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Mut zur Lücke Warum sich Anleger britische Aktien ansehen sollten

LKW-Stau in Dover
LKW-Stau in Dover: Großbritannien darf zwar weiterhin zollfrei mit der EU handeln, allerdings kosten zusätzliche Kontrollen viel Zeit. | Foto: imago images/i Images

Richard Colwell klingt beinahe genervt, wenn man ihn nach seiner persönlichen Meinung zum Brexit fragt. „Ob er mein Leben verändert hat? Nein“, stellt der Leiter für britische Aktien bei Columbia Threadneedle klar und fügt hinzu: „Ich bin einfach nur froh, dass wir weitermachen können und nicht mehr jeden Tag über den Brexit reden müssen.“

Sein Unmut ist verständlich. Schließlich zieht sich das Hickhack darum, wie die Briten aus der Europäischen Union austreten, schon viereinhalb Jahre lang hin. Stets stand die Frage im Raum, wie das Vereinigte Königreich mit dem Rest der Welt handeln will, wenn es nicht mehr die Abkommen der EU nutzen darf. Und wie es mit der EU selbst handeln will.

Seit Weihnachten steht fest: Ja, das Königreich handelt weiter zollfrei mit der EU, es gibt einen Deal. „Er ist einmalig schnell entstanden, in der kurzen Verhandlungszeit von nur zehn Monaten“, stellt Marina Lütje, Volkswirtin bei der Deka, fest. Und erinnert daran, dass die EU einst mit Japan fünf Jahre und mit Kanada sieben Jahre für ein Abkommen gebraucht habe.

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Foto: Tobias Klenze/CC-BY-SA 4.0/Wikipedia

Also Mund abputzen und weitermachen wie vorher? Nicht ganz. Einerseits sei der Deal zwar gut, aber eben nicht so gut wie der Zustand vor dem Brexit, meint Lütje. Man könne zwar handeln, müsse aber nun durchweg kontrollieren, ob die Waren wirklich ausreichend britisch beziehungsweise europäisch seien. Das kostet Zeit und Geld. Einen Vorgeschmack auf behördliche Hemmschuhe lieferte bereits der kilometerlange LKW-Stau in Dover zu Weihnachten (Foto oben). Außerdem liefert Großbritannien 40 Prozent seiner Exporte in die EU. 16 Prozent gehen etwa in die USA und 8 Prozent nach China, und mit denen gibt es noch keinen Vertrag. Es bleibt also noch immer viel zu tun für Premierminister Boris Johnson.

Hinzu kommt interner Zoff. Schottland kokettiert intensiv mit dem Gedanken, das Vereinigte Königreich zu verlassen und auf eigene Faust in die EU zurückzukehren. Einer Umfrage zufolge waren 51 Prozent der Schotten im Sommer für so einen Austritt, nur 38 Prozent dagegen. Eine ähnliche Fliehkraft zeigt sich auch in Nordirland. Und das, während die Corona-Pandemie große Teile von Gesellschaft und Wirtschaft lahmlegt.

Die Briten sind noch weit davon entfernt, eine Insel der Glückseligen zu wer- den, weshalb auch der Pfund-Kurs als bewährtes Krisenbarometer beim EU-Deal kaum gezuckt hat. Der war einfach schon eingepreist. Auch der Aktienmarkt spiegelt weiter eine eher trübe Lage wider. „Speziell die Brexit-Unsicherheit hat seit dem Referendum 2016 unter internationalen Anlegern zu einem wahren Käuferstreik geführt“, bemerkt Andrew Millington, der bei Aberdeen Standard Investments für Aktien von der Insel zuständig ist.