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„Armutszeugnis für Deutschland“ Warum so wenige Menschen Wohneigentum besitzen und wie die Politik gegensteuern könnte

Von Aktualisiert am in ImmobilienLesedauer: 6 Minuten
Wohnsiedlung mit Einfamilienhäusern in Bayern
Wohnsiedlung mit Einfamilienhäusern in Bayern: In Deutschland leben vergleichsweise wenige Menschen im Eigenheim. | Foto: Imago Images / Harry Koerber
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Europaweit leben knapp zwei Drittel der Menschen in einer eigenen Immobilie, in Deutschland sind es dagegen nur 41 Prozent. Das geht aus einer aktuellen Erhebung des Maklernetzwerks Remax hervor, für die 16.000 Menschen in 22 europäischen Ländern befragt wurden. Die Bundesrepublik gehört damit bei der Wohneigentumsquote weiterhin zu den Schlusslichtern in Europa – nur die Schweiz schneidet mit 37 Prozent noch schlechter ab.

„Für Deutschland ist dieses Ergebnis ein absolutes Armutszeugnis“, sagt Remax-Geschäftsführerin Samina Julevic. Diese niedrige Eigentumsquote führe in Summe zu weniger Wohlstand und nicht selten zu Altersarmut. „Immobilieneigentum muss in Deutschland beim Vermögensaufbau eine wichtigere Rolle spielen“, fordert Julevic.

Laut einer Untersuchung des Allenbach-Instituts für den Verband der Sparda-Banken ist die Zahl der Deutschen, die im Wohneigentum leben, zwischen 1990 und 2009 zwar gestiegen. Seither stagniert die Quote jedoch – trotz der jahrelang sehr niedrigen Darlehenszinsen. Zentraler Grund ist einem Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zufolge „vor allem der Mangel an Kapital“. Wer eine Wohnung oder ein Haus kaufen wolle, müsse hohe Kaufnebenkosten – etwa die Grundsteuer – zahlen. Zudem erwarten Banken, dass Käufer Eigenkapital von 20 bis 30 Prozent des Kaufpreises einbringen.

Hohe Nebenkosten und Eigenkapital-Forderungen hindern viele Menschen am Hauskauf

Nur wenige Mieter könnten jedoch auf Ersparnisse in dieser Höhe zurückgreifen, heißt es in der Studie der Ökonomen Michael Voigtländer und Pekka Sagner. Das gelte insbesondere, da die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren stetig gestiegen sind – und damit auch der Kapitalbedarf beim Haus- oder Wohnungskauf. Bei einem Durchschnittspreis für Wohneigentum in Deutschland von etwa 300.000 Euro seien Ersparnisse von 60.000 Euro notwendig. Eine Summe, die nur etwa 15 Prozent der Mieter aufbringen könnten. Unter den 25- bis 40-Jährigen, die zur Miete wohnen, seien es sogar weniger als 12 Prozent.

 

Die gestiegenen Kreditzinsen und Baukosten verschärfen die Situation weiter. Zwar stagnieren vielerorts die Kaufpreise oder gehen bereits leicht zurück, der große Preisrutsch am Immobilienmarkt ist bislang jedoch ausgeblieben. Käufer müssen damit nun zusätzlich hohe Kosten für die Finanzierung stemmen.

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Maßnahmen, die den Erwerb von Eigentum erleichtern, seien damit wichtiger denn je, meinen Interessenverbände und Immobilien-Experten. Ein großes Problem sei, dass zu wenig gebaut werden, sagt Michael Schick, Präsident des Immobilienverbands Deutschland IVD, der die Interessen der Immobilienunternehmer vertritt. Davon betroffen seien vor allem Einfamilienhäuser und damit typische Eigenheime für Familien. „Unterbleibt die Bildung von Wohneigentum, fehlt es an Vermögensaufbau und Altersvorsorge“, so Schick. Auch der Druck auf die Mieten wachse, da verhinderte Käufer in Mietwohnungen drängen.

Mehr Förderung und Grunderwerbssteuer-Reform: Was die Politik gegen die niedrige Eigentumsquote tun könnte

Eine Politik für mehr Eigenheime brauche eine verlässliche Förderung. Derzeit gelte das nur für den höchsten Neubaustandard, der für Normalverdiener zu teuer sei. „Für den Kauf günstigerer Bestandsimmobilien gibt es derzeit gar keine staatliche Förderung“, beklagt der Immobilien-Experte. Dass die neue Wohneigentumsförderung der Bundesregierung, die Familien seit Juni beantragen können, nur für sehr energieeffiziente Neubauten gilt, sorgt für viel Kritik. Experten und Opposition befürchten, dass das Programm ins Leere laufen könnte.

Um die Kaufnebenkosten zu senken, schlagen Immobilien-Profis eine Reform der Grunderwerbssteuer vor. Als Vorbild könne etwa das britische Modell mit einem Freibetrag und einem Stufentarif dienen, heißt es im Gutachten des IW Köln. Dadurch würden Menschen entlastet, die kleine und günstige Wohnungen kaufen. Wer eine große Wohnung in guter Lage kaufe, müsse mehr bezahlen. Auch IVD-Präsident Schick spricht sich für eine Reform aus: „Die Einführung eines Freibetrags bei der Grunderwerbssteuer würde den Neubau sofort wieder ankurbeln.“ Der Bund müsse das Grundgesetz ändern, um den Weg dafür freizumachen. 

 

Ein weiterer Hebel seien Bürgschaften vom Staat, die einen hohen Eigenkapitalanteil beim Hauskauf ersetzen könnten, so Experte Schick. Das IW Köln schlägt Ausfallversicherungen für Hypothekendarlehen nach niederländischem Vorbild vor, die einspringen, wenn Käufer die Kreditraten nicht mehr bezahlen können. Banken könnten durch diese zusätzliche Sicherheit ihre Eigenkapital-Forderungen verringern.

Die Bundesbank empfiehlt in einer Veröffentlichung zudem, dass es auch bei selbstgenutztem Wohneigentum möglich sein sollte, die Kreditzinsen von der Steuer abzusetzen. Bislang gilt das nur für vermietete Immobilien, da Eigentümer ihre Mieteinnahmen versteuern müssen.

IW-Immobilienökonom Michael Voigtländer fordert insgesamt eine andere Haltung zu Wohneigentum in Deutschland. Dass sich mehr Menschen eine eigene Immobilie leisten könnten, sei nicht nur für die individuelle Vermögensbildung wichtig, sondern trage dazu bei, Altersarmut zu vermeiden. In Ländern mit hoher Wohneigentumsquote sei zudem das Vermögen weniger ungleich verteilt. „Die Politik ist daher gut beraten, das Aufstiegsversprechen durch Wohneigentum in den Fokus zu nehmen“, so Voigtländer.

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