Warten auf die zweite Welle Warum eine Stagflation nicht unwahrscheinlich ist
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat gerade erst seine Prognose für die Entwicklung der Weltwirtschaft von minus drei auf minus 4,9 Prozent revidiert. Damit würde das weltweite BIP in diesem Jahr noch stärker schrumpfen als während der Großen Depression in den 30er Jahren.
Zusätzlich könnte wie schon in den 70er-Jahren der Ölpreis wieder Ärger machen. In den USA fahren derzeit die Produzenten von Schieferöl ihre Anlagen runter. Nach den Angaben der Ölservice-Gesellschaft Baker Hughes ist dort die Zahl der Bohrtürme in den zurückliegenden zwölf Monaten von 967 auf nur noch 266 gesunken, also um mehr als 70 Prozent. Grund ist der für die Fracking-Unternehmen zu niedrige Ölpreis, der allerdings seit dem Crash im April wieder deutlich angezogen hat. Dennoch gibt es in der gesamten Ölindustrie drastische Investitions-Kürzungen, die künftig zu einem geringeren Angebot und dementsprechend höheren Preisen führen könnten.
Inflation durchaus denkbar
Auch in anderen Bereichen könnte es nach einer deflatorischen Phase wieder zu steigenden Preisen kommen. Denn neben dem Nachfrage-Schock erleben wir gleichzeitig einen Angebots-Schock. Beispielsweise wird das Angebot an Flügen künftig spürbar kleiner ausfallen als in der Zeit vor Corona. Ob es dann noch Billigflüge nach Frankfurt oder Mallorca geben wird, darf bezweifelt werden. Dem begrenzten oder teilweise sogar geschrumpften Angebot steht eine stark gewachsene Menge an Geld gegenüber. Im Gegensatz zur weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise haben Staaten und Notenbanken dieses Mal nicht nur den Finanzsektor, sondern auch die Realwirtschaft mit Geld vollgepumpt.
Dazu kommt die beschleunigte Deglobalisierung. Wenn Unternehmen Teile ihrer Produktion aus Sicherheitsgründen aus Asien wieder nach Europa oder in die USA verlagern, werden sie versuchen, die höheren Kosten an die Verbraucher weiterzuleiten. Schließlich ist auch der Fachkräftemangel nicht vom Tisch. Das könnte künftig für steigende Löhne und Gehälter sorgen und eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen.
In einem Stagflations-Szenario positionieren sich Anleger am besten mit Sachwerten, also mit Aktien, Immobilien und Gold. Die jüngste Rally mag etwas übertrieben abgelaufen sein, was zusammen mit den gesunkenen Unternehmensgewinnen für eine kräftige Ausweitung der Bewertungen geführt hat. Temporäre Korrekturen sind daher nicht unwahrscheinlich. Dennoch bleiben Aktien zwar nicht unbedingt alternativlos, aber weiterhin eine sehr wettbewerbsfähige Assetklasse. Anleger sollten aber auf jeden Fall auf die Branchen- beziehungsweise Einzelwert-Selektion achten.
Dasselbe gilt für Immobilien. Büros könnten unter dem zunehmenden Trend zum Homeoffice leiden, Wohnungen dürften dagegen weiterhin gefragt bleiben. Schließlich gehört Gold ins Depot. Das Edelmetall schützt vor Inflation und hat sich während der Corona-Pandemie wieder einmal als solides Wertaufbewahrungsmittel erwiesen.
Über den Autor:
Thomas Buckard ist seit dem Jahr 2000 Gründungsmitglied der Vermögensverwaltung MPF. Als Vorstand ist er für die Kundenakquisition und -betreuung zuständig. Zuvor arbeitete der passionierte Bergsteiger im Private Banking der Deutschen Bank.