Chefvolkswirt Jörg Zeuner
Was der Handelskonflikt für Anleger bedeutet
Jörg Zeuner ist Chefvolkswirt von Union Investment. Foto: Union Investment
China und die USA steuern auf neue Konfrontationen zu. Welche Folgen das für die Kapitalmärkte hat, erklärt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt von Union Investment.
Die jüngsten Regulierungsschritte Chinas haben die Aktienkurse der betroffenen Unternehmen deutlich belastet. Auch wenn dadurch das internationale Investorenvertrauen gelitten hat, ist an ein Zurückdrehen dieser Maßnahmen nicht zu denken. Die Folgen all dieser langfristig ausgerichteten Maßnahmen werden jedoch erst in einer späteren Phase sichtbar ihre Wirkung entfalten. Investitionsentscheidungen und Anpassungen von Lieferketten brauchen in der Umsetzung oft viele Jahre. Für eine langfristige Anlagestrategie sind sie ein entscheidender Faktor.
Denn: Die zunehmende Entkopplung von China und den USA wird Wirtschaftswachstum, Gewinnströme und Zinsentwicklung weltweit beeinflussen. Aktuell...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die jüngsten Regulierungsschritte Chinas haben die Aktienkurse der betroffenen Unternehmen deutlich belastet. Auch wenn dadurch das internationale Investorenvertrauen gelitten hat, ist an ein Zurückdrehen dieser Maßnahmen nicht zu denken. Die Folgen all dieser langfristig ausgerichteten Maßnahmen werden jedoch erst in einer späteren Phase sichtbar ihre Wirkung entfalten. Investitionsentscheidungen und Anpassungen von Lieferketten brauchen in der Umsetzung oft viele Jahre. Für eine langfristige Anlagestrategie sind sie ein entscheidender Faktor.
Denn: Die zunehmende Entkopplung von China und den USA wird Wirtschaftswachstum, Gewinnströme und Zinsentwicklung weltweit beeinflussen. Aktuell setzen die USA beispielsweise durch strategisch ausgerichtete Infrastrukturpakete eher auf Expansion. China nimmt dagegen kurzfristig eine Wachstumsverlangsamung durch eine Verschärfung der Regulierung und Verringerung des Fiskalimpuls in Kauf, was aber langfristig die Binnenwirtschaft und das Finanzsystem stärken soll.
Auf Vermögenserhalt bedachte Anleger müssen sich darum kontinuierlich und umfassend mit den möglichen Folgen dieses Konflikts befassen – zeitlich, regional und sektoral genauso wie auf der Ebene der einzelnen Unternehmen. Die Stärkung der „Buy-American-Doktrin“ unter Biden kann sich nachteilig auf die Autozulieferbranche auch in Europa auswirken. Umgekehrt sind Vorteile durch die Umstrukturierung von Zulieferketten für entsprechende regionale Anbieter möglich. Besonders wachsam sollten Anleger bei strategisch wichtigen Branchen sein wie in der Kommunikation etwa beim Mobilfunkstandard 5G, bei Halbleitern aber auch im Gesundheitssektor. Regional sind ebenfalls Verschiebungen möglich. Durch die (Rück-)Verlagerung von Produktion aus China könnten Länder wie Vietnam, Indien, die Türkei oder auch Mexiko profitieren.
Resilienz schlägt Effizienz
Vor dem Hintergrund des Wettbewerbs zwischen China und USA bedeutet global investieren zunehmend auch vor Ort zu investieren. Weltweit gilt es genau hinzusehen, ob bestehende Geschäftsbeziehungen durch den Konflikt nachteilig betroffen sind oder sich sogar Chancen daraus ergeben. Für internationale Anleger ist eine höhere Komplexität der Anlagestrategie die Folge. Resiliente, also widerstandsfähige Lieferketten werden eher wichtiger als effiziente Lieferketten. Die Folgen für Kosten und Betriebsmargen der Unternehmen sind derzeit aber noch unklar, weshalb die Risikoprämien für möglicherweise betroffene Anlagen tendenziell steigen sollten.
Damit bieten sich auch Anlagechancen: Größere Unternehmen dürften besser in der Lage sein als kleine, sich auf die neuen Rahmenbedingungen entkoppelter Großmächte einzustellen. Abhängig davon, wie flexibel Unternehmen sind, lassen sich Auswirkungen des Konflikts auf das eigene Geschäft begrenzen oder sogar in steigende Gewinne ummünzen. Bei mancher Anlageentscheidung ist darum der Bezug zu China sehr genau zu prüfen. Bei Anlagen in China oder in den USA sollten Investoren beispielsweise auch mit einbeziehen, wie wichtig das Unternehmen für die jeweiligen Staatsinteressen ist. Dann haben Anleger trotz Machtpoker gute Karten.
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