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Günstige Bewertungen, gutes Rendite-Risiko-Profil Was jetzt für kurzlaufende Unternehmensanleihen spricht

100-Meter-Lauf der Männer bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Oregon im vergangenen Jahr
100-Meter-Lauf der Männer bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Oregon im vergangenen Jahr: Kurzlaufende Unternehmensanleihen bieten im aktuellen Umfeld viele Vorteile, sagt Portfoliomanager Chris Bowie. | Foto: Imago Images / Kyodo News

Die Zinsanhebungen der wichtigsten Notenbanken und der Abbau ihrer Anleihebestände hinterlassen immer deutlichere Bremsspuren in der Realwirtschaft: vom Absturz des Krypto-Unternehmens FTX über die US-Bankenpleiten bis zum jüngsten Rückgang wichtiger Konjunkturindikatoren. Die steigenden Kapitalkosten lassen die Liquidität austrocknen und erzwingen darüber hinaus eine effiziente Kapitalallokation in langfristig produktive Investitionen statt kurzfristiger, riskanter Anlagen mit hohem Fremdkapitalanteil. Während die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor daran erinnern, dass selbst Cash nicht ohne Risiko ist, stellen sich Anleger die Frage, wo sie noch Chancen auf Kapitalerhalt und eine ordentliche Rendite finden.

Meiner Ansicht nach bieten qualitativ hochwertige Investment-Grade-Unternehmensanleihen (IG) mit kurzer Laufzeit eine ideale Lösung für diese Umfeld. Drei wesentliche Aspekte sprechen für diese Papiere:

  • Erstens sind die Bewertungen kurzlaufender Anleihen nach dem starken Renditeanstieg im vergangenen Jahr im historischen Vergleich derzeit besonders günstig.
  • Zweitens verfügen IG-Unternehmensanleihen generell über ein sehr attraktives Risiko-Rendite-Profil. Das gilt umso mehr im aktuellen volatilen Umfeld, das noch eine Zeitlang bestehen bleiben wird.
  • Drittens bedeuten die flachen Zinsstrukturkurven, dass Anleihen mit längerer Laufzeit so gut wie keine zusätzliche Rendite gegenüber kurzlaufenden Zinstiteln bieten.
 

Es lohnt sich, diese drei Argumente im Detail zu betrachten:

Renditeanstieg sorgt für günstige Bewertungen

2022 war für Anleiheinvestoren ein äußerst schwieriges Jahr. Nachdem die führenden Zentralbanken den Umfang und die Hartnäckigkeit der Inflation zunächst unterschätzt hatten, sah sich etwa die US-Notenbank Fed zu drastischen Zinserhöhungen um insgesamt 475 Basispunkte bis März dieses Jahres gezwungen. Die US-Notenbanker, die von der Realität eingeholt wurden, erhöhten die Leitzinsen damit fast doppelt so stark wie im Jahr 1994, als sie die Zinsen um 250 Basispunkte erhöhten und einen Crash am Rentenmarkt auslösten. Auch die Zinserhöhungen seit vergangenem Jahr brachten entsprechend schwere Verluste mit sich und dabei dürfte die Fed den Zinsgipfel noch nicht einmal erreicht haben.

Grafik 1: Renditen von US-Dollar-Anleihen (2000–2023)

Quelle: Twentyfour, iBoxx; Daten bis 15. März 2023

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Der Zinsanstieg traf zwar nahezu alle Segmente des Rentenmarktes, doch IG-Unternehmensanleihen litten besonders kräftig (Grafik 1). Sie verloren 2022 fast doppelt so viel wie die eigentlich riskanteren Hochzinsanleihen (HY). Eine solch dramatische Underperformance der relativ konservativen Investment-Grade-Titel gab es noch nie. Der Grund für die hohen Kursverluste liegt vor allem in der längeren durchschnittlichen Laufzeit gegenüber den meist kürzerlaufenden Hochzinsanleihen. Die rund doppelt so lange Duration im Investment-Grade-Segment sorgte auf Grund der höheren Zinsempfindlichkeit für besonders hohe Verluste.

Doch auch auf dem aktuellen Renditeniveau erscheinen Anleihen mit langer Laufzeit auf Grund der sehr flachen Zinsstrukturkurven nach wie vor teuer. Während die Notenbanken als wichtiger nicht-kommerzieller Käufer von Anleihen wegfallen, schauen alle anderen Teilnehmer umso stärker auf den Preis respektive die Kurse.

 

Ein hilfreicher Maßstab, um die aktuelle Bewertung von Anleihen zu taxieren, ist der Quotient von Duration zu Rendite. Während die Rendite im vergangenen Jahr deutlich stieg, gab dieser Quotient kräftig nach und signalisiert, dass Anleihen günstiger geworden sind.  Allerdings ist es für Entwarnung bei langlaufenden Anleihen zu früh, gerade in einem Umfeld hoher Kerninflation und ohne Eingreifen der Zentralbanken. Daher dürfte jetzt nicht der richtige Zeitpunkt sein, um mit Anleihen langer Laufzeit umfassende Durationsrisiken einzugehen. Kapitalschutz lässt sich mit Instrumenten von kürzerer Duration deutlich leichter erreichen.

Kurzlaufende IG-Anleihen punkten mit attraktivem Renditeprofil

Zum zweiten Argument – dem risikobereinigten Renditeprofil von IG-Unternehmensanleihen. Die Analyse langfristiger risikobereinigter Renditen von US-Dollar-Anleihen seit der Jahrtausendwende ergibt interessante Ergebnisse. Betrachtet man die Anleihenindizes für Investment-Grade-Unternehmensanleihen unterschiedlicher Laufzeiten, so bewegen sich diese stabil entlang der Effizienzgrenze – also der jeweils optimalen Kombination von Rendite und Volatilität.

Zugleich weist der Index für IG-Anleihen mit einer kurzen Laufzeit von ein bis drei Jahren die mit Abstand geringste Volatilität auf. Soweit ist das nicht überraschend, reagieren doch kurzlaufende Anleihen naturgemäß geringer auf Zinsänderungen als Anleihen längerer Laufzeit. Seit der Jahrtausendwende hat sich allerdings gezeigt, dass bei normal ansteigenden Zinsstrukturkurven die zusätzliche Volatilität von IG-Titeln mit längerer Duration durch höhere Gesamtrenditen ausgeglichen wurde.

Auf der nächsten Seite: Warum Anleihen mit langer Laufzeit ihre Vorteile gegenüber Kurzläufern im aktuellen Zinsumfeld nicht ausspielen können.

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