsten am Spitzenreiter entzünden. Auch in anderen Studien zum Thema kommt das schwedische Modell mit seiner Mischung aus Umlagefinanzierung und gezielter Förderung des privaten Aktiensparens gut weg. Ähnliches gilt für Dänemark (Rang 3) und die Niederlande (Rang 7). Dort erhalten die Bürger unabhängig vom früheren Einkommen eine Einheitsrente, aufgestockt durch die Erträge betrieblicher und privater Kapitalanlagen.

Mehr Kritik ruft schon hervor, dass es sich bei den Autoren der Allianz-Studie um alles andere als um neutrale Experten handelt: Je stärker der Anteil der kapitalgedeckten Vorsorge im vom Staat organisierten Renten-Mix, desto besser für die Anbieter entsprechender Produkte. Vermutlich deshalb – so könnte man zumindest argumentieren – kommt auch das von der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung kürzlich noch hochgelobte Musterland Österreich auf Rang 34 eher schlecht weg. Dessen Rentensystem hält stur am Umlageverfahren fest, bezieht anders als in Deutschland Selbstständige und Beamte mit ein und zahlt im Alter sogar noch deutlich höhere Bezüge aus. Wie soll da ein nennenswertes Geschäft mit privaten Rentenversicherungen und Fondspolicen in Gang kommen?

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Aber Polemik beiseite. Insgesamt bringt der „Global Pension Report“ die Ursachen des bis 2050 fast überall auf der Welt drohenden Renten-Notstands schon recht gut auf den Punkt. Gegen die grundsätzliche Methodik lässt sich ebenfalls wenig sagen. Insgesamt fließen 30 Kriterien in die Bewertung ein, die um drei entscheidende Fragen kreist: Wie stellt sich die demographische Ausgangslage des jeweiligen Landes dar? Wie gut ist das Rentensystem auf die steigenden Belastungen eingestellt? Und garantiert es möglichst vielen alten Menschen ein auskömmliches Einkommen? Im Ansatz alles nachvollziehbar, vieles richtig. Trotzdem ist die Platzierung Bulgariens – bei einer durchschnittlich gezahlten Rente von 165 Euro pro Monat – ein schlechter Witz. Die Studienautoren verweisen zur Einordnung lediglich leicht zynisch auf den Fakt, dass die Bulgaren innerhalb der EU über die niedrigste Lebenserwartung verfügen. Da scheinen dann doch irgendwie die Maßstäbe verrutscht.

Von derartigen Statistik-Kapriolen einmal abgesehen: Selbst in Schwedens Renten-Erfolgsstory gibt es einige Fußnoten, die dem Land kaum zur Ehre gereichen. Zum Beispiel, dass auch dort Frauen im Durchschnitt rund ein Drittel weniger Rente beziehen als Männer. Und ob die Rentensysteme der USA (Platz 5) und Belgiens (Platz 2) wirklich so zukunftssicher aufgestellt sind, wie es der „Global Pension Report“ suggeriert, muss sich bis 2050 noch herausstellen. Wer allzu sklavisch und unkritisch den vermeintlichen Siegern nacheifert, steht am Ende womöglich nicht unbedingt besser da. Dass es im deutschen System ohne Reformen spätestens ab 2030 mächtig knirschen wird, bestreitet gleichwohl kaum jemand ernsthaft.

Ich weiß, es wird nicht passieren. Aber vielleicht sollten die Abgeordneten des Bundestags in einem ersten Schritt den Vorschlag ihres SPD-Kollegen Ralf Kapschack umsetzen, künftig selbst Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Das löst zwar keine einzige ihrer Finanzierungs-Sorgen. Doch es wäre zumindest ein symbolträchtiges Signal. Und in einem Punkt bin ich mir sehr sicher: Hätte es eine entsprechende Reform schon vor 30 Jahren gegeben, die Probleme wären heute kleiner.

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