Gerd Kommer erläutert Warum sich mit verzinslichen Bankguthaben kein Vermögen aufbauen lässt
Sind die mickrigen Realzinsen von Bankguthaben Abzocke?
Vergegenwärtigt man sich, dass vor allem die unteren zwei Drittel der Vermögensverteilung in der Bevölkerung ihr liquides Vermögen ganz oder größtenteils in Form von Bankguthaben halten, könnte jemand einwenden, es handele sich hier um einen üblen Fall von „Abzocke“ durch die Banken.
Das sehen wir nicht so. Renditen am Finanzmarkt sind primär eine Kompensation für Risiko, also „Schmerzensgeld für Risikoschmerzen“. Die drei hier wichtigsten Formen von Risiko sind
- Rückzahlungsrisiko (Ausfallrisiko),
- Schwankungsrisiko des Vermögens (Volatilität) und
- Illiquiditätsrisiko (zu einem gewünschten Zeitpunkt nicht sofort und ohne gravierende Abzüge vom Marktwert den Wert des Investments in Cash verwandeln zu können).
Ja, ein Bankguthaben, das betraglich innerhalb der gesetzlichen Einlagensicherungsgrenze von 100.000 Euro pro Bank-Kunde-Kombination (der Anteil des Guthabens, der de jure oder de facto durch den Staat garantiert) liegt, repräsentiert in Bezug auf diese drei Risikotypen tatsächlich eines der risikoärmsten Investments, die für Privatanleger erzielbar sind. Ein solches gegen Ausfall garantiertes Bankguthaben ist weit risikoärmer als ein Investment in Aktien, in langfristige Anleihen, in Immobilien, in Gold, in Bitcoin, in Rohstoffe oder in Sammlerobjekte. Und natürlich ist es auch weit risikoärmer als Finanzprodukte, die diese Anlageklassen in verpackter Form beinhalten, beispielsweise kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen, Zertifikate und Investmentfonds.
Wenn Renditen primär Risikoprämien sind und wenn ein Anleger kein Risiko oder jedenfalls das auf diesem Planeten niedrigst-mögliche Risiko eingehen möchte, dann kann er in einem solchen Fall (bei Bankguthaben innerhalb der gesetzlichen Einlagensicherungsgrenze) logischerweise auch keine echte Rendite erwarten, also eine Rendite nach Abzug von Inflation, Steuern und Kosten.
Vor diesem Hintergrund sind die in der untersten Zeile von Tabelle 1 dargestellten kümmerlichen Renditen nicht überraschend, sondern im Gegenteil, sehr plausibel. Sie werden sich daher auch in der langfristigen Zukunft nicht fundamental ändern.
Bankzinsen in schlechten Marktphasen
In gewisser Weise stellen die Durchschnittsrenditen in Tabelle 1 die geringe Attraktivität verzinslicher Bankguthaben sogar noch zu positiv dar. Hat man nämlich als Kontosparer das Pech, seine größten Sparleistungen in ein Bankguthaben während einer marktmäßig ungünstigen Zeitspanne zu erbringen, wird es noch schlimmer kommen, als das, was Tabelle 1 ausdrückt. Das illustrieren wir in Tabelle 2. Ihr liegen die gleichen Rohdaten und der gleiche Zeitraum von 1950 bis 2023 zugrunde.
Die beiden unteren Zeilen (Risikokennzahlen) in Tabelle 2 lassen erkennen, dass man mit einem verzinslichen Bankguthaben inflationsbereinigt über lange Zeiträume empfindliche Verluste erleiden kann. (Die Berücksichtigung von Steuern hätte die Ergebnisse in den zwei unteren Zeilen nur unwesentlich weiter verschlechtert, weil bei niedrigen Nominalzinsen, wie sie diesen Worst-Case-Phasen zugrundeliegen, auch die Steuerbelastung gering ist.)
Die wenig ermutigenden Feststellungen zum Banksparen enden hier nicht. Würde man in unserer Betrachtung weiter als bis 1950, nämlich bis ins Jahr 1900 zurückgehen (124 Jahre bis Ende 2023), dann wären die Durchschnittsrenditen noch niedriger, die maximalen Drawdowns noch tiefer und die längsten Nullrenditeperioden noch länger.
Das Ausfallrisiko von Bankguthaben
Weiter oben haben wir argumentiert, dass ein Bankguthaben bis zur Obergrenze der gesetzlichen Einlagensicherung sicher sei. Diese Feststellung gilt jedoch ausdrücklich nicht für Beträge auf Bankkonten oberhalb dieser Grenze, also oberhalb der erwähnten 100.000-Euro-Grenze in der EU. Gerät eine Bank in die Insolvenz, können Bankguthaben ab dieser Schwelle für den Einleger teilweise oder ganz ausfallen. Dieses Rückzahlungs- oder Ausfallrisiko wird von wohl 98 Prozent der Bevölkerung in den DACH-Ländern unterschätzt.
Die letzte große systemische Bankenkrise, bei der weltweit Hunderte kleine, mittelgroße und große Banken ganz oder zumindest faktisch pleitegingen (und nur durch freiwillige staatliche Stützungsmaßnahmen überlebten), ereignete sich von 2007 bis 2011. Die letzte kleine systematische Bankenkrise geschah Anfang 2024, in der die zweitgrößte Schweizer Bank (Credit Suisse) und mehrere mittelgroße US-Banken umkippten.
Außerhalb von allgemeinen Bankmarktkrisen wechseln in Deutschland, in der EU und weltweit laufend individuelle Banken aufgrund von Inkompetenz und gelegentlich auch wegen krimineller Handlungen ins Jenseits.
Vor dem Hintergrund der weltweit vielen Tausend kleinen und großen Bankpleiten in den letzten 100 Jahren, könnte man das als ebenso bizarr wie fatal betrachten. Dem offensichtlichen Irrtum, die Null-Volatilität von Bankguthaben mit generellem Null-Risiko gleichzusetzen, unterliegen merkwürdigerweise auch die meisten Personen, die sich selbst hohes kaufmännisches Wissen zuschreiben. Mit dem Ausfallrisiko von Bankeinlagen haben wir uns vor einiger Zeit in einem eigenen Beitrag beschäftigt.
Nachdem wir nun die geringen Renditen und die Risiken verzinslicher Bankguthaben aufgezeigt haben, bleibt die naheliegende Frage: Für welche Zwecke und in welchen Konstellationen sind solche Investments überhaupt sinnvoll? Mit anderen Worten, wann macht ein Bankguthaben überhaupt Sinn?
Die drei einzigen sinnvollen Konstellationen für Banksparen
Verzinsliche Bankguthaben sind in den folgenden drei Konstellationen sinnvoll
- Für die persönliche Liquiditätsreserve (PLR), den Notgroschen, den jeder Haushalt eigentlich aufbauen sollte, bevor er überhaupt ans Investieren denkt. Betraglich sollte die PLR zwischen dem Vierfachen und dem Zehnfachen der durchschnittlichen monatlichen Lebenshaltungskosten des Haushaltes liegen. An welchem Ende dieses Spektrums der Haushalt persönlich liegen möchte, muss er selbst beurteilen. Klug ist es, die PLR auf einem eigenen verzinslichen Tagesgeldkonto zu halten.
- Als risikofreie beziehungsweise risikoarme Investmentkomponente im Rahmen eines diversifizierten Gesamtportfolios aus mehreren verschiedenen Anlageklassen, von denen einige als „Renditemotor“ für die Erzeugung echter Renditen und andere, wie das verzinsliche Bankguthaben, für das Beisteuern von Stabilität beziehungsweise die Risikodämpfung im Gesamtportfolio zuständig sind. So betrachtet ist das Bankguthaben der Sicherheitsanker, der Airbag in einem gemischten Portfolio. Allerdings gilt dabei die wichtige Einschränkung, dass dieses Bankguthaben die Betragsgrenze der staatlichen Einlagensicherung nicht überschreitet. Soweit ein Haushalt ein größeres risikoarmes Investment tätigen möchte (einen größeren Sicherheitsanker braucht), existiert dafür eine bessere Alternative, nämlich Geldmarktfonds auf ETF-Basis. Sie sind verzinslichen Bankguthaben renditemäßig überlegen. Sie sind lediglich ein klein wenig unbequemer im Handling.
- Für vorübergehendes kurzfristiges Geldparken, wenn einem Haushalt soeben eine größere Geldsumme zugeflossen ist und auch wenn damit die gesetzliche Einlagensicherungsgrenze überschritten wird. Ein solcher Zufluss könnte beispielsweise aus dem Verkauf einer Immobilie, einer Unternehmensbeteiligung oder aus einer Erbschaft herrühren. Der Haushalt sollte dann allerdings innerhalb von wenigen Monaten entscheiden, in welche anderen Investments die soeben erhaltenen Geldmittel fließen – Investments, die eine bessere Kombination aus Renditeerwartung und Ausfallrisiko darstellen als ein Bankguthaben oberhalb der gesetzlichen Einlagensicherung.
Fazit
- Verzinsliche Bankguthaben sind die populärste Form liquider Anlagen in Deutschland. Das ist mit Blick auf die Vermögensbildung und Altersvorsorge von normalen Haushalten in den unteren zwei Dritteln der Vermögenspyramide bedauerlich. Denn diese Anlageform liefert nach Abzug von Inflation, Steuern und Kosten quasi garantiert Renditen nahe null – und über lange Zeitfenster oft sogar negative Renditen.
- Aber auch langfristige Nullrenditen eines Investments können dann angemessen sein, wenn sie mit ausreichend niedriger Volatilität, ausreichend niedrigem Ausfallrisiko sowie hoher Liquidität einhergehen und wenn der Anleger sie im Wissen um all ihre Eigenschaften einschließlich der realen Nullrendite bewusst auswählt. Das kann für verzinsliche Bankguthaben innerhalb der gesetzlichen Einlagensicherung im Einzelfall zutreffen, obwohl Geldmarktfondsanlagen hier leicht überlegen sind.
- Für Anlagebeträge oberhalb der gesetzlichen Einlagensicherung sind verzinsliche Bankguthaben nicht mehr risikoarm. Ihr Ausfallrisiko in dieser Betragszone ist inakzeptabel hoch.
- Alles in allem sind verzinsliche Bankguthaben nur dann rational, wenn sie betragsmäßig innerhalb einer gesetzlichen Einlagensicherung liegen. Bei Anlagesummen, die nicht von einer solchen Sicherung erfasst werden sollten sie nur für kurze, rein prozessual bedingte Zeiträume genutzt werden – bis eine nach Ausfallsrisiko risikoärmere Anlageform für die lange Frist umgesetzt ist.
Über die Autoren:
Gerd Kommer ist Gründer und Geschäftsführer von Gerd Kommer Invest. Er is Autor mehrerer Bücher zum Thema Finanzen und sich zudem mit Meinungsbeiträgen und öffentlichen Auftritten zu Finanzthemen einen Namen gemacht.
Marcel Lauterwasser ist Junior Financial Advisor bei Gerd Kommer Invest.