Was haben Elektroautos, Windräder und Künstliche Intelligenz gemeinsam? Sie alle sind abhängig von Rohstoffen, die in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind, aber die Zukunft unserer Wirtschaft bestimmen. Während Politiker (zumindest diesseits des Atlantiks) über Klimaziele debattieren und Tech-Konzerne mit KI-Durchbrüchen werben, spielt sich im Hintergrund ein geopolitisches Drama ab, das über Erfolg oder Scheitern der Energiewende entscheiden könnte.

Die Zahlen sind ernüchternd: Bei 19 von 20 energierelevanten Mineralien dominiert China die Raffination und Verarbeitung, wie aus der aktuellen Analyse „Kritische Mineralien im Zentrum geopolitischer Spannungen" der DWS Investment hervorgeht. Vincenzo Vedda, Chef-Investmentoffizier des Vermögensverwalters, warnt: „Die übermäßige Abhängigkeit von risikoreichen Ländern wie China bei kritischen Mineralien birgt erhebliche politische und wirtschaftliche Risiken."

Diese Abhängigkeit ist kein Zufall, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger strategischer Planung. Während westliche Länder ihre Bergbauindustrie vernachlässigten, investierte China systematisch in die gesamte Wertschöpfungskette – von der Minenerschließung in Afrika bis zur Raffinerie-Infrastruktur im eigenen Land. „China baut etwa 70 Prozent der seltenen Erden weltweit ab und verarbeitet sogar noch mehr – nämlich etwa 90 Prozent", berichtet die Tagesschau. Deutschland importiere „zwei Drittel seiner seltenen Erden aus China".

Trump macht Rohstoffe zur Chefsache

Wie brisant die Lage geworden ist, zeigt eine aktuelle Entwicklung: Die USA haben sich mit China auf eine Erweiterung ihres Handelsabkommens geeinigt – und im Zentrum stehen nicht Zölle, sondern seltene Erden. „Die Regierung und China haben sich auf eine zusätzliche Vereinbarung über den Rahmen für die Umsetzung des Genfer Abkommens geeinigt", bestätigte das Weiße Haus Ende Juni.

DWS-Investmentchef Vincenzo Vedda
DWS-Investmentchef Vincenzo Vedda © DWS

US-Handelsminister Howard Lutnick wurde deutlich: „Sie werden uns Seltene Erden liefern." Das Abkommen zielt darauf ab, „wie wir die Lieferungen von Seltenen Erden in die USA wieder beschleunigen können". China hatte als Vergeltungsmaßnahme gegen US-Zölle die Ausfuhr kritischer Mineralien ausgesetzt und damit die Lieferketten von Automobilherstellern, Luft- und Raumfahrtunternehmen und militärischen Unternehmen weltweit durcheinandergewirbelt.

Dass China einlenkte, liegt auch am Druck auf die eigene Industrie: Chinas Industrieunternehmen verzeichneten im Mai den stärksten Gewinnrückgang seit Oktober mit einem Minus von 9,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Energiewende als Brandbeschleuniger der Nachfrage

Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert eine dramatische Steigerung des Bedarfs: „Wenn wir bis 2050 Netto-Null erreichen wollen, wird sich der jährliche Bedarf an diesen Mineralien bereits bis 2040 versechsfachen", zitiert die DWS-Studie die Berechnungen der IEA. Allein für Batterien seien „in den kommenden zehn Jahren 300 neue Minen erforderlich".

Besonders kritisch wird die Lage bei Kupfer. Das rötliche Metall, das Vedda als „Dreh- und Angelpunkt der grünen Energiewende" bezeichnet, steht vor einem Versorgungsengpass. Die IEA erwartet bis 2035 ein Defizit von 30 Prozent bei den Kupferminenprojekten. „Grüne Technologien verbrauchen im Allgemeinen mehr Kupfer als bei der Energieerzeugung mit herkömmlichen Technologien", erklärt die Analyse. Elektroautos benötigen zweieinhalb Mal so viel Kupfer wie Verbrenner, Windparks bis zu sieben Mal mehr als Gaskraftwerke.

 

Künstliche Intelligenz verschärft das Problem

Parallel zur Energiewende verstärkt der KI-Boom die Nachfrage nach kritischen Mineralien. Rechenzentren benötigen nicht nur massive Mengen an Strom, sondern auch spezielle Rohstoffe für ihre Hardware. „Mit der raschen Expansion von Rechenzentren dürfte der weltweite Markt für USV-Anlagen für Rechenzentren von 6,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 auf 9,1 Milliarden US-Dollar im Jahr 2028 steigen", prognostiziert die DWS-Studie.

Die Abhängigkeit wird dadurch noch brisanter: Silizium für Mikrochips, Kobalt für Speicherbausteine und seltene Erden für Hochleistungsmagnete sind unverzichtbar für KI-Anwendungen. „Die wachsende Nachfrage nach diesen Technologien hat direkte wirtschaftliche Auswirkungen auf die Lieferketten für kritische Mineralien", stellt Vedda fest.

Politische Antworten auf strategische Bedrohung

Die Politik hat das Problem erkannt. Die USA verabschiedeten 2020 den Energy Act, der kritische Materialien definiert, die EU folgte 2024 mit dem Critical Raw Materials Act. Doch die Umsetzung hinkt den Ambitionen hinterher. Doch die Die Diversifizierung der Lieferketten für kritische Mineralien kommt nur langsam voran, konstatiert die IEA-Analyse.

China dominiert die Raffination von 19 der 20 energierelevanten Mineralien (Anteil des führenden Raffinationslandes)
China dominiert die Raffination von 19 der 20 energierelevanten Mineralien (Anteil des führenden Raffinationslandes) © Internationale Energieagentur, DWS Investment GmbH; Stand: Mai 2025

Die G7-Staaten beschlossen auf ihrem jüngsten Gipfel in Kanada, weniger abhängig von autoritären Staaten wie China zu werden und eigene Lieferketten für strategisch wichtige Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder seltene Erden abzusichern. Doch das braucht Zeit: Alleine der Aufbau einer Anlage dauert bis zu zehn Jahre, bei Bergbaustätten dauert es sogar noch länger.

Westliche Bürokratie als Standortnachteil

Paradoxerweise erschwert der Westen sich die Lösung des Problems selbst. „Die Regierungen in diesen Regionen haben die Genehmigungen zur Erschließung nahezu unmöglich gemacht", kritisiert die DWS-Studie mit Blick auf die USA, Nordeuropa, Kanada und Australien. Als Beispiel nennt Vedda die Resolution-Kupfermine in Arizona: „Die Lagerstätte wurde vor Jahrzehnten entdeckt, wird aber wahrscheinlich erst in den 2030er Jahren in Produktion gehen, da sie seit über einem Jahrzehnt durch Gerichtsentscheidungen blockiert ist."

„Neben den Arbeitskosten verhindern vor allem unsere zurecht hohen Umweltstandards den Abbau, und hinzu kommen langwierige Genehmigungsprozesse", erklärt Jana Rückschloß vom Fraunhofer-Institut.

Umwelt und Menschenrechte als zusätzliche Hürden

Die Förderung kritischer Mineralien bringt ökologische und soziale Herausforderungen mit sich. Der Wettlauf um diese Mineralien könne zu Menschenrechtsverletzungen führen und bestehende Ungleichheiten in den entsprechenden Ländern vertiefen, so die DWS-Studie. Gleichzeitig investiere China aggressiv in die Erschließung neuer Minen in Entwicklungsländern, während viele dieser Unternehmen oft genau dieselben Unternehmen sind, die Menschenrechtsverletzungen begehen.

Globales Wachstum der Kupfernachfrage für Rechenzentren
(Kilotonnen pro Gigawatt installierter Leistung)
Globales Wachstum der Kupfernachfrage für Rechenzentren (Kilotonnen pro Gigawatt installierter Leistung) © DWS

Die „Deutsche Welle" berichtet über die Umweltprobleme beim Abbau: „Wir wissen, dass beim Abbau oft mit hochgiftigen Säuren gearbeitet wird, direkt vor Ort an den Bohrlöchern. Da wird Säure reingepumpt, um diese seltenen Erzoxide auszuschwemmen. Dadurch sind ganze Landstriche unbewohnbar geworden."

Investmentchance trotz Risiken

Trotz aller Probleme sieht Vedda in kritischen Mineralien eine Investmentchance: „Die Gewinnung kritischer Mineralien bietet unserer Einschätzung nach attraktive Wachstumschancen." Allerdings müssten die Auswirkungen auf die Umwelt unbedingt kritisch beobachtet werden und die Einhaltung von Menschenrechten sollte hohe Priorität haben.

Die DWS-Analyse macht deutlich: Der Erfolg der Energiewende hängt nicht nur von politischem Willen und technologischen Fortschritten ab, sondern auch davon, ob es gelingt, die Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern zu reduzieren. Das jüngste Handelsabkommen zwischen Trump und China zeigt, wie akut das Problem bereits geworden ist. Wie Vedda resümiert: „Internationale Zusammenarbeit ist gefragt, um Versorgungsengpässe zu vermeiden."

Die Alternative wäre wohl eine grüne Zukunft in chinesischer Hand.