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Von in NewsLesedauer: 8 Minuten
Krankenschwester
Krankenschwester auf der Neugeborenen-Station: Beim Urteil des OLG Hamm geht es um eine Krankenschwester, die im Schichtdienst arbeitete, psychisch erkrankte und dadurch berufsunfähig wurde. | Foto: travisdmchenry / Pixabay
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Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hatte sich mit der Frage nach der Wirksamkeit einer Befristung des Leistungsanerkenntnisses für einen zurückliegenden Zeitraum befasst (Urteil vom 06.12.2023 – Aktenzeichen: 20 U 369/22). Mit diesem Thema hatte sich auch der BGH bereits beschäftigen müssen, erklärt Björn Thorben M. Jöhnke von der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

Der Fall

Eine Krankenschwester schloss eine Berufsunfähigkeits-Versicherung (BU-Versicherung) ab, die im Falle einer mindestens 50-prozentigen Berufsunfähigkeit für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten die Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente sowie eine Befreiung von der monatlichen Beitragspflicht vorsieht.

Vor ihrer Berufsunfähigkeit arbeitete die Krankenschwester im Schichtdienst. Im Mai 2013 wurde sie von ihren Ärzten durchgehend als arbeitsunfähig eingestuft. Im August 2013 stellte sie einen Leistungsantrag, woraufhin der Versicherer die Leistungsprüfung aufnahm und medizinische Auskünfte einholte. Seit dem 1. Mai 2014 bezog die Versicherungsnehmerin eine zunächst befristete, später unbefristete Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2014 teilte der Versicherer der Frau mit, dass für ihre letzte Berufstätigkeit eine 50-prozentige Berufsunfähigkeit für mehr als sechs Monate bestand und die Versicherung daher ihre Eintrittspflicht anerkennt. Leistungsbeginn war der 1. Juni 2013. Zu diesem Zeitpunkt endete auch die Pflicht der Versicherungsnehmerin zur Beitragszahlung. Allerdings erklärte der Versicherer im Schreiben auch, dass ab dem 1. Januar 2014 keine Berufsunfähigkeit nachgewiesen werden konnte und damit gleichzeitig zum 1. Januar 2014 die monatliche Rentenzahlung wieder eingestellt wird.

Die Versicherungsnehmerin widersprach. Ihr Anwalt schrieb im April 2015, dass sie nach wie vor berufsunfähig sei. Nach Einholung weiterer Gutachten lehnte die Versicherung ihre Einstandspflicht ab, da sie eine Berufsunfähigkeit von zumindest 50 Prozent nicht feststellen könne.

Die Versicherungsnehmerin klagte vor dem Landgericht (LG) Bielefeld. Dabei erklärte sie, aufgrund mehrerer psychischer Erkrankungen und Beschwerden bedingungsgemäß berufsunfähig zu sein. Der Versicherer hingegen bestritt, dass die Versicherungsnehmerin an gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide.

 

Das Urteil des LG Bielefeld

Das LG Bielefeld wies die Klage ab. Die LG-Richter begründeten dies mit Sachverständigengutachten, demnach die Versicherungsnehmerin nicht bedingungsgemäßen berufsunfähig sei.

Die Versicherungsnehmerin ging gegen die Entscheidung des LG Bielefeld in Berufung und das OLG Hamm übernahm den Fall. Dabei argumentierte die Klägerin unter anderem damit, dass der Versicherer ohnehin zur Leistungserbringung verpflichtet sei, da seine Leistungsanerkenntnis unbefristet wirksam sei. Die Voraussetzungen der Leistungseinstellung liegen nach Auffassung der Versicherungsnehmerin nicht vor, da es an einer wirksamen Einstellungsmitteilug seitens der Versicherung fehle.

Der Versicherer hingegen beruft sich auf die Wirksamkeit rückwirkenden Befristung des Leistungsanerkenntnisses vom 9. Mai 2014. Zudem habe er zugleich mit dem Anerkenntnis eine wirksame Einstellungsmitteilung abgegeben.

Das OLG-Urteil

Das OLG Hamm gab der Klägerin Recht. In dem Schreiben der Versicherung vom 9. Mai 2014 liege unstreitig ein Leistungsanerkenntnis, welches unbefristet gilt, so die Begründung. Mit dem Anerkenntnis verpflichtet sich die Versicherung zur Erbringung der vereinbarten Leistungen. Davon lösen kann sie sich nur durch ein sogenanntes Nachprüfungsverfahren. Daher könne sich die Versicherung hier nicht auf die Befristung bis zum 31.12.2013 berufen. Damit sei die Leistungseinstellung unwirksam.

Die Urteilsbegründung

Zwar sehen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen grundsätzlich vor, dass die Versicherung „zeitlich begrenzte Anerkenntnisse“ aussprechen kann. Allerdings ergibt sich daraus kein Recht zur Abgabe eines rückwirkend befristeten Anerkenntnisses. Gemäß § 173 II VVG darf eine Erklärung über das Leistungsanerkenntnis einmal zeitlich begrenzt werden. Diese Möglichkeit zur Befristung des Leistungsanerkenntnisses rechtfertige sich nach dem Willen des Gesetzgebers nur daraus, dass in zweifelhaften Fällen aus Sicht beider Vertragsparteien ein Bedürfnis besteht, bis zu einer abschließenden Klärung zunächst eine vorläufige Entscheidung zu ermöglichen.

Eine solche Situation liegt jedoch nur bei einem in die Zukunft reichenden Anerkenntniszeitraum vor. Die vorläufige Regelung in einer Situation der Unsicherheit erlaubt daher nur eine in die Zukunft gerichtete Befristung, so das OLG Hamm. Hier hat der Versicherer sein Anerkenntnis für einen zurückliegenden Zeitraum befristet. Dies widerspricht Sinn und Zweck der Befristung, so dass der Versicherer sich nicht auf diese Befristung berufen kann. Somit sei der Versicherer so zu behandeln, als hätte er seine Leistungspflicht unbefristet anerkannt.

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Fehlende Berechtigung zur Befristung

Das OLG Hamm entschied zudem, dass die vom Versicherer vorgenommene rückwirkende Befristung aus einem weiteren Grund unwirksam sei. Aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ergibt sich, dass der Versicherer zeitlich befristete Anerkenntnisse nur aussprechen darf, soweit für die Befristung ein sachlicher Grund vorliegt.

Nach Auffassung des OLG Hamm wäre der Versicherer zu zeitlich begrenzten Anerkenntnissen nur dann berechtigt, wenn die Versicherungsnehmerin eine andere berufliche Tätigkeit ausüben könnte. Der Versicherer hat hier keine derartige Verweisung der Versicherungsnehmerin vorgenommen. Die Befristung wurde lediglich damit begründet, dass ab dem 1. Januar 2014 keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit mehr nachgewiesen werden könne.

Damit hat die Versicherungsnehmerin einen Anspruch auf ein unbefristetes Anerkenntnis, da sie für einen Zeitraum von sechs Monaten ununterbrochen außerstande war, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben. Liegt also kein sachlicher Grund für die Befristung des Leistungsanerkenntnisses vor, ist dieses als unbefristet anzusehen. Das besagt auch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 09.10.2019 (Aktenzeichen: IV ZR 235/18).

Als einziger Grund für die Befristung käme hier nach der Auffassung des OLG Hamm und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Betracht, dass die Verweisung noch offen oder zweifelhaft ist. Jedoch nimmt der Versicherer hierzu keinerlei Ausführungen vor, so dass ein sachlicher Grund nicht vorliegt.

Keine wirksame Einstellungsmitteilung

Der Versicherer muss sich vorliegend so behandeln lassen, als hätte er ein unbefristetes Anerkenntnis abgegeben. Daraus folgt, dass er die Bindung an das Anerkenntnis nur nach den Regeln des Nachprüfungsverfahrens beseitigen und sich so von seiner Leistungspflicht lösen kann. Dies bedarf neben einer Nachprüfung der Leistungspflicht auch einer Mitteilung der Leistungseinstellung. Eine solche wirksame Einstellungsmitteilung hat der Versicherer jedoch weder mit seinem Anerkenntnis vom 9. Mai 2015, noch im Laufe des Verfahrens abgegeben.

Der Versicherer kann zeitgleich mit Abgabe des Anerkenntnisses die Mitteilung der Leistungseinstellung   erklären. Dies gilt auch, wenn er sich nicht, wie eigentlich gewollt, durch eine rückwirkende Befristung von seiner Leistungspflicht lösen kann. Dazu muss aus dem Schreiben hinreichend hervorgehen, dass der Versicherer nach Wegfall der Berufsunfähigkeit die Leistungen zum nächstmöglichen Zeitpunkt einstellen will, so das OLG Hamm. Dann ist im Zweifel anzunehmen, dass der Versicherer durch die Verbindung des Anerkenntnisses mit einer Änderungsmitteilung eine Beendigung seiner Leistungspflicht erreichen wollte (siehe dazu auch: BGH-Urteil vom 23.02.2022 – IV ZR 101/20).

Das OLG Hamm entschied jedoch, dass diese Einstellungsmitteilung unwirksam ist. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Mitteilung nämlich wäre, dass diese nachvollziehbar begründet wird. Aus dieser Begründung muss sich für die Versicherungsnehmerin ergeben, weshalb die Leistungspflicht des Versicherers enden soll. Hier hätte der Versicherer eine Vergleichsbetrachtung vornehmen müssen. Diese Vergleichsbetrachtung müsste aufzeigen, dass sich der Gesundheitszustand der Versicherungsnehmerin im Vergleich zu dem Gesundheitszustand, der dem Anerkenntnis zugrunde liegt, gebessert hat. Dazu kann es bereits genügen, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer mittels eines Gutachtens aufzeigt, dass sich eine maßgebliche Besserung zu denjenigen Bewertungen ergeben hat, die dem Leistungsanerkenntnis zugrunde liegen.

Diesen vorgenannten Voraussetzungen genügt jedoch die Mitteilung des Versicherers aus dem Leistungsanerkenntnis vom 9. Mai 2014 nicht, so das OLG Hamm. Hierin liegt nämlich eine bloße Mitteilung, aus der für die Versicherungsnehmerin nicht ansatzweise ersichtlich wird, aus welchen Gründen die Leistungspflicht enden sollte.

Das meint der Experte

Die Entscheidung des OLG Hamm zeigt, dass eine Befristung des Leistungsanerkenntnisses durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung durchaus unwirksam sein kann. Dies ist vor allem bei rückwirkend befristeten Anerkenntnissen der Fall. Sollte dies festgestellt werden, muss geprüft werden, ob in der unwirksamen Befristung möglicherweise eine wirksame Mitteilung zur Leistungseinstellung zu erkennen ist. Dies hat das OLG Hamm vorliegend abgelehnt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Versicherungsnehmerin nicht bedingungsgemäß berufsunfähig ist.

Mit dieser Thematik beschäftigten sich zuvor auch das LG Berlin (Änderungsmitteilung nach unwirksam befristetem Anerkenntnis der BU) sowie das OLG Dresden (Die Uno-Actu-Mitteilung der BU-Versicherung). Beide kamen, ebenso wie das OLG Hamm, zum Ergebnis, dass zeitlich befristete Leistungsanerkenntnisse unbefristet Wirksamkeit entfalten.

Über den Autor:

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke ist Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht. 

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