Wachtendorf-Kolumne Volksfonds: Der (Alb-)Traum vom mündigen Anleger
Der Anfang ist gemacht. Mit der Entscheidung, ihr neues Einsteiger-Produkt „Der erste Schritt“ zu nennen, holen die Verantwortlichen der Kölner Investmentboutique Flossbach von Storch das Thema Fondsanlage sprachlich ein Stück weit herunter von jenem Sockel, auf dem es heute leider allzu häufig thront. Das ist keineswegs selbstverständlich, wie der Blick auf einige zeitgleich gestartete Fonds-Neuheiten des Jahres 2018 offenbart: Sie tragen so sperrige Namen wie Schroder Gaia Wellington Pagosa, UI-J8 Global Absolute Return, First State Sustainable Listed Infrastructure oder Amundi ETF Istoxx Europe Multi-Factor Market Neutral Ucits.
Das von Firmenmitgründer Kurt von Storch glaubhaft vorgetragene Bekenntnis, losgelöst vom eigenen Nutzen möglichst vielen Nullzins-Sparern eine Brücke in die Welt der Geldanlage bauen zu wollen, erinnert an eine lange Reihe ähnlicher Anläufe. Alle sind kläglich versandet – angefangen bei mehreren Versuchen des Branchenverbands BVI bis hin zur Einfach-Investieren-Kampagne des US-Giganten Fidelity. Damit aus dem ersten Schritt frei nach Laotse wirklich eine Reise von tausend Meilen oder mehr wird, braucht es folglich einen langen Atem und mehr als eine originelle Idee.
Von Storch empfiehlt, „radikaler“ zu denken als bisher. Wobei ich sein Gedankenspiel, Investmentanteile an junge Menschen zu verschenken, weder als radikal noch als sonderlich ungewöhnlich empfinde. So habe ich mich schon vor 20 Jahren gefragt, warum ich anlässlich der Geburt meines Sohnes von meiner Bank ein Sparbuch mit 5 Mark geschenkt bekommen habe statt eines Fondssparplans inklusive erster Rate. Andernorts wird so etwas längst praktiziert. Der Oldenburger Foto-Dienstleister Cewe zum Beispiel schenkt jedem seiner Mitarbeiter pro Jahr acht Aktien des eigenen Unternehmens. Einzige Bedingung: die Anteile bis zum Eintritt in den Ruhestand zu halten.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Wer wie von Storch die Jugend erreichen will, kommt kaum umhin, sich auf deren Plattformen zu begeben. Regelmäßig etwas auf Youtube zu posten ist sicher ein Muss, aber beileibe keine Erfolgsgarantie. Woran liegt es, dass ein nett anzuschauendes, aber nicht übermäßig originelles Werbe-Video der indischen Blackrock-Tochter BSP 4,2 Millionen Aufrufe verzeichnet, während andere, sich ebenfalls nicht in Fachbegriffen verlierende Erklär-Stücke wie die Vater-Sohn-Gespräche des Freiburger Fonds-Experten Volker Schilling bei wenigen hundert Klicks hängenbleiben? Wüsste ich die Antwort, ich würde mich gleich morgen an die Umsetzung machen.
Es mag etwas hilflos erscheinen, an dieser Stelle nach dem Staat zu rufen. Doch den Menschen immer wieder Angebote zu machen, ihnen geduldig die Vorzüge des Investierens aufzuzeigen, ist nur die eine Seite. Solange aus der Politik keinerlei Signale kommen, diese Versuche mit ganz konkreten und vor allem sinnvollen Maßnahmen zu flankieren, bleiben sie zum Scheitern verurteilt – zumindest, was die Breitenwirkung angeht. Das grundsätzliche Problem: Der mündige Anleger hat in Berlin keine Lobby; keine der im Bundestag vertretenen Parteien ist ernsthaft an ihm interessiert.
Vielleicht wäre es vor diesem Hintergrund gar keine schlechte Idee, einen Youtube-Kanal der besonderen Art zu gründen. Einen Kanal, der nur ein einziges Ziel verfolgt: die Regierenden permanent an ihre Verantwortung für Themen wie die private Altersvorsorge und den selbstbestimmten Umgang mit den eigenen Finanzen zu erinnern. Der Start verliefe vermutlich ähnlich holprig wie bei vielen anderen Kanälen. Doch die Unterstützung aus den Reihen der in diesem Punkt seit vielen Jahren so unsäglich schlecht Regierten dürfte früher oder später kommen. Und damit der nötige Druck, endlich eine bessere Politik zu machen.