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Vermögensverwalter Henning Kirsch „Bei italienischen Staatsanleihen sollten Anleger vorsichtig sein“

Straßenszene in Rieti in Italien.
Straßenszene in Rieti in Italien: Ob die neue Regierung in Rom bereit ist, den von Mario Draghi eingeleiteten Schuldenabbau fortzuführen, ist ungewiss. | Foto: Imago Images / Pacific Press Agency

Gemessen an den globalen Krisen des russisch-ukrainischen Konfliktes oder der komplex entstanden, weltweiten Inflation sind die Wahlausgänge in europäischen Ländern vordergründig betrachtet, wenig spektakulär. Mit dem Wahlsieg rechter Parteien in Italien könnte jedoch ein längerfristiger Kurswechsel in der Europäischen Union eingeleitet worden sein, der über die kommenden Jahre für die Einheit der Europäischen Union zu einer massiven Belastungsprobe werden könnte.

Populistische Parteien gewinnen schon seit Jahren in den Ländern Europas an Bedeutung. Insbesondere in Politikgebieten, wo breite Mehrheiten erforderlich sind, können Populisten mit Blockadepolitik europäische Politik machen. Wir erleben dies bereits bei einzelnen Staaten der Eurozone, wo nationale Interessen einem europäischen Gemeinwohl gegenüber dominieren. Die Schuld daran ist nicht einzig in den Parteien an sich zu sehen.

Rechtspopulistische Tendenzen entstehen häufig aus Unzufriedenheit mit einer sogenannten regierenden „Elite“. Dabei geht es hier nicht darum, eine Elite abzuschaffen, sondern selbst zur Elite zu werden – und das im Namen der eigenen, als „zugehörig“ verorteten Bevölkerung, welche dadurch selbst in den Stand einer Elite erhoben wird und so zu einem manövrierbaren Instrument werden kann.

 

 

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Wird also beispielsweise die Finanzpolitik der Europäischen Union angefeindet und als elitäres Gebilde deklariert, bedeutet das keineswegs, dass eine im Sinne einer europäischen Gemeinschaft gestaltete, rechtspopulistisch geprägte Alternative gefunden werden will. Dadurch, dass dem Rechtspopulismus das Ausmachen von Schuldigen an einer Misere eigen ist, können Prozesse, die zuvor angefeindet wurden, bei einem Wahlsieg zum eigenen Mittel erhoben werden.

Entscheidend ist dabei stets der nationale Blick, also zuerst das eigene Land und die eigenen Interessen. Diese Haltung liegt durchaus in der Geschichte der heutigen Europäischen Union begründet, hat sie sich doch über Jahre als elitäre Reguliererin präsentiert, ohne wirkliche Volksnähe zu erzeugen. Dieses, als „elitär und bevormundend“ wahrgenommene Auftreten überdeckte die tatsächlichen Errungenschaften der Europäischen Union und wurde so zu einem Nährboden rechtspopulistischer Strömungen in ganz Europa. Dadurch sind starke, nationale Strömungen in vielen europäischen Staaten wie Ungarn, Polen, Frankreich, Deutschland oder eben auch Italien entstanden, die mehr und mehr Einfluss auf die europäische Politik, insbesondere die Geldpolitik nehmen wollen.

Giorgia Meloni greift einen zentralen Punkt, nämlich die Senkung von Steuern auf und ist dafür bereit, die ohnehin ausufernde Schuldenquote des Landes von 159,4 Prozent weiter anschwellen zu lassen. Und dies ohne Einschränkungen auf EU-Subventionen in Kauf nehmen zu wollen. Dieser Prozess könnte den Schuldenabbau des italienischen Staates zum Erliegen bringen.

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