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Schon im Vorfeld berufsunfähig Warum der Versicherte trotzdem Anspruch auf BU-Rente hat

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So habe der Versicherte den Nachweis geführt, dass zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns im Jahr 2002 noch keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorlag. Diese sei erst während der Vertragslaufzeit eingetreten. Den Kläger treffe die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die behauptete Berufsunfähigkeit erst nach Vertragsbeginn eintrat. Der Versicherte musste also beweisen, dass er nicht schon zuvor dauerhaft gesundheitsbedingt berufsunfähig war.

Keine Berufsunfähigkeit bei Vertragsbeginn

Das Gericht führt weiter aus: Dass der Kläger zu Vertragsbeginn nicht dauerhaft vertragsgemäß berufsunfähig gewesen sei, ergebe sich bereits daraus, dass er zu dem Zeitpunkt tatsächlich aus seiner beruflichen Tätigkeit ein Einkommen bezogen habe. Damit lag die nach Paragraf 2 Nr. 1 b) MB 2000 zu erfüllende Voraussetzung für die Annahme bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nicht vor. Denn dort gehe man nur dann von einer Berufsunfähigkeit aus, wenn der Versicherte „auch tatsächlich aus Erwerbstätigkeit kein Einkommen bezog“, welches in etwa seinem bisher verfügbaren beruflichen Einkommen entspreche.

Der Versicherer argumentiere zwar: Mit dieser Klausel werde nur das versicherte Risiko eingeschränkt.  Das schließe allerdings nicht aus, dass damit auch eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit bei Vertragsbeginn verneint werden könne, und zwar bereits deshalb, weil der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt tatsächlich erwerbstätig gewesen sei und ein hinreichendes Einkommen erzielt habe. Die Klausel stelle ausdrücklich nur auf die „tatsächlichen“ Gegebenheiten ab und nicht darauf, ob im Sinne einer konkreten oder abstrakten Verweisung der Versicherungsnehmer durch eine anderweitige Tätigkeit ein Einkommen erzielen konnte.

Wenn die Beklagte ihr Risiko für eine Leistungsverpflichtung reduziere, indem sie argumentiere, dass eine tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der Annahme einer Berufsunfähigkeit entgegenstehen soll, müsse sie es im Gegenzug auch hinnehmen, dass damit ihr Risiko für eine „mitgenommene“ Berufsunfähigkeit bei Vertragsschluss erhöht wird. Der Versicherungsnehmer hätte 2002 seine berufliche Tätigkeit fortdauernd über mehrere Jahre ausgeübt. Daraus lasse sich sicher schließen, dass 2002 noch keine Berufsunfähigkeit vorlag, argumentierte das Gericht.

Indiz für das Nichtvorliegen einer Berufsunfähigkeit

Weiter führt das OLG aus: Eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liege nicht nur dann vor, wenn der Versicherungsnehmer infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls seine zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit nicht mehr ausüben kann. Sie sei vielmehr auch dann anzunehmen, wenn Gesundheitsbeeinträchtigungen eine Fortsetzung der Berufstätigkeit unzumutbar erscheinen lassen. Letzteres könne der Fall sein, wenn sich die fortgesetzte Berufstätigkeit des Versicherungsnehmers angesichts einer drohenden Verschlechterung seines Gesundheitszustandes als Raubbau an der Gesundheit erwiese und damit „überobligationsmäßig“ sei – oder wenn andere damit zusammenhängende Umstände ergeben, dass es für den Versicherten nicht zumutbar ist, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit fortzusetzen. Unter welchen Voraussetzungen ein „überobligationsmäßiges“ Verhalten des Versicherten vorliege, lasse sich allerdings nicht allgemein sagen.

Letztlich sei die unveränderte Ausübung des Berufs dabei regelmäßig ein Indiz dafür, dass beim Versicherten keine Berufsunfähigkeit vorliegt. Es müssten deshalb andere hinreichend konkrete Umstände vorliegen, um dieses Indiz zu entkräften.

Fazit und Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe kann im Ergebnis überzeugen. Die Voraussetzungen, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliege, müssen stets sauber und rechtlich zutreffend herausgearbeitet werden. Die Entscheidung zeigt, dass jede Leistungsablehnung einer BU-Versicherung juristisch überprüft werden sollte. Bereits zu Beginn des Verfahrens, nämlich beim Leistungsantrag, sollten die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit herausgearbeitet werden.


Über den Autor:
Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Jöhnke ist Gründer und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Weitere Fallbesprechungen zum Thema BU finden Sie hier. Die Kanzlei Jöhnke & Reichow veranstaltet regelmäßig kostenfreie Vermittlertreffs, auf denen ähnliche Fälle besprochen werden. Hier geht es zur Anmeldung.

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