Altersvorsorge in Deutschland Warum Riester eine Rosskur braucht
Die neue Ampelkoalition will den das bisherige System der privaten Altersvorsorge in Deutschland grundlegend reformieren. Wie die Zusatzrente der Zukunft konkret aussehen könnte, haben jetzt die Analysten von Zielke Research Consult skizziert. Die Aachener Beratungsgesellschaft nimmt insbesondere die Nachhaltigkeits- und Solvenzberichte deutscher Banken und Versicherer unter die Lupe.
Reformbedarf bei Riester-Rente
Reformbedarf erkennt Geschäftsführer Carsten Zielke aktuell vor allem bei der staatlich geförderten Altersvorsorge für Familien und Geringverdiener: „In Zeiten der Niedrig- oder gar Negativzinsen hat die Riester-Rente ausgedient“, lautet sein Fazit. Das größte Problem der zertifizierten Verträge: Das entsprechende Gesetz schreibt zwingend vor, das Kapital zu erhalten und zu verrenten.

Diese starre Regel sei im Jahr 2001 zwar mit guten Absichten zum Schutz der Verbraucher beschlossen worden. Doch zwei Jahrzehnte und neun EZB-Leitzinssenkungen binnen zehn Jahren später wirke sie wie aus der Zeit gefallen. Denn: „Versicherer müssen somit das Geld in festverzinsliche Papiere investieren, um das Kapital zu erhalten. Doch das führt zu Verlusten beim Versicherungsnehmer.“
„Für 100 eingezahlte Euro bekommt er nur 110,30 Euro zurück. Bei jährlich 100 eingezahlten Euro ergibt sich nach 35 Jahren ein Kapital von 4.820,63 Euro. Tatsächlich bleibt bei 2 Prozent Inflation ein Realwert von 2.410,45 Euro übrig“, rechnet der promovierte Versicherungsökonom vor. Und die Aktuare kalkulierten bei Riester-Kunden mit 93 Jahren eine zu hohe Lebenserwartung ein, so Zielke.
Riester-Verrentungszwang aufheben!
„Um eine angemessene Rendite zu erzielen, sollte die Regierung den Verrentungszwang aufheben und den Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr festlegen. Für eine längere Lebenszeit des Einzelnen müsste die Gemeinschaft aus Steuergeldern aufkommen“, fordert der Branchenexperte. Das wäre effizienter als das bisherige System, in dem die Versicherer durchgängig konservativ anlegen müssten.
„Von einer Abschaffung des Verrentungszwangs würde nicht nur der Kunde, sondern auch der Versicherer profitieren, wenn Lebensversicherer sich an diesem Markt beteiligen wollen“, ist Zielke überzeugt. „Die Solvenz der deutschen Lebensversicherer würde sich um den Faktor 1,6 bis 2,0 verbessern. Der Altersvorsorgemarkt würde so für die Bürger attraktiver, das Risiko für den Staat geringer.“
Hinzu komme, dass durch das erhöhte Vertrauen auch Kapitalströme gezielt für den Klimaschutz eingesetzt werden können. Das helfe, um das Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Demnach sollen die unterzeichnenden Staatenlenker Anstrengungen unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Mehr Geld in Realwerte investieren!
Außerdem sei es sehr wichtig, dass die aus Zielkes Sicht verstaubte Rechnungslegung nach dem deutsche Handelsgesetzbuch (HGB) ersetzt wird. Besser seien die ökonomischeren International Financial Reporting Standards (IFRS). Diese Rechnungslegung gelte heute bereits in den meisten Ländern der Europäischen Union. „Dies würde es den Versicherern ermöglichen, mehr in Realwerte wie Aktien zu investieren.“
„Nur ein Mix aus Garantie- und Verrentungszwangsabschaffung sowie eine Änderung der Rechnungslegung an moderne internationale Normen können die Attraktivität für die private Altersvorsorge erhöhen, um den demografischen Herausforderungen standzuhalten. Gleichzeitig würde sich die Eigenkapitalsituation der deutschen Lebensversicherer erheblich verbessern, was die Finanzstabilität fördern würde.“