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Schutz gegen Naturkatastrophen Warum Pflicht zu Elementarversicherungen sinnvoll wäre

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Gegen katastrophale Naturgefahren versichern

Der SVRV hatte Ende 2019 ein Konzept für eine verpflichtende Elementarschadenversicherung für Haus- und Wohnungseigentümer:innen vorgelegt – kurz danach brach die Corona-Pandemie aus, und das Konzept wurde nicht breit diskutiert. Als eine von mehreren konkreten Maßnahmen schlägt der SVRV vor, dass jedes Wohngebäude in Deutschland verpflichtend gegen katastrophale Naturgefahren mit einer Elementarschadenversicherung versichert sein sollte.

Das wird sinnvollerweise nicht mit einem Rundum-Sorglos-Paket erreicht, sondern setzt besonders in höheren Gefahrenlagen bestimmte Vorkehrungen wie Schutzmauern und den technischen Schutz von Lichtschächten voraus, sowie durchaus spürbare Selbstbeteiligungen. Resilienz durch eine Versicherungspflicht für Elementarschäden ist also keineswegs nur ein passives Hinnehmen von Problemen.

Denn die Prämien für eine Versicherung gegen Naturgefahren wirken im Ergebnis wie die Bepreisung von Treibhausgasemissionen: Während der CO2-Preis der Umweltschädigung eines Produkts einen Preis gibt, gibt die Versicherungsprämie dem erwartbaren Gebäudeschaden einen Preis. Darauf weisen der SVRV und zum Beispiel die stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen Claudia Kemfert ausdrücklich hin.

Und wer langfristig die Ausgaben für den CO2-Ausstoß niedrig halten möchte oder im Falle der Versicherung gegen Naturgefahren günstige Prämien zahlen will, der muss geeignete Maßnahmen ergreifen, um später einen Vorteil zu haben. Für den Schutz gegen häufig vorkommende Naturgefahren wie Platzregen sind verhältnismäßig günstige technische Maßnahmen, etwa die Installation von Rückschlagklappen beim Abwasserabfluss, oft bereits ausreichend, um schwere Schäden im Keller durch Starkregen zu vermeiden.

Gefahren des Klimawandels nicht abwälzen

Zu Recht wird argumentiert, dass die Gefahren des Klimawandels nicht auf die einzelnen Menschen abgewälzt werden dürfen – dieser Eindruck könnte bei einer individuellen Versicherung gegen Naturgefahren entstehen. Dieser Einwand muss ernst genommen werden. Trotzdem ist die Frage berechtigt, ob die Menschen bessergestellt sind, wenn kaum ein Anreiz besteht, individuelle Vorkehrungen gegen Naturgefahren zu treffen und im Katastrophenfall auf das Wohlwollen des Staates angewiesen zu sein.

Wenn die Prämien für eine Elementarschadenversicherung in bestimmten Lagen hunderte Euro pro Jahr für ein Einfamilienhaus betragen würden, könnte der Staat die Last durch einen zielgerichteten Transfer (analog zum Wohngeld) mildern. Denn es ist sinnvoll, dass der Staat die Menschen im Voraus besser schützt als heute.

Eine solche Unterstützung sollte vom jeweiligen Bundesland ausgezahlt werden, da die Länder besser als der Bund die örtliche Lage kennen. Wer freilich einen Neubau an einem stark gefährdeten Standort errichtet (sofern dafür künftig noch eine Baugenehmigung erteilt wird), sollte die Versicherungsprämie wie alle anderen Haus- und Wohnungsinhabenden auch voll selbst tragen müssen.

Elementarschäden regelmäßig evaluieren

Eine Versicherungspflicht ist auch – wie der SVRV geprüft hat – verfassungsrechtlich zulässig. Wenn man genau hinschaut, ist das auch die Einschätzung der Justizministerkonferenz, die trotzdem noch 2015 die Einführung einer Versicherungspflicht abgelehnt hat.

Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe der Justizminister:innen ist zwar noch immer nicht veröffentlicht (Stand: 6. August 2021), aber man hört, dass darin auf das Grünbuch der EU-Kommission „Versicherung gegen Naturkatastrophen und von Menschen verursachte Katastrophen“ verwiesen wird, das feststellt, dass Naturkatastrophen infolge des Klimawandels zunehmen werden.

Deswegen sollten die Erfahrungen mit der Bewältigung von Elementarschäden auf globaler und europäischer Ebene regelmäßig evaluiert werden. Je nach Entwicklung der Lage könnte dann auch die Einführung einer Versicherungspflicht erneut geprüft werden.

Der Berliner Ökonom Gert G. Wagner ist Mitglied im Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV) und im Sozialbeirat der Bundesregierung. Wagner hat bereits 2002 in Heft 10 des Wirtschaftsdienstes ein Konzept vorgelegt, wie er es in dem hier abgedruckten Leitartikel des diesjährigen Hefts 8 des Wirtschaftsdienstes (DOI: 10.1007/s10273-021-2968-4) erneut diskutiert.


Über den Autor:

Gert G. Wagner, DIW Berlin

Gert G. Wagner ist Senior Research Fellow in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Seine Forschungsthemen und Arbeitsbereiche sind Gesundheit, Persönlichkeit, Verhaltenswissenschaftliche Analysen und Wissenstransfer.

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