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Wallwitz: "Das Wachstum der Welt findet in den Schwellenländern statt"

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Wie Wachstum entsteht, wird in der Ökonomie, wie jede andere Frage auch, immer wieder anders beantwortet. Nach der klassischen Theorie sind die essentiellen Zutaten für Wachstum technologischer Fortschritt (der zu Produktivitätssteigerungen führt), Kapital (welches in Maschinen oder ähnlichem steckt, die klaglos und mehr arbeiten als Menschen) und Arbeitskraft (die sich auch vermehren lässt, indem man etwa Arbeitsplätze für Frauen öffnet oder Studenten früher von den Universitäten vertreibt). Nach dem Lehrbuch wächst die Wirtschaft mit dem Aufbau von Kapital und Arbeitskräften, sowie mit steigender Produktivität. Leider bringen zusätzliches Kapital und Arbeitskräfte aber immer weniger, wenn der Grundstock immer größer wird.

Ihr Nutzen nimmt ab. Einer Firma mit 100 Maschinen bringt die 101. nicht mehr viel. So macht die klassische Theorie drei Vorhersagen: Erstens ist es sinnvoll, mehr Kapital zu schaffen, denn Menschen werden produktiver, wenn sie mehr Werkzeuge zur Verfügung haben.

Zweitens wachsen arme Länder schneller als reiche, denn dort bringt der Einsatz neuer Ressourcen noch erhebliche Ertragssteigerungen. Drittens kommt die Welt irgendwann an einen Punkt, wo sich die Erträge nicht weiter steigern lassen. Die Wirtschaft ist dann in einem stationären Zustand, alles ist in einem langfristigen Gleichgewicht.

Das Wachstum in der Welt findet heute in der Tat hauptsächlich in den Schwellenländern statt. Die entwickelten Länder, wie sie etwa in der OECD zusammengefasst sind, wachsen seit vielen Jahren deutlich langsamer als die armen Verwandten.

Und Staaten wie Italien scheinen tatsächlich schon seit vielen Jahren den stationären Zustand erreicht zu haben, Wachstum ist dort zu einem Fremdwort geworden. Das wären schlechte Nachrichten für die Europäer, denn dann müssten sie doch die Inflation ihr Werk tun lassen, um die Schulden los zu werden.

Glücklicherweise lässt die Theorie etwas zu Wünschen übrig. Sie behandelt den menschlichen Erfindungsreichtum wie eine endliche Ressource. Das schöne am menschlichen Wissen ist, dass es keinen abnehmenden Nutzen hat, dass es nicht derselben Schwerkraft unterliegt wie physisches Kapital und Arbeitskraft.

Wachstum muss auf einem endlichen Planeten mit endlichen Ressourcen in den Köpfen stattfinden. Dort kann das Wachstum ohne Grenze sein. Es ist das Wissen und der Erfindungsreichtum der Menschen, die uns wirtschaftlich weiter bringen.

Die Welt kann und muss immer weniger durch den Einsatz von Kapital oder Rohstoffen wachsen. Für Europa bedeutet dies, dass es seine kreativen Köpfe auch arbeiten lassen muss und ihnen nicht die Lust am Unternehmertum verleiden darf. Sonst wandern sie, wie schon so oft in den letzten 250 Jahren, aus.

Generell für das ganze alte Europa, insbesondere aber für Länder wie Italien oder Frankreich gilt, dass sie etwas weniger lizensieren, besteuern, stempeln, regulieren, vorschreiben, eingrenzen, erfassen, verbieten, gebieten, normieren, anweisen – oder kurz gesprochen: regieren – sollten. Das gegenwärtige System nutzt im wesentlichen den Insidern, indem es verhindert, dass Apotheken, Taxifahrer, Anwälte, Notare, Ärzte, etc. dem unangenehmen Druck durch die Konkurrenz von ideenreichen jungen Leuten ausgesetzt sind.

Die Lateineuropäer haben kreative Köpfe, und wenn sie nicht immer wieder gezwungen wären, nach New York, London oder, seit neuestem, nach Berlin auszuwandern, könnten diese Länder ein Wachstum haben, das ihre Schulden problemlos trägt. Wenn sie nur so viel Anarchie wagen würden, wie die Deutschen ihnen unterstellen!

Von den nötigen Reformen für die Köpfe ist aber derzeit noch nicht viel zu sehen. Zu stark sind die Interessengruppen, als dass sie sich die Butter kampflos vom Brot nehmen lassen würden. So bleibt das Wachstum weiterhin auf die Schwellenländer beschränkt, wo zusätzlicher Einsatz von Kapital und Arbeitskräften nach wie vor einen erheblichen Effekt hat.

Davon hat Europa zwar auch etwas, weil es den Bürgern der neuerlich wohlhabenden Länder von der Babynahrung bis zum Porsche etwas zu bieten hat. Aber es wird nicht reichen, um ganz darauf zu verzichten, Europas Gläubiger zu „rasieren“ (mittels Inflation oder Repression).

Für den klugen Investor bedeutet dies, dass er sich von Staatsanleihen, Pfandbriefen und ähnlichen angeblich sicheren Investitionen eher trennen wird. Menippos jedenfalls hätte auf dem gegenwärtigen Zinsniveau keinem Staat etwas geliehen. Die europäische Satire wird uns noch eine gute Weile begleiten.

Je weniger für das Wachstum unternommen wird, desto eher geht es den Sparern an den Kragen. Unternehmensanleihen, die noch einen akzeptablen Zins zahlen (ohne ekelhaft risikoreich zu sein), und Aktien von Unternehmen, die ihre Waren in den Schwellenländer verkaufen können, sind eine deutlich bessere Wette.

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