Rechtswissenschaftler Volker Boehme-Neßler
Wäre eine Corona-Impfpflicht legal?
Volker Boehme-Neßler lehrt öffentliches Recht sowie Medien- und Telekommunikationsrecht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Foto: WSH Deutsche Vermögenstreuhand
In Deutschland ist die Debatte um die Corona-Impfplicht in vollem Gang. Politisches Handeln ist in einem demokratischen Rechtsstaat jedoch nicht völlig frei. Es wird immer durch die Verfassung begrenzt. Was sind also die Voraussetzungen einer Impfpflicht? Ein Beitrag von Rechtswissenschaftler Volker Boehme-Neßler von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Die Hoffnung auf einen unbeschwerten Sommer hat sich zerschlagen. Stattdessen häufen sich die Warnungen vor einem weiteren schwierigen Corona-Herbst und Winter. Die Ursache ist klar: Die Delta-Variante des Corona-Virus verbreitet sich rasant. Gleichzeitig nimmt das Impftempo ab und in Politik und Gesellschaft werden immer mehr Stimmen laut, die eine generelle Impfpflicht gegen Corona fordern.
Politisches Handeln ist im demokratischen Rechtsstaat nicht völlig frei. Es wird immer durch die Verfassung begrenzt. Was sind also die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Corona-Impfpflicht?
Der Körper und die Staatsmacht
Mein Körper gehört mir, sagen...
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Die Hoffnung auf einen unbeschwerten Sommer hat sich zerschlagen. Stattdessen häufen sich die Warnungen vor einem weiteren schwierigen Corona-Herbst und Winter. Die Ursache ist klar: Die Delta-Variante des Corona-Virus verbreitet sich rasant. Gleichzeitig nimmt das Impftempo ab und in Politik und Gesellschaft werden immer mehr Stimmen laut, die eine generelle Impfpflicht gegen Corona fordern.
Politisches Handeln ist im demokratischen Rechtsstaat nicht völlig frei. Es wird immer durch die Verfassung begrenzt. Was sind also die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Corona-Impfpflicht?
Der Körper und die Staatsmacht
Mein Körper gehört mir, sagen die Menschen zu Recht. Eine Corona-Impfung ist kein kleiner harmloser Piecks. Mit ihr wird unwiderruflich in den Körper und die Gesundheit eingegriffen; das Immunsystem wird tiefgreifend beeinflusst. Was genau dabei passiert, ist noch nicht vollständig verstanden. Bei den Corona-Impfstoffen kennt noch niemand die Langzeitfolgen. Wenn der Staat eine Impfung mit Zwang durchsetzt, übt er – symbolisch und ganz konkret – Macht über den Körper und die Gesundheit seiner Bürger aus.
Das ist keine Kleinigkeit. Verfassungsrechtlich gesprochen: Eine gesetzliche Pflicht zur Corona-Impfung, die im Notfall mit staatlichem Zwang durchgesetzt wird, wäre ein tiefer Eingriff in Grundrechte. Hier liegt einer der Gründe dafür, warum die Impfskepsis so weit verbreitet ist. Impfskepsis ist auch kein neues Phänomen. Sie ist so alt wie die Impfung selbst. Sie ist die vorsichtige, vielleicht auch ängstliche Seite der Impfung.
Die Corona-Monate haben es in aller Härte gezeigt: Es gibt keine Freiheit ohne Grenzen. Die Verfassung lässt Einschränkungen von Grundrechten zu – aber nur im Notfall und unter strengen Voraussetzungen. Die entscheidende Frage dabei ist die nach der Verhältnismäßigkeit.
Wäre eine gesetzliche Pflicht zur Impfung also verhältnismäßig? Das hängt davon ab, ob es Alternativen gibt, die genauso effektiv sind und die Freiheiten der Bürger weniger einschränken. Dann wäre eine Impfpflicht unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Welche Alternativen gibt es?
Auch wenn es manchmal in Vergessenheit gerät: Menschen lassen sich durch Informationen, Fakten und Argumente überzeugen. Das ist jedenfalls das Credo der modernen aufgeklärten Welt, die von der Macht der Vernunft ausgeht. Politisch gesprochen: In der Demokratie diskutieren die Bürger auf Augenhöhe und treffen dann eigenverantwortliche Entscheidungen. Dass der Staat von oben verordnet, ist nicht der demokratische Normalfall.
Der Staat muss deshalb informieren, argumentieren und überzeugen. Dröge Regierungserklärungen, langweilige Plakate und biedere Broschüren reichen nicht aus. Die Kommunikation muss über alle Kanäle stattfinden, auch und gerade über Social Media. Hier werden viele Bürger erreicht. Und hier verbreiten Impfgegner viele Gerüchte, die falsche Ängste schüren und Impfskepsis unnötig wachsen lassen. Diesen Fake-News muss man dort entgegentreten.
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