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Steigende Preise Warum die Inflationsrate bald wieder zurückfallen könnte

Autohändler in den USA
Autohändler in den USA: Die Preise für Gebrauchtwagen sind in den Vereinigten Staaten deutlich gestiegen und haben die Inflationsrate nach oben gezogen. | Foto: imago images / Bild13
Maximilian Anderl, UBS AM

Herr Anderl, die Zahl der Erwerbsbevölkerung wird in den kommenden Jahren insbesondere in den entwickelten Volkswirtschaften abnehmen. Aufgrund dann wohl steigender Gehälter sollte das doch zu einem Anstieg der Inflation führen, oder?

Maximilian Anderl: Basierend auf dem Gesetz von Angebot und Nachfrage würde man in der Tat annehmen, dass ein geringeres Arbeitskräfteangebot zu steigenden Arbeitskosten und damit einer höheren Inflation führen sollte. Die Geschichte hat uns jedoch gelehrt, dass dies nicht der Realität entspricht.

Empirische Belege zeigen, dass wir in der Vergangenheit nur eine Periode mit signifikanter Inflation hatten, und zwar in den 1970er- bis 1980er-Jahren. Damals stieg mehr als ein Jahrzehnt lang die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte jedes Jahr um 8 Prozent an, da die Babyboomer volljährig geworden waren. Dann müssten eigentlich die Löhne sinken, richtig?

Das taten sie aber nicht?

Anderl: Nein. Stattdessen gründeten die Babyboomer ihre eigenen Familien und konsumierten kräftig – zum Beispiel Häuser, Haushaltsgeräte oder Autos. Dieser Nachfrageschub setzte sich fort und ließ nicht nur den Verbraucherpreisindex steigen, sondern auch die Anleiherenditen weltweit (siehe Grafik).

Anleiherenditen vs. Arbeitskräftewachstum

Quelle: Minack Advisors, Stand: 18. Mai 2021. Die dargestellte Anleiherendite ist der Durchschnitt 10-jähriger Papiere aus den USA, Japan, Deutschland und Großbritannien. Das Bevölkerungswachstum im erwerbsfähigen Alter (16-64 Jahre) basiert auf der jährlichen Wachstumsrate für Volkswirtschaften mit hohem Einkommen sowie UN-Prognosen.

Schauen Sie außerdem nach Japan: Als die Zahl der Erwerbstätigen vor der Jahrtausendwende zu sinken begann, folgte eine Periode der Deflation. Und aus heutiger Sicht sind die Aussichten für das Wachstum der Erwerbsbevölkerung in den G7-Staaten eher negativ.

Aber was ist mit all dem Geld, dass die Zentralbanken drucken?

Anderl: Der Großteil des jüngsten Geldwachstums ist ein direktes Ergebnis der politischen Reaktionen auf Covid-19. China hat damit begonnen und zuerst wieder aufgehört, daher hat sich das Geldmengenwachstum dort bereits normalisiert. In Europa hat das Wachstum der Geldmenge bereits seinen Höhepunkt erreicht und wird sich in den kommenden Quartalen voraussichtlich ebenfalls normalisieren. Das erwarten wir auch für die USA.

Kann die quantitative Lockerung, also der Ankauf von Anleihen durch die Zentralbanken, zu Inflation beitragen?

Anderl: Anleiheankäufe konnten insbesondere in den vergangenen zehn Jahren die Verbraucherpreise nicht stimulieren. Die quantitative Lockerung trug aber deutlich zur Vermögenspreisinflation bei, also zu steigenden Preisen von zum Beispiel Aktien oder Immobilien. Das liegt vor allem daran, dass die Zentralbanken Anleihen von Investoren kaufen. Diese kaufen wiederum Finanzanlagen, anstatt das Geld für Investitionen und Konsumgüter auszugeben. Insgesamt war die Korrelation zwischen dem Verbraucherpreisindex und dem Geldumlauf in den vergangenen 30 Jahren immer relativ schwach.

Welche Rolle spielt in diesem Kontext die Modern Monetary Theory (MMT), also die Moderne Geldtheorie?

Anderl: Die MMT besagt, dass Regierungen Geld ausgeben können wie sie möchten, wenn sie selbst Geld drucken können. Das hat aus unserer Sicht größeres Potenzial für Preissteigerungen. Denn es würde bedeuten, dass die Regierung mit dem Privatsektor um Güter konkurriert oder Steuern an die Bürger in Form von Zuschüssen „zurückzahlt“, wodurch diese mehr Geld für Waren ausgeben können. Dies geschieht derzeit in den USA, wo die Lagerbestände abgebaut werden und die Preise zum Beispiel von Rohstoffen und Gebrauchtwagen aufgrund von Versorgungsengpässen in die Höhe getrieben werden.

Also Geldschleusen auf?

Anderl: Wir sehen hier zwei Probleme. Erstens geht es den Haushalten nicht wirklich besser, wenn sie das zusätzliche Geld für teurere Güter ausgegeben müssen. Zweitens führt der Anstieg der Nachfrage dazu, dass die Lagerbestände wieder aufgebaut werden müssen. Bis das der Fall ist, würden die staatlichen Zahlungen an die Bürger wahrscheinlich eingestellt werden, was zu einem zu hohen Lagerbestand und folglich zu einem niedrigeren Verbraucherpreisindex führen würde.

Wenn es also nicht die oben genannten Faktoren sind, warum steigt dann die Inflation an?

Anderl: Während der Lockdowns im Zuge der Pandemie hatten die Menschen kaum eine andere Wahl, als zu Hause zu bleiben. Daher verlagerten sich die Kaufgewohnheiten ins Internet. Das trieb den Konsum von Waren in die Höhe, während die Nachfrage nach Dienstleistungen zurückblieb. Wenn die Wirtschaft wieder anspringt, rechnen wir mit einer Normalisierung des Konsumverhaltens.

Offen gesagt scheint es, als hätten wir einige gute alte Lektionen vergessen: Die Ressourcenallokation des Staates kann weder so wünschenswert noch so effizient sein wie die des privaten Sektors. Um die Inflation aufrechtzuerhalten, sind immer mehr Anreize in immer schnellerem Tempo erforderlich. Darüber hinaus werden Jahresvergleiche von hier aus nur noch schwieriger werden. Wir haben zwar einen starken Anstieg der Inflation erlebt, aber es ist noch lange nicht sicher, ob dieser von Dauer ist. Die Historie deutet darauf hin, dass die Teuerung weltweit wieder auf ein moderateres Niveau von 1 bis 2 Prozent zurückgehen wird.

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Hinweis: Diese News ist eine Mitteilung des Unternehmens und wurde redaktionell nur leicht bearbeitet.