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Wachtendorf-Kolumne Wap bap oder die Anlage-Nöte der Generation Y

Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS
Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS | Foto: Axel Baumhöfner

Es ist eine jener hochfliegenden Ideen, wie sie im Hype des Neuen Marktes beinahe im Stundentakt geboren wurden: Stell Dich vor eine Kamera, sprich über Dinge, die im Idealfall außer Dich noch Millionen andere Menschen interessieren, gewinne Sponsoren für Deine via Internet übertragenen Auftritte und werde reich dabei.

Der Neue Markt ist lange tot, doch dieses Geschäftsmodell lebt. Mit Hilfe der Google-Tochter YouTube sahnen auf ein jugendliches Publikum ausgerichtete Video-Blogger wie Bianca Heinicke, Dagi Bee oder Julian Claßen seit Jahren kräftig ab – Schätzungen des Manager-Magazins zufolge verdient allein Heinicke bis zu 110.000 Euro im Monat. Als die 24-jährige Kölnerin Anfang Mai ihre erste Single „How it is (wap bap)“ veröffentlichte, brachte ihr das zwar kübelweise Häme ein, aber auch jede Menge Klicks: in weniger als vier Wochen sage und schreibe 39 Millionen Stück.

Von derartigen Zugriffszahlen kann Kolja Barghoorn nur träumen. Wenn der auf Mallorca lebende Fitness-Trainer und Hobby-Börsianer auf seinem Video-Kanal „Kolja investiert“ erläutert, warum er gerade 8.600 Euro in Netflix investiert und dafür die spanische Stahl-Aktie Acerinox aus dem Depot geworfen hat, kommen nur etwas mehr als 10.000 Klicks zusammen. Was aber für das Thema Geldanlage gar nicht mal so schlecht ist, und seinen parallel betriebenen Kanal „Aktien mit Kopf“ beziehen aktuell mehr als 70.000 Abonnenten.

Ob Barghoorn, Jens Rabe, Lars Erichsen, Chris Rzepka – um nur einige weitere Namen zu nennen – und andere Money-Blogger aus ihrer Geschäftsidee Kapital schlagen, ist die eine Frage. Die andere, viel wichtigere lautet: Was haben die in Gelddingen meist wenig beschlagenen Betrachter der Videos davon?

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Unter Umständen eine ganze Menge. Manche der unaufgefordert erteilten Finanz-Tipps besitzen erstaunlich viel Substanz und vermitteln auf unterhaltsame Weise Grundkenntnisse, die die angepeilte Zielgruppe nirgendwo anders bekommt – nicht in der Schule, nicht von den Eltern und in dieser Form auch nicht von Banken, Sparkassen oder professionellen Finanzberatern. „Daytrader werden hier nicht glücklich“, beschreibt Barghoorn selbst sein Programm und offenbart in diversen klug angelegten Erklär-Stücken, dass er dank ausführlichen Selbststudiums genau weiß, worüber er spricht. Anlage-Novizen kann wahrlich Schlimmeres passieren als unter Barghoorns Anleitung die ersten Schritte Richtung Börsenparkett zurückzulegen.

Genau darin liegt jedoch die Gefahr eines für Selbstdarsteller jeglicher Art offenen Mediums. Woran erkennt ein Laie, dass die vom Gegenüber am Bildschirm erteilten Ratschläge seriös sind? Reicht es, vor dem eigenen Angaben zufolge selbst getätigten, möglicherweise mit Totalverlust verbundenen Kauf von Hebelpapieren mit den flapsigen Worten „Bitte nicht nachmachen“ zu warnen? Und wie lassen sich bei erfolgreichen Finanz-Bloggern nie ganz auszuschließende Interessenskonflikte auflösen oder zumindest zweifelsfrei erkennen?

An dieser Stelle nach dem Gesetzgeber zu rufen, mag einfallslos erscheinen. Völlig ohne Regulierung wird es bei einem solch sensiblen Thema aber auf Dauer nicht gehen. Ganz zu schweigen davon, dass die Politik endlich einmal die Weichen dafür stellen müsste, in Deutschlands Schulen flächendeckend ein Fach Wirtschaft oder Verbraucherkunde zu etablieren. Bis dahin bleibt an Mitglieder der Generation Y und der Generation Z nur die dringende Empfehlung, den folgenden, auf „Kolja investiert“ häufig zu hörenden Rat zu beherzigen: "Immer schön rational bleiben.“ Und vor dem Investieren mindestens eine weitere Meinung einzuholen – offline.

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