Anleihen in der Asset-Allokation Warum Aktien nicht mehr alternativlos sind
Alternativlos war früher: Die Asset-Allokation könnte an einem Wendepunkt stehen, und Anleihen könnten wieder interessanter werden. Bis vor Kurzem galten Aktien als Assetklasse der Wahl, an der kein Weg vorbeiführt. Das Wirtschaftswachstum war hoch und legte weiter zu, die Binnennachfrage war ungewöhnlich stabil. Doch zuletzt hat sich das Umfeld stark verändert. Jetzt gilt Inflation als wichtigstes Risiko, und die straffere US-Geldpolitik weckt Rezessionssorgen. Aktieninvestoren machen sich immer mehr Sorgen um Konjunktur und Unternehmensgewinne. Andererseits kam es zu einer dramatischen Korrektur am US-Anleihenmarkt, mit einem massiven Renditeanstieg. Außerdem weiteten sich die Credit Spreads aus. Was bei der Asset-Allokation früher als alternativlos galt, könnte überholt sein.
Die Renditenormalisierung war extrem, und Anleihen sind wieder attraktiver bewertet: Früher galt eine hohe Aktienquote als gesetzt, und sei es nur wegen der Dividenden. Bei niedrigen Anleiherenditen war das auch sinnvoll. Mittlerweile liegt die US-Zehnjahresrendite aber wieder deutlich über der durchschnittlichen Dividendenrendite des S&P 500 (Grafik 1). Der Vorsprung beträgt 130 Basispunkte, so viel wie zuletzt 2011.
Grafik 1: US-Zehnjahresrendite und Dividendenrendite des S&P 500
Die Bewertungen von Aktien und Anleihen haben sich angenähert: Aktien sind im Vergleich zu Anleihen noch immer günstig, aber der Bewertungsvorteil hat in den letzten Monaten stark nachgelassen. Das zeigt das sogenannte Fed-Modell, dem zufolge eine Gewinnrendite des S&P 500 über der zehnjährigen US-Staatsanleiherendite ein Argument für Aktien ist. Eine Anleiherendite über der Gewinnrendite spricht hingegen für Anleihen. Mit einer durchschnittlichen Gewinnrendite von etwa 4,3 Prozent rät das Modell zwar noch immer zu Aktien, doch hat ihre Attraktivität deutlich nachgelassen (Grafik 2).
Grafik 2: Verhältnis von Anleiherendite und Gewinnrendite im Fed-Modell
Anleihen sind in einem Multi-Asset-Portfolio auch für das Volatilitätsmanagement wichtig: Aktien sind volatil und werden immer volatiler; der VIX notiert jetzt deutlich über seinem Langfristdurchschnitt. Die Ertragsvolatilität von Anleihen ist zwar ebenfalls gestiegen, liegt aber immer noch deutlich unter der Volatilität von Aktien und ist auch wesentlich stabiler (Grafik 3). Da die Aktienquoten vieler Portfolios zurzeit recht hoch sind, könnten Umschichtungen in Anleihen die Volatilität dämpfen. Risikoadjustiert könnten Anleihen im Vergleich zu Aktien wieder attraktiver werden. Wegen der hohen Teuerung sind zurzeit aber weder bei Aktien noch bei Anleihen hohe inflationsbereinigte Erträge zu erwarten. Dazu müsste erst der Preisauftrieb nachlassen.
Grafik 3: Ertragsvolatilität des US Aggregate Bond Index und des S&P 500 im Vergleich
In den Kursen ist eine deutliche Straffung der Geldpolitik berücksichtigt: Am Markt erwartet man für die USA jetzt Leitzinserhöhungen der Fed bis auf etwa 3,30 Prozent, also um weitere gut 280 Basispunkte (Grafik 4). Das ist mehr, als die Fed in ihrer Märzprognose in Aussicht gestellt hatte. Die Zinsvolatilität ist aber hoch, und weil die Fed die Inflation bekämpfen will, spricht nach wie vor mehr für noch höhere Zinsen als für einen geringeren Anstieg. Lang laufende Titel könnten interessanter werden, wenn die erwarteten Zinserhöhungen allmählich in den Kursen enthalten sind und die Inflation nicht weiter steigt – oder wenn die Konjunktur unsicherer wird und die Notenbank ihre Anti-Inflationsstrategie überdenkt.
Grafik 4: Implizite Federal Funds Rate am Terminmarkt
Unterdessen sind internationale Credits nach der jüngsten Spreadausweitung wieder attraktiver: Nahezu alle Spreadprodukte sind in den vergangenen Monaten deutlich billiger geworden. Zwei Assetklassen stechen aber hervor. Nach der Korrektur sind die Spreads von europäischen Investmentgrade-Unternehmensanleihen und Emerging-Market-Staatsanleihen attraktiv wie selten. Vor allem europäische Unternehmensanleihen scheinen billig – nicht nur für Investoren aus Europa, sondern auch für US-Investoren, die sie in US-Dollar absichern. Schließlich sind die Absicherungskosten des Euro in US-Dollar zurzeit negativ. Die Spreads eurodenominierter Investmentgrade-Unternehmensanleihen sind jetzt fast wieder so weit wie im Dezember 2018, als Investoren wegen der strafferen US-Geldpolitik höhere Rezessionsrisiken sahen (Grafik 5).
Wir sehen in der Asset-Allokation wieder Alternativen zu Aktien, da Anleihen durch Renditenormalisierung und Spreadausweitung attraktiver geworden sind: Wegen der anhaltenden Konjunkturschwankungen halten wir Anleihen in einem Multi-Asset-Portfolio für nützlich, um interessante risikoadjustierte Erträge zu erzielen.
Grafik 5: Spread eurodenominierter Investmentgrade-Unternehmensanleihen