Suche Event Calendar Icon EVENTKALENDER Newsletter Icon Newsletter Icon Newsletter Abonnieren
  • Startseite
  • Virtuelle Hauptversammlungen: Rückkehr zur Präsenz gefordert

Von in MeinungenLesedauer: 7 Minuten
Kameraleute filmen Siemens-CEO Roland Busch, der virtuell vor den Aktionären auftritt
CEO Roland Busch auf der virtuellen Siemens-HV 2025: Ab dem kommenden Jahr wird Siemens zur Hauptversammlung in Präsenz zurückkehren, haben die Aktionäre durchgesetzt. | Foto: Imago Images / Sven Simon

Der Siemens-Vorstand scheint ein gutes Gespür für die Befindlichkeiten seiner Aktionäre zu haben – denn er hatte in weiser Voraussicht für die Hauptversammlung (HV) im kommenden Jahr bereits die Münchener Olympiahalle reserviert. Und zwar vor der Abstimmung zum künftigen Format der Siemens-HV in diesem Februar 2025.

Dass der Vorschlag des Vorstands, das Dax-Unternehmen zu ermächtigen, die Hauptversammlungen 2026 und 2027 weiterhin virtuell auszurichten, keine Dreiviertelmehrheit finden würden, hatte sich da schon abgezeichnet. Allen voran der Stimmrechtsberater ISS hatte eine Gegenposition eingenommen – und weitere Aktionäre hatten sich angeschlossen. Aufgrund des zunehmenden Widerstands gegen die virtuelle HV wurde die angestrebte Mehrheit von 75 Prozent am Ende verfehlt.

Virtuelle HV: „Hinter dem Bildschirm versteckt“

Während der Corona-Pandemie war dieses Format zunächst als Notlösung eingerichtet worden, um rechtssichere Entscheidungen im Unternehmen trotz Abstandsregeln und phasenweise sogar kompletter Lockdowns herbeiführen zu können. Nach der Verstetigung durch den Gesetzgeber im Jahr 2022 nutzten dann etwa zwei Drittel der Dax-Unternehmen diese Möglichkeit.

Allerdings wurde diese Praxis zunehmend von den Aktionären kritisiert.  „Warum versteckt sich Siemens hinter einem Bildschirm? Hat Siemens Angst vor seinen Aktionären?“, fragte beispielsweise Daniela Bergdolt, Geschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Auch die Initiative Minderheitsaktionäre hat wiederholt auf die Probleme hingewiesen, die ein Online-Format mit sich bringt – nämlich unter anderem eine schleichende Entfremdung zwischen Aktionären und Unternehmensführung.

 

Die virtuelle Hauptversammlung mag für die Vorstände und Großaktionäre praktisch sein – sie spart Kosten, reduziert organisatorischen Aufwand und ermöglicht eine straffere Kontrolle des Ablaufs. Doch für meist kleinere Aktionäre bedeutet sie einen Verlust an Mitsprache, Transparenz und Gemeinschaft. Die Aktionärsdemokratie bleibt auf der Strecke.

Auch beim Touristikkonzern Tui wurde am 11. Februar 2025 der Antrag des Vorstands, die Gesellschaft bis 2027 zur Abhaltung virtueller Versammlungen zu ermächtigen, mit nur knapp zwei Dritteln der Stimmen abgelehnt – die erforderliche Dreiviertelmehrheit wurde deutlich verfehlt. Ähnliches geschah bei Siemens zwei Tage später, als wie skizziert ebenfalls keine ausreichende Mehrheit zustande kam.

Diese Ablehnungen sind kein Zufall, sondern ein Ausdruck des mittlerweile weit verbreiteten Unbehagens gegenüber einem Format, das Aktionäre auf Zuschauer reduziert.

Verlust an Mitsprache, Transparenz und Gemeinschaft 

Die vergangenen virtuellen Veranstaltungen hatten in den zurückliegenden HV-Saisons eher etwas von „Vorstands-TV“, ohne ausreichende gegenseitige Kommunikation. Auch die immer wieder vorkommenden technischen Probleme, die ja rechtlich am Aktionär hängen bleiben, waren ärgerlich. Bei Tui gab es in der Vergangenheit Übertragungsprobleme, die den Zugang zu Informationen erschwerten, und bei Siemens Energy sorgten im Jahr 2023 schwarze Bildschirme für Frust.

Solche Pannen sind bei Präsenzversammlungen ausgeschlossen, solange die Mikrofone funktionieren. Viel schwerwiegender ist jedoch der Verlust des direkten Dialogs. Speziell für Minderheitsaktionäre ist die Hauptversammlung traditionell das „Hochamt“ der Aktionärskultur. Es ist der eine Tag im Jahr, an dem die kleinen Investoren, die oft keine direkten Gesprächskanäle zu Vorstand und Aufsichtsrat haben, ihre Stimme erheben können.

In einer Präsenzversammlung kann man sich mit anderen Aktionären austauschen, Netzwerke bilden und ein Gefühl dafür entwickeln, wie das Unternehmen „tickt“. Dieses Gemeinschaftsgefühl, diese Möglichkeit, den Puls des Aktionariats zu spüren, geht im digitalen Raum verloren.

Argumente nur vorgeschoben

Die Argumente der Befürworter virtueller Hauptversammlungen – Kostenersparnis und Zugänglichkeit für internationale Aktionäre – mögen auf den ersten Blick überzeugen. Doch bei genauerer Betrachtung entpuppen sie sich als vorgeschoben. Siemens etwa rechtfertigte das digitale Format mit Einsparungen von etwa 35 Prozent im Vergleich zu einer Präsenzveranstaltung. Doch was sind 2,5 Millionen Euro für einen Konzern dieses Kalibers, wenn es um die Rechte seiner Eigentümer geht? Für die Aktionäre wiegen die Nachteile schwerer.

Die Entscheidung, ob Dax-Unternehmen in der seit Kurzem laufenden neuen Hauptversammlungssaison 2025 wieder zur Präsenzversammlung zurückkehren, hängt von verschiedenen Faktoren ab: den Erfahrungen aus den Vorjahren, den Präferenzen der Aktionäre, den Kosten, der Logistik und der jeweiligen Unternehmensstrategie.

 

Basierend auf den verfügbaren Informationen und Trends lässt sich derzeit zwar keine definitive Liste erstellen, da die Planungen für 2025 noch nicht vollständig veröffentlicht sind. Dennoch lassen sich einige Überlegungen anstellen, welche Unternehmen dies in Betracht ziehen könnten.

So kehrten in der Hauptversammlungssaison 2023 bereits zehn Dax-Unternehmen zumindest teilweise zur Präsenz zurück, darunter BASF, Henkel, Airbus und Porsche. Doch im zurückliegenden Jahr 2024 nutzten weiterhin 28 von 40 Dax-Unternehmen das virtuelle Format – was zeigt, dass die Mehrheit der Konzerne die Vorteile wie Planungssicherheit, Kostenersparnis und breitere Teilnahmemöglichkeiten schätzt.

Unternehmen, die bereits 2023 oder 2024 Präsenz- oder Hybridformate gewählt haben, könnten dies auch in diesem Jahr fortsetzen oder ausbauen, insbesondere wenn sie positive Rückmeldungen von Aktionären erhalten haben oder Wert auf direkte Interaktion legen.

Mögliche Kandidaten für eine Rückkehr zur Präsenzversammlung wären aus der ersten Reihe der großen Konzerne etwa BASF und Henkel, die beide bereits 2023 physische Hauptversammlungen abgehalten hatten und nun dazu zurückkehren könnten. Auch Porsche, als Teil der Volkswagen-Gruppe, könnte die Präsenzhauptversammlung fortsetzen, um die Markenidentität zu stärken. Ebenfalls wäre Airbus ein Kandidat.

Hybride Hauptversammlung als Goldstandard

Inmitten dieses Konflikts zeichnet sich eine Lösung ab, die für Minderheitsaktionäre einen echten Kompromiss darstellen könnte: die hybride Hauptversammlung. Sie verbindet das Beste aus beiden Welten – nämlich die Authentizität und Dynamik einer Präsenzveranstaltung mit den Vorteilen der Digitalisierung. Wer vor Ort sein will, kann kommen und den direkten Kontakt suchen; wer aus zeitlichen oder geografischen Gründen nicht reisen kann, nimmt online teil.

Experten wie der Rechtswissenschaftler Profesoor Heribert Hirte haben dies schon vor Jahren als „Goldstandard“ bezeichnet und auch im Bundestag als zielführende Lösung der Zukunft vorgestellt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Eine hybride Hauptversammlung würde die Interessen der Minderheitsaktionäre wahren, den Dialog fördern und gleichzeitig den Zugang für alle Beteiligten erleichtern. Sie wäre ein Zeichen dafür, dass Unternehmen ihre Aktionäre ernst nehmen – nicht nur die großen, sondern eben auch die Minderheit.

Es wird daher höchste Zeit, dass auch die überwiegende Mehrheit der großen börsennotierten Konzerne das erkennt – und endlich im Sinne aller Anteilseigner handelt.

Robert Peres
© Initiative Minderheitsaktionäre

Über den Autor:

Robert Peres ist Rechtsanwalt mit Sitz in Berlin und Wiesbaden sowie Vorsitzender der Initiative Minderheitsaktionäre, die sich für die Stärkung der Aktionärsrechte in Deutschland einsetzt.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?
Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
PDF nur für Sie. Weitergabe? Fragen Sie uns.
Newsletter Titelbild
Ja, ich möchte den/die oben ausgewählten Newsletter mit Informationen über die Kapitalmärkte und die Finanzbranche, insbesondere die Fonds-, Versicherungs-und Immobilienindustrie abonnieren. Hinweise zu der von der Einwilligung mitumfassten Erfolgsmessung, dem Einsatz der Versanddienstleister June Online Marketing und Mailingwork, der Protokollierung der Anmeldung, der neben der E-Mail-Adresse weiter erhobenen Daten, der Weitergabe der Daten innerhalb der Verlagsgruppe und zu Ihren Widerrufsrechten finden Sie in der Datenschutzerklärung. Diese Einwilligung können Sie jederzeit für die Zukunft widerrufen.
+
Anmelden