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Wallwitz: "Das Wachstum der Welt findet in den Schwellenländern statt"

Georg Graf von Wallwitz, Eyb & Wallwitz
Georg Graf von Wallwitz, Eyb & Wallwitz
Über Menippos von Gadara (circa 330 vor Christus bis 260 vor Christus) wissen wir nicht viel, aber was wir wissen, ist äußerst aufschlussreich. Nach dem Bericht von Diogenes Laertios war Menippos ein phönizischer Sklave, der als Freigelassener mit Betteln und Zinskrediten reich wurde, einer interessanten Kombination von Berufen, die in heutiger Zeit wieder oft zusammen ausgeübt werden. Berühmt wurde Menippos aber als Erfinder der Satire. In seinen Schriften verspottete er das Gehabe, das die Philosophen um ihre meist eingebildete Weisheit machen.

Die Menippische Satire zeichnet sich formal durch eine wilde Kombination von Stilen aus. Prosa und Versmaß gehen bunt durcheinander, respektieren keine Grenzen und Gesetze. Der Ton ist aber immer spöttisch, durch Übertreibung, Persiflage und Paradoxien. Inhaltlich ist die Sache schon ernster. Die Satire ist nicht nur Unterhaltung, sondern auch Kritik und Lehrstück. Sie will belehren, stellt die unvollkommene Wirklichkeit dem Ideal gegenüber.

Das zwischenzeitliche Verebben der Eurokrise legt die Frage nahe, ob es sich dabei weniger um ein Drama als um eine Satire handelt.

Künftige Geschichtsschreiber werden nicht ohne die Stilmittel des Menippos auskommen können: Da sind die aufgeblasenen weisen Männer (Journalisten, Akademiker, Investoren), die das unmittelbar bevorstehende Auseinanderbrechen der Eurozone verkündet haben. Die nordischen Sittenwächter, die den ordentlichen Umgang mit Geld predigen.

Die südländischen Gauner, die sich mit dem Vermögen der schwäbischen Hausfrauen davon machen. Die Juristen, die finden, dass die letzte Rettungsaktion nicht richtig geprüft wurde. Die Kreditinstitute, die immer wieder betteln gehen müssen.

So ganz vorbei ist es aber noch nicht, auch wenn das hier und da bereits zu lesen ist. Die Eurokrise war immer wieder von großen Lösungen und daran anschließenden großen Rückfällen gekennzeichnet. Mit der EZB hat im Sommer ein Akteur mit richtig tiefen Taschen die Bühne betreten und es handelt sich dabei wahrscheinlich um einen game changer, der zwar noch nicht das Ende der Geschichte, aber immerhin die Wendung zum Guten bedeutet. Die EZB kann jede Panik stoppen, sie kann, wenn sie will, auf jeden brodelnden Topf einen Deckel tun. Der Euro wird in absehbarer Zeit nicht auseinander fallen.

Die Frage, wer denn am Ende wie die Schulden bezahlt, die sich im System angehäuft haben, ist zum Erstaunen der Cognoscenti bislang unbeantwortet geblieben. Die Schulden können entweder durch finanzielle Repression (die Zinsen werden künstlich unter der Inflationsrate gehalten) oder Inflation (es wird eine Inflationsrate oberhalb des herrschenden Zinsniveaus toleriert) beseitigt werden oder die Wirtschaftsleistung könnte so stark wachsen, dass die Schulden tragbar werden.

Die ehrlichste Weise, mit dem Schuldenproblem umzugehen, wäre das Wachstum so zu beschleunigen, dass sich das Problem von selbst erledigt. Ein Land, das heute eine Wirtschaftsleistung (im Privathaushalt wäre das: Einkommen) von 100 hat, tut sich schwer, eine Schuldenlast von 120 zu tragen.

Wie schön wäre es da, das Einkommen auf 200 zu steigern – dann könnte man problemlos 10 pro Jahr abzweigen und nach 12 Jahren wäre man schuldenfrei! Aber wie wir aus der Menippischen Satire wissen, ist der Pfad der Tugend oft voller Hindernisse und Lächerlichkeiten.

Dank des Zinseszinseffekts reichen schon relativ kleine Wachstumsraten für große Effekte. Wächst die Wirtschaft real um 2,5 Prozent p.a., so hat sie sich nach einer Generation (genau genommen nach 29 Jahren) verdoppelt. Rechnet man noch 2,5 Prozent Inflation im Jahr hinzu, so wäre die Verdoppelung bereits nach etwa 15 Jahren geschafft.

Würde es also einer halben Generation gelingen, keine zusätzlichen Schulden zu machen und mit 2,5 Prozent im Jahr zu wachsen bei 2,5 Prozent Inflationsrate, dann könnte sich das Schuldenproblem schnell in Luft auflösen. Nur, wie bringt man es der gegenwärtigen Generation bei, dass sie nicht Schulden naschen darf wie all ihre Vorgänger seit 1945?

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