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Aktualisiert am 10.08.2021 - 17:36 UhrLesedauer: 5 Minuten
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Fixed-Income-Strategien Was der Wiener Kongress mit der jetzigen Lage gemeinsam hat

Manchen begegnete beim Wiener Kongress das Unerwartete (hier ein Plakat zum Film „The Congress dances“ von 1931)
Manchen begegnete beim Wiener Kongress das Unerwartete (hier ein Plakat zum Film „The Congress dances“ von 1931): Anleger sollten sich hüten, angesichts des scheinbaren Corona-Endes die Zügel schleifen zu lassen. | Foto: imago images / Everett Collection

Eine tödliche Bedrohung für den ruhigen Alltag der Bürger wurde eingedämmt. Die Behörden planen eine Rückkehr zu den alten Routinen. Und die Menschen nehmen die Fäden eines unterbrochenen Lebens wieder auf; ausschweifende Partys stehen ganz oben auf der Tagesordnung: So, stelle ich mir vor, sah es für die Delegierten auf dem Wiener Kongress 1814/15 nach den Befreiungskriegen aus. In den vorangegangenen 23 Jahren wirbelte der beißende Rauch der permanenten Revolution und des Krieges in Europa von Paris bis vor die Tore Moskaus und den ganzen weiten Weg wieder zurück. Doch nun war Napoleon sicher nach Elba verbannt worden. Die alliierten Siegermächte trafen sich, um die Rückkehr zu einer vorrevolutionären Weltordnung zu planen. Teils Friedenskonferenz, teils Feier, tanzte der Kongress durch die funkelnden Ballsäle Wiens, während die Botschafter und ihre Kurtisanen feierten, debattierten, argumentierten, spionierten, intrigierten und flirteten. Vor allem das Feiern war wichtig, nach den Jahren der Entbehrung aus gutem Grund. Bis im März 1815 schockierende Nachrichten eintrafen: „Napoleon flieht... stellt eine Armee auf... marschiert auf Paris.“

Meine Kollegen und ich haben uns kürzlich getroffen, um die Aussichten für die globalen Rentenmärkte in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 zu besprechen. Die sehr starke Erholung von der Covid-19-Krise prägt den größten Teil unserer Überlegungen. In Anbetracht von Momenten historischer Hybris ist es jedoch noch zu früh, den Sieg über das Virus zu verkünden, und unsere Analysen und Investment-Szenarien bleiben extrem empfindlich gegenüber jeglichen größeren Umschwüngen in diesem Kampf. Unter Berücksichtigung dieses gewichtigen Vorbehalts gibt es einzelne Themen, die wir heute für besonders relevant halten.

China dämmt die Kreditexpansion ein

Die chinesischen Behörden haben eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um einer möglichen Überhitzung der Konjunktur vorzubeugen, da sich Chinas Wirtschaft sehr schnell von der Pandemie erholt hat. Grafik 1 zeigt, dass die gesamte Kreditvergabe an die Wirtschaft, die Geldmenge und die Kreditvergabe der Banken seit Mitte beziehungsweise Ende 2020 zurückgegangen sind. Die Behörden haben auch eine Reihe weiterer gezielter Maßnahmen ergriffen, um die Verschuldung in bestimmten Wirtschaftssektoren zu begrenzen.

Grafik 1: Chinas Kreditvergabe (YoY)

Die Grafik zeigt, dass die gesamten Kreditflüsse an die Wirtschaft, die Geldmenge und die Kreditvergabe der Banken seit Mitte bis Ende 2020 rückläufig sind.

Quelle: People‘s Bank of China, Mai 2021

Auf einer Ebene ist dies überraschend, weil China nicht der gleichen Art von Herausforderungen im Hinblick auf die Inflation gegenübersteht, wie sie in den USA zu beobachten sind. Grafik 2 zeigt, dass der Anstieg des Verbraucherpreisindex in China in den zwölf Monaten bis Mai 2021 nur 1,3 Prozent betrug. Der Hintergrund: Chinas Regierungsverantwortliche legen großen Wert auf soziale und wirtschaftliche Stabilität und haben ein wachsames Auge auf die Stärke des Renminbi. Durch die Verlangsamung der Kreditschöpfung ergreifen sie Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Finanz- und Währungsstabilität nicht durch eine übermäßige Kreditausweitung in einigen Wirtschaftssektoren gefährdet wird.

Grafik 2: Chinas Inflationsrate

Die Grafik zeigt, dass der Anstieg des Verbraucherpreisindex in China in den zwölf Monaten bis Mai 2021 nur 1,3 Prozent betrug.

Quelle: Bloomberg, Stand: 30. April 2021

Bislang wurde die Straffung der finanziellen Rahmenbedingungen ohne Liquiditätsprobleme oder andere Anzeichen von finanziellem Stress erreicht. Doch das sah schon einmal ganz anders aus: In den Jahren 2013/14 bedingte die straffere Kreditpolitik in China, die eine Überhitzung der Wirtschaft vermeiden sollte, die starke Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums. Wenn sich dieses Phänomen nicht wiederholen soll, dürfen Chinas Maßnahmen zur Kreditverknappung nicht allzu rigide werden.

Dessen ungeachtet sind wir der Meinung, dass die Risikokompensation für chinesische Anleihen auf globaler Basis immer noch attraktiv ist, da die 5-Jahres-Renditen knapp unter 3 Prozent liegen, die Inflation jedoch nur bei etwa 1 Prozent.

Angesichts vieler Unwägbarkeiten gilt es vorsichtig zu sein

Selbst wenn unser Ausblick auf die zweite Jahreshälfte 2021 sehr konstruktiv ist, ist jetzt nicht die Zeit, um über die Stränge schlagen – die Lust auf neue Ausschweifungen ist vor dem Hintergrund des Elends der globalen Pandemie und der wirtschaftlichen Kriegsführung zur Eindämmung des Virus nur zu verständlich. Es wird jedoch nicht leicht sein, die aktuell starken Wachstumsraten bis ins Jahr 2022 aufrechtzuerhalten. Einige der möglichen Risiken kündigen sich bereits an: Der starke Anstieg der Öl- und anderer Rohstoffpreise, der schwächere US-Dollar seit März dieses Jahres, der Anstieg der Marktzinsen – irgendwann werden all diese Faktoren zu einer Belastung für Konsum und Wachstum werden, vorrangig in den USA. An diesem Punkt werden etliche sehr hohe Bewertungen an den Kredit-, Hochzins- und Aktienmärkten in Frage gestellt werden. Unsere Folgerung: Da die vorausschauenden Bewertungen bereits eine außerordentliche Vielzahl an guten Nachrichten eingepreist haben, gehen wir nur moderat ins Risiko.

Nicht zu vergessen bei diesem einfachen Ansatz in einem komplizierten Marktumfeld: Wir agieren in einer Zeit außergewöhnlicher globaler Belastungen. Dazu gehören die Straffung der Kreditvergabe in China, eine sehr lockere Geldpolitik der Fed, eine außergewöhnliche fiskalpolitische Expansion in vielen Ländern, die möglicherweise bis 2022 und darüber hinaus verlängert wird, periodische geopolitische Konflikte, extreme Marktbewertungen und im Hintergrund die Unsicherheiten im Zusammenhang mit einem mutierenden Virus, das alle bisherigen Fortschritte zunichtemachen könnte.

Mit Flexibilität zu starken Renditen

Wir sind also auf der Hut. Sofern es nötig ist, werden wir unsere Strategie jederzeit flexibel anpassen. Beim erfolgreichen Managen von Fixed-Income-Investments geht es genau darum: Jederzeit nachjustieren oder sogar umbauen zu können, sobald die Wirklichkeit unserer komplexen und im ständigen Wandel begriffenen Welt sich den kühnsten Prognosen annähert. Die Flexibilität und Wendigkeit unserer globalen Anleihestrategien sind daher von entscheidender Bedeutung, um unser Ziel einer starken risikobereinigten Rendite im Laufe der Zeit zu erreichen.

Im Englischen gibt es dafür einen Ausspruch – den auch die internationalen Partygänger in Wien 1814/15 nicht ohne Grund im Hinterkopf gehabt haben könnten: Be ready for anything.

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