Volkswirt Axel Angermann
Notenbanker senken die Zinsen in diesem Jahr nicht
Feri-Chefvolkswirt Axel Angermann. Foto: Feri
Der nachlassende Preisdruck weckt Hoffnungen auf sinkende Zinsen. Doch selbst bei einem weiteren Inflationsrückgang dürften US-Notenbanker in diesem Jahr nicht von ihrer strikten Geldpolitik abweichen.
Seit dem Höhepunkt von knapp 9 Prozent im Juni 2022 ist die Inflationsrate in den USA auf rund 5 Prozent im April gesunken. Bis zum Juni dieses Jahres wird sie allein schon aufgrund erheblicher Basiseffekte weiter sinken und wahrscheinlich unter die Marke von 3,5 Prozent fallen. An der Frage, wie sich die Preisdynamik dann in der zweiten Jahreshälfte weiterentwickelt, scheiden sich jedoch die Geister.
Optimisten glauben an einen schnellen Rückgang der Inflation in Richtung des 2-Prozent-Zieles der US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Sie verweisen darauf, dass die Wohnkosten (Shelter), die etwa ein Drittel der Kerninflation ausmachen, in den zurückliegenden beiden Monaten deutlich weniger gestiegen sind als in den Monaten zuvor.
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Seit dem Höhepunkt von knapp 9 Prozent im Juni 2022 ist die Inflationsrate in den USA auf rund 5 Prozent im April gesunken. Bis zum Juni dieses Jahres wird sie allein schon aufgrund erheblicher Basiseffekte weiter sinken und wahrscheinlich unter die Marke von 3,5 Prozent fallen. An der Frage, wie sich die Preisdynamik dann in der zweiten Jahreshälfte weiterentwickelt, scheiden sich jedoch die Geister.
Optimisten glauben an einen schnellen Rückgang der Inflation in Richtung des 2-Prozent-Zieles der US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Sie verweisen darauf, dass die Wohnkosten (Shelter), die etwa ein Drittel der Kerninflation ausmachen, in den zurückliegenden beiden Monaten deutlich weniger gestiegen sind als in den Monaten zuvor.
Die Schwäche des Immobilienmarktes, der unter den Zinssteigerungen leidet, und insbesondere sinkende Hauspreise in den USA, sprechen nach dieser Lesart außerdem dafür, dass die Preisdynamik in diesem wichtigen Bereich weiter nachlässt. Auch bei den übrigen Komponenten der Kerninflationsrate lag der Anstieg pro Monat zuletzt in der Nähe des Wertes, der für die Zielerreichung der Fed notwendig wäre.
Aktuell sinkt auch die Dynamik der Preise im Dienstleistungssektor, was möglicherweise bereits auf eine beginnende Schwäche am Arbeitsmarkt hindeutet. Wegen der großen Bedeutung der Löhne für die Dienstleistungsbranche bestünde hier Spielraum für eine insgesamt weiter abnehmende Preisdynamik. Sollte dieses Szenario eintreten, könnte die US-Inflation auch im zweiten Halbjahr weiter sinken und zum Jahresende ein Niveau von etwa 2,5 Prozent erreichen. Die Fed könnte dann mit Verweis auf den Erfolg ihrer Bemühungen ihren Fokus wieder stärker auf die wirtschaftliche Entwicklung richten und zur Stützung der schwächelnden Konjunktur erste Zinssenkungen vornehmen.
Was gegen eine niedrigere Inflation spricht
Die Pessimisten erwarten hingegen nicht, dass der Preisdruck im zweiten Halbjahr nachlässt und rechnen daher auch nicht damit, dass die US-Notenbank ihr Inflationsziel in diesem Jahr erreicht. Als Grund dafür wird die weiterhin solide gesamtwirtschaftliche Nachfrage gesehen: Trotz der in den vergangenen 14 Monaten drastisch gestiegenen Zinsen ist insbesondere der private Konsum robust geblieben.
Das dürfte sich so lange nicht ändern, wie Vollbeschäftigung am Arbeitsmarkt herrscht. Der Nachfrageüberschuss am US-Arbeitsmarkt – derzeit gibt es noch immer mehr offene Stellen als Arbeitslose – verhindert vorerst einen spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit. Das stabilisiert die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und eröffnet Unternehmen weiterhin gute Möglichkeiten, höhere Preise durchzusetzen.
In diesem Szenario könnte sich die Inflationsrate erst dann in Richtung des 2-Prozent-Ziels bewegen, wenn sich die Perspektiven am Arbeitsmarkt deutlich verschlechtern. Sollten immer mehr Menschen den Eindruck haben, dass sie im Falle eines Arbeitsplatzverlustes nicht schnell einen neuen Job finden können, werden sie ihren Konsum einschränken und mehr sparen. Dies wiederum würde die Fähigkeit der Unternehmen, Preise anzuheben, begrenzen und könnte vermehrt Entlassungen nach sich ziehen, in deren Folge die Arbeitslosigkeit spürbar steigen würde.
Darum sind rasche Zinssenkungen nicht zu erwarten
Die US-Notenbank hatte den im Jahr 2021 einsetzenden Inflationsanstieg zunächst klar unterschätzt und sehr lange an der Aussage festgehalten, dass es sich dabei um ein temporäres Phänomen handelt. Erst im Spätherbst 2021 rückte sie langsam von dieser These ab und gab schließlich im Frühjahr 2022 zu verstehen, dass sie die Gefahr einer dauerhaft höheren Inflation durchaus ernst nehme.
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