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Kein Opium fürs Volk Warum es gar nicht so schlecht ist, dass Peking durchgreift

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Parallel dazu greift die Regierung auch am Finanzmarkt durch. Den Börsengang der Alibaba-Tochter Ant Group – eine Art Paypal plus Privatkredite – kippte sie bereits im November vergangenen Jahres. Außerdem sollen chinesische Unternehmen nicht mehr an Börsen in den USA gehandelt werden können. Wobei das ohnehin fast nie die echten Aktien sind, sondern lediglich Aktienzertifikate (American Deposit Receipts, ADR) beziehungsweise Aktien von auf die Unternehmen aufgesetzten Holding-Gesellschaften namens Variable Interest Entity (VIE). Auf diese Weise sollen die echten Geschäftszahlen der Unternehmen im Land bleiben.

Drei von vier Kindern pauken nach Schulschluss noch weiter

Besonders hart erwischte es jedoch den Markt für Nachhilfe-Unterricht. Nach offiziellen Zahlen müssen bislang über 75 Prozent der chinesischen Schüler zwischen 6 und 18 Jahren auch nach Schulschluss noch weiterpauken. Mitunter sitzen sie von 8 bis 23 Uhr am Schreibtisch. Eine Zahl, die nicht einmal im Ansatz beispielsweise mit Deutschland vergleichbar ist. „Hinweise deuten darauf hin, dass dieser Prozentsatz sogar noch gestiegen ist“, berichtet Juliana Hansveden, die den Nordea Emerging Stars Equity (ISIN: LU0602539602) managt. Mittlerweile sei der Markt 120 Milliarden Dollar schwer.

Da geht noch was: Nachhilfe in Deutschland

Mehr als 75 Prozent der Schüler in China bekommen Nachhilfe-Unterricht. Wie riesig diese Zahl ist, zeigt der Vergleich mit Deutschland. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung von vor fünf Jahren paukten hierzulande 14 Prozent noch zusätzlich nach der Schule. Frischere Zahlen hat der Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen leider nicht auf Lager. Schwerpunkte sind Mathematik und Fremdsprachen. In Deutschland gibt es rund 4.000 Nachhilfe-Schulen mit etwa 50.000 Lehrern. Weitere 700.000 Lehrer vermutet der Verband auf dem Schwarzmarkt.

Jetzt hat Peking jedoch dem Wahnsinn einen Riegel vorgeschoben. Neue Unternehmen sollen nicht mehr hinzukommen. Bestehende Anbieter müssen gemeinnützig werden, dürfen also keine Gewinne mehr schreiben und kein Geld aus dem Ausland annehmen. Zudem ist Nachhilfe an Wochenenden und Feiertagen nicht mehr erlaubt. „Das ist jenseits dessen, was wir und der Markt im schlimmsten Fall für möglich gehalten hätten“, gesteht Ben Sheehan, Investmentspezialist für asiatische Aktien bei Aberdeen Standard Investments.

An der Börse hat das alles enorme Spuren hinterlassen, auch wenn die Turbulenzen um den Immobilienkonzern Evergrande inzwischen einiges überdecken. Seit Monaten fallen die Kurse von Alibaba, Tencent, Meituan und so kräftig. Wenngleich sie im Sommer zumindest eine Art Boden gebildet haben. Die von Bildungsanbietern wie TAL Education und New Oriental Education lösten sich fast komplett auf, weil diese Unternehmen keine Geschäftsgrundlage mehr haben. Bei anderen Kursverlusten dürfte es sich eher um Schockreaktionen handeln, weil das alles so unerwartet kommt. Es ist davon auszugehen, dass diese Phase angesichts Herdenverhaltens, Charttechnik und Angst vor dem Staat noch eine Weile weitergeht.

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