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Geldpolitischer Kurs nachjustiert Was Finanzexperten von der aktuellen EZB-Sitzung erwarten

Euro-Symbol vor dem Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt
Euro-Symbol vor dem Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt: Am Donnerstag gibt es Details zum weiteren Kurs der EZB. | Foto: imago images / Ralph Peters

Das Ergebnis der Ratssitzungen findet stets viel Beachtung: An diesem Donnerstag wollen Vertreter der Europäischen Zentralbank vor die Presse treten und Details zu ihrem weiteren geldpolitischen Kurs bekannt geben. Dabei geht es unter anderem um die von der Finanzbranche stark beachtete Frage, ob sich womöglich ein Tapering am Horizont abzeichnet, ein Zurückfahren der schon seit geraumer Zeit ultralockeren Geldpolitik der EZB.

Im März 2016 senkte die Europäische Zentralbank den Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der EZB Geld leihen können, auf null. Seitdem verharrt der Euro-Leitzins auf diesem Niveau. In mehreren Kaufprogrammen kaufen die Währungshüter zudem Wertpapiere auf, seit 2015 in großem Umfang Staatsanleihen der Euroländer. Während der Corona-Pandemie kam noch ein weiteres Anleihen-Kaufprogramm hinzu – diesmal speziell, um günstige Finanzierungsbedingungen zu schaffen und die von der Pandemie gebeutelte Wirtschaft zu stabilisieren: Das PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) startete im März 2020. Aktuell kauft die EZB monatlich Wertpapiere für rund 100 Milliarden Euro monatlich auf.

Angesichts einer schnell wieder angezogenen Konjunktur und Impferfolgen, aber auch der zuletzt deutlich gestiegenen Inflationsrate im Euroraum wird immer lauter über ein Zurückfahren der Anleihekäufe spekuliert – zumal das PEPP im kommenden Frühjahr auslaufen soll. Will die EZB bald wieder die Zügel anziehen und ihre Geldpolitik insgesamt straffen – im EZB-Finanzjargon „Tapering“ genannt?

Hier schätzen mehrere Finanzexperten ein, was die Sitzung am Donnerstag mit sich bringen könnte:

 

François Rimeu, Senior-Stratege bei La Française AM:

„Auf ihrer Pressekonferenz am 9. September wird die EZB voraussichtlich zwei wichtige Themen ansprechen: neue makroökonomische Prognosen und ein Update zum Pandemie-Notkaufprogramm (PEPP). Im Hinblick auf die Wirtschaft erwarten wir, dass die EZB angesichts der Fortschritte bei der europäischen Impfkampagne – trotz eines Abflauens in China und den USA – einen optimistischen Ton beibehalten wird. Jedoch wird sie betonen, dass die Ungewissheiten im Zusammenhang mit Corona bestehen bleiben. [...]

Wir gehen davon aus, dass die EZB das Ankaufprogramm (von 80 Milliarden Euro auf 70 Milliarden Euro pro Monat) reduzieren wird, um den sich verbessernden Wirtschaftsaussichten und ihrer Absicht Rechnung zu tragen, den Finanzrahmen des PEPP vollständig auszuschöpfen. Wir glauben nicht, dass der EZB-Rat eine Erklärung über die Zukunft des Pandemie- und Anleihekaufprogramms nach dem erwarteten Ende des PEPP im März 2022 abgeben wird.

Die jüngsten positiven Inflationsüberraschungen, auch wenn sie nur vorübergehend sind (was sich noch herausstellen muss), setzen die EZB unter Druck. Angesichts einer höheren Wachstumsprognose wird es keine leichte Aufgabe für Präsidentin Lagarde sein, über eine des Temporeduzierung des derzeitigen quantitativen Lockerungsprogramms zu sprechen und gleichzeitig einen sehr akkommodierenden Ton beizubehalten. Wir erwarten nach dieser Pressekonferenz eine gewisse Volatilität mit moderat höheren Zinsen.“

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Daniel Hartmann, Chefvolkswirt bei der Fondsgesellschaft Bantleon:

Bei den Frankfurter Währungshütern sah es bislang danach aus, als ob an der Höhe der Wertpapierkäufe bis Ende 2021 nicht mehr gerüttelt wird. Wie aus dem Nichts deuteten jedoch in den vergangenen Tagen gleich mehrere EZB-Vertreter einen vorsichtigen Kurswechsel an. Das im Frühjahr und Sommer beschleunigte Tempo der Anleihenkäufe soll demnach im 4. Quartal wieder gedrosselt werden. Für diesen Sinneswandel gibt es auch nachvollziehbare Gründe. So hat die Eurozone sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch bei der Pandemiebekämpfung zuletzt eine gute Figur gemacht. […]

Mehr noch als die Konjunktur treibt die Währungshüter jedoch die Inflation um. Im August schnellte die Teuerungsrate der Eurozone auf 3,0 Prozent. […] Am Donnerstag wird sie die Projektion vermutlich auf über 2,0 Prozent anheben. Darüber hinaus steigt die Zahl derjenigen, die Zweifel daran haben, ob die Inflation 2022 wieder deutlich unter 2,0 Prozent fällt (wir gehören schon lange diesem Lager an). […] Unter der Voraussetzung, dass sich die Pandemie abschwächt, dürfte sich im Frühjahr 2022 ein Umfeld relativ hoher Inflation (> 2 Prozent) und tiefer Arbeitslosigkeit (< Vorkrisenniveau) einstellen. Notfallmaßnahmen sind dann nicht mehr nötig, weshalb die Netto-Wertpapierkäufe schnell reduziert werden können, was wiederum den Weg für Leitzinserhöhungen ebnet. Das sollte die Bund-Renditen nach oben treiben. Schließlich sind derzeit bis Anfang 2025 gerade einmal zwei Mini-Leitzinserhöhungen (um jeweils 10 Basispunkte) eingepreist.

 

Jens Franck, Leiter Portfoliomanagement bei dem Hamburger Anleihen-Spezialisten Nordix:

„Ein Zurückfahren der expansiven Geldpolitik ist nicht zu erwarten. Die EZB-Sitzung sollte die jüngsten Zinssteigerungserwartungen eher dämpfen, da die expansive Geldpolitik im Rahmen des geldpolitischen Instrumentariums eher umgeschichtet werden dürfte. Alles in allem bietet die EZB mit ihrer Forward Guidance ein klares Kommunikationsmittel, um die Märkte auf jegliche geldpolitischen Veränderungen kapitalmarktfreundlich vorzubereiten.“