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Zukünftige Regierung Was Finanzprofis zum Wahlergebnis sagen

SPD-Spitze mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz (M.)
SPD-Spitze mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz (M.): Die Sozialdemokraten sind als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgegangen. Wer die neue Regierung bilden wird, ist allerdings noch lange nicht klar. | Foto: imago images / Chris Emil Janßen

Die Wähler haben über den zukünftigen Bundestag abgestimmt. Bereits nach den ersten Auszählungen zeichnete ab: Die SPD wird offenbar als Wahlsieger hervorgehen. Sie liegt nach vorläufigem amtlichen Endergebnis mit 25,7 Prozent der Stimmen vor den Unionsparteien CDU/CSU, die auf 24,1 Prozent kommen. Die drittstärkste Kraft, die Grünen, können demnach 14,8 Prozent, die FDP 11,5 Prozent für sich verbuchen. Wahlverlierer sind neben CDU/CSU die AfD, die mit 10,3 gegenüber der letzten Bundestagswahl Stimmen einbüßte, sowie die Partei Die Linke, die mit 4,9 Prozent ebenfalls einen Rückgang hinnehmen muss.

So weit die Zahlen. Was bedeutet das Ergebnis aber für den zukünftigen politischen Kurs in Deutschland – ganz konkret mit Blick auf die Kapitalmärkte? Hier kommen die Einschätzungen von acht Finanzmarktexperten.

„Keine dramatischen Änderungen für Investoren“

Foto: Fidelity

Christian von Engelbrechten, Fondsmanager Fidelity Germany Fund:

„Derzeit scheint eine rot-grün-rote Koalition unwahrscheinlich, was positiv für deutsche Unternehmen und die Kapitalmärkte ist.
Bei den wahrscheinlichen Koalitionen 'Jamaika' oder 'Ampel' werden sich aus Investorensicht die Rahmenbedingungen für die deutschen Unternehmen nicht dramatisch verändern. Ich erwarte, dass sich Trends wie eine expansivere Fiskalpolitik und mehr Investitionen in beispielsweise Klimaschutz und Digitalisierung fortsetzen werden.
Eine Ampel-Koalition könnte einen etwas größeren Ausgabenstimulus auslösen, der sich positiv auswirken wird. Auch Punkte wie ein höherer Mindestlohn wären für deutsche Unternehmen verkraftbar.
Eine Jamaika-Koalition könnte einen größeren Fokus auf die Ausgabendisziplin und geringere Staatsverschuldung legen. Auf der anderen Seite könnten sich weniger Regulierung und die Steuerpolitik positiv auswirken.“

„Turbo für den Wirtschaftsumbau“

Tobias Burggraf, Portfoliomanager bei Ethenea Independent Investors:

„Deutschland steht an einem Scheidepunkt, und die künftige Regierung wird die Zukunft des Landes entscheidend prägen. Nahezu alle Parteien haben sich die Digitalisierung und die Klimawende auf die Fahne geschrieben. Beides dürfte, wenn die künftige Regierung es schafft, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, als zusätzlicher Turbo wirken, um den Umbau der Wirtschaft voranzubringen und Deutschland fit für die Zukunft zu machen. Davon dürften dann auch die Kapitalmärkte profitieren.

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Die Finanzmärkte zeigen sich von der Aufregung rund um die Bundestagswahl gänzlich unbeeindruckt. Nachdem der Dax am Freitag rund 0,7 Prozent tiefer bei 15.530 Punkten geschlossen hat, handelt der Future vor Börsenöffnung wieder rund 0,60 Prozent im Plus. Das dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass es für die von der Wirtschaft gefürchtete Rot-Rot-Grüne Koalition am Ende doch knapp nicht gereicht hat. Dennoch sollten sich Anleger vor dem Hintergrund der noch völlig offenen Koalitionsverhandlungen auf volatilere Zeiten gefasst machen.“ 

„Deutschland bleibt politisch sicherer Hafen“

Foto: DZ Bank

Christian Kahler, Chefanlagestratege der DZ Bank:

„Am deutschen Aktienmarkt herrscht Erleichterung, der harte 'Linksruck' ist ausgeblieben. Ein Linksbündnis ist die einzige Regierungskonstellation, die als Belastung für den Aktienmarkt empfunden worden wäre. Ob es zu Jamaika, einer Ampel oder gar einer großen Koalition kommt, macht für die im Dax und anderen Indizes notierten Unternehmen kaum einen Unterschied. Zu international ist ihr Geschäft in den letzten Jahren geworden. Breit angelegte Steuermaßnahmen für Unternehmen, die den Markt tatsächlich hätten bewegen können, waren von den Parteien ohnehin nicht geplant. Klar ist aber auch, dass die Aktienmärkte Jamaika einer Ampel-Koalition vorziehen würden. Auf diese Weise gäbe es für den Markt weniger Berührungspunkte mit einer SPD-geführten Regierung, die vom Markt oft kritisch gesehen wird.

Für ausländische Investoren ist wichtig: Unabhängig vom Ausgang der Koalitionsverhandlungen bleibt Deutschland ein politisch sicherer Hafen in Europa. Einen polarisierenden Regierungschef wie Donald Trump in den USA oder Boris Johnson in Großbritannien wird es in Deutschland auch in Zukunft nicht geben. Ein Bundeskanzler Scholz oder Laschet stünde für Kontinuität in der deutschen Politik. Viele Deutsche würden sich sicherlich mehr Aufbruchsstimmung wünschen, aber internationale Investoren bevorzugen genau diese Kontinuität. Sie gibt ihnen die Sicherheit, dass deutsche Unternehmen auch in Zukunft wachsen und ihre Aktienkurse steigern können.

Die FDP und die Grünen haben in den vergangenen Wochen auffallend intensiv darüber gesprochen, wie sehr die Digitalisierung und der Klimawandel im Fokus stehen, nicht zuletzt, weil viele junge Wählerinnen und Wähler auf die beiden Parteien gesetzt haben. Umfangreiche Fördermaßnahmen für erneuerbare Energien scheinen beschlossene Sache zu sein. Das könnte einigen Unternehmen an der Börse Auftrieb geben. Details sind aber erst in einigen Monaten zu erwarten. Wir hoffen jedoch, dass sich hier keine neue Investitionsblase entwickelt, wie es vor gut zehn Jahren am deutschen Photovoltaikmarkt der Fall war.“