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In der Grauzone tätig: Was für Finfluencer gelten sollte

Sind Finfluencer nun ein Fluch oder ein Segen? Einerseits sorgen diese spezialisierten Influencer dafür, dass Finanzthemen im traditionell anlageaversen Deutschland einen sexy Anstrich bekommen. Und mehr Vermögensaufbau und private Altersvorsorge sind ökonomisch wünschenswert. Andererseits herrscht unter den selbst ernannten Finanz-Vorbildern Wildwuchs. Finfluencer kann jeder werden, der Lust und Muße hat, vor der Kamera über ein Finanzthema zu sprechen und den Film in sozialen Netzwerken zu posten. Oder über Finanzthemen zu bloggen. Gerade in der Corona-Pandemie, in der Menschen viel Zeit zu Hause und im Internet verbrachten, sind diese spezialisierten Influencer populär geworden.
Die Daten-Plattform Nindo, die Influencer als Werbebotschafter auch an Unternehmen vermittelt, zeichnet ein schmeichelhaftes Bild: Finfluencer „haben ein fundiertes Verständnis von Finanzkonzepten und -strategien und können dieses Wissen verständlich vermitteln“. Skeptischer äußert sich die Bafin. Dort erkennt man an, dass es in sozialen Netzwerken durchaus gute Informationen und Ratschläge zur Geldanlage gibt. „Allerdings kursieren dort auch unzählige falsche oder nur teilweise richtige Darstellungen“, schreibt die Finanzaufsicht auf ihrer Internetseite. Sie warnt: Viele Finfluencer würden sich mit Finanzen nicht auskennen, manche handelten auch aus unredlichen Motiven.
Ein Forschungsprojekt der HHL Leipzig Graduate School of Management gemeinsam mit der Fachhochschule St. Pölten und der österreichischen Medienagentur Paradots hat im Netzwerk Instagram 357 aktive deutschsprachige Finfluencer gezählt, mit gemeinsam mehr als zehn Millionen Followern. Rund vier von fünf seien männlich. Kernthema ihrer Kanäle seien besonders oft Einzelaktien (25 Prozent). Rund 5 Prozent fokussieren sich auf Geldanlage für Frauen. Die Hälfte der Akteure ist erst seit 2020 auf Instagram aktiv.

Breites Spektrum an Inhalten
Die Inhalte von Finfluencern bewegen sich in einer großen Bandbreite: Es gibt allgemeine Finanzinformationen oder Tipps, wie sich Investmentanfänger ein Portfolio zusammenstellen können. Einige Finfluencer stellen eigene Investment-Strategien vor und regen an, diese nachzubauen oder gleich mitzuinvestieren („Copy Trading“). Teils empfehlen sie Investments in so risikoreiche Werte wie CFDs (Finanz-Differenzkontrakte) oder Kryptowährungen. Geld verdienen sie über Affiliate-Marketing-Provisionen, Werbe- oder Sponsoring-Einnahmen. Einige bieten kostenpflichtige Finanz-Coachings an. Hinter einigen stehen auch – mehr oder weniger offensichtlich – Unternehmen.
Die Fachhochschule St. Pölten hat im vergangenen Jahr in einer gemeinsamen Untersuchung mit Paradots den Followern von Finfluencern auf Instagram den Zahn gefühlt. Befragt wurden 300 junge Erwachsene unter 35. Auch hier waren die Teilnehmer überwiegend männlich (87 Prozent) und hatten Abitur beziehungsweise die österreichische Matura (34 Prozent) oder einen Hochschulabschluss (48 Prozent).
Jeder zweite hatte schon ein Investment auf Rat eines Finfluencers getätigt. Wichtig bei Finfluencern, gaben die Befragten mehrheitlich zu Protokoll, sei ihnen deren sachliche Analyse. Allerdings sagten zwei von drei Befragten auch, dass sie Finfluencern folgten, weil sie deren Auftritte unterhaltsam fänden. Für jeden zweiten ist zudem die Persönlichkeit des Finfluencers entscheidend. Follower legen mithin auch großen Wert auf Unterhaltung.
Eine andere, viel beachtete Studie zum Thema ist das Swiss Finance Institute Research Paper No. 23-30 von drei US-Wissenschaftlern und einem Schweizer Kollegen. Die Forscher untersuchten 29.000 Finfluencer, die auf der Plattform Stocktwits aktiv waren. Diese teilten sie nach der Qualität ihrer Ratschläge in die Gruppen „skilled“, „unskilled“ und „anti- skilled“ – wobei die erste Gruppe Ratschläge gibt, die zu überdurchschnittlichen Anlageergebnissen führen (28 Prozent), die zweite neutral informiert (16 Prozent) und die dritte Gruppe Tipps auf Lager hat, die zu einer unterdurchschnittlichen Performance oder sogar zu Geldverlust führen.
Diese dritte Gruppe war mit 56 Prozent die deutlich größte. Die Forscher fanden auch heraus: Wer schädliche Investmentratschläge erteilt, hat durchschnittlich mehr Follower. Der Einfluss von Finfluencern kann somit finanziell auch schaden. Schlimmstenfalls kann er zu Totalverlusten führen, warnt die Bafin. Kein Wunder, dass der Ruf nach einer angepassten Regulierung immer lauter wird.
Die Bundestagsfraktion der Grünen hat kürzlich einen Zehn-Punkte-Plan an die EU-Kommission gesendet. Darin fordern die Vorsitzende des Bundestags-Digitalausschusses, Tabea Rößner, und die Verbraucherpolitikerin Linda Heitmann, das Influencer-Marketing strenger zu regulieren. Es sollte ein Werbeverbot für Finanzprodukte geben – ebenso wie für ungesunde Lebensmittel, Glücksspiel und medizinische Produkte. „Ich sehe hier durchaus einen Schutzbedarf, gerade bei der jungen Zielgruppe solcher Finfluencer“, findet auch der auf Medien spezialisierte Rechtsanwalt Thomas Fischl, Partner bei der Kanzlei Reed Smith.
Ihm zufolge starten die Probleme jedoch schon bei der Definition: Was einen Influencer ausmacht, ist rechtlich noch nicht übergreifend geregelt. Für ihre Tätigkeit setzen immerhin Urheberrecht, Markenrecht und das Wettbewerbsrecht aktuell schon einen Rahmen: „Vor allem das Wettbewerbsrecht enthält Regelungen, die in Bezug auf die Werbung von Influencern Transparenz fordern“, so Fischl.
So muss kommerzielle Kommunikation klar gekennzeichnet und von anderen Inhalten deutlich getrennt werden. Die Auftraggeber müssen klar identifizierbar sein. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) sieht vor, dass andernfalls Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können – von Mitbewerbern, Wettbewerbsverbänden oder Verbraucherschutzvereinen. Speziell auf Finfluencer bezogene Regeln existieren aber noch nicht.
Frankreich ist schon weiter
Eine strengere Regulierung gibt es in Deutschlands Nachbarschaft: Frankreich hat Mitte vergangenen Jahres ein Gesetz erlassen, das Influencer als eigenständige Berufskategorie definiert. Ihre Aktivitäten sollten unbedingt vertraglich festgehalten werden. Das Gesetz erfasst alle Influencer, die sich an ein französisches Publikum richten. Anbieter von außerhalb müssen einen Repräsentanten in einem EU-Land bestimmen und eine Haftpflichtversicherung abschließen.
„Im Fall von Schäden kann der Repräsentant haftbar gemacht werden und auf die Versicherung bei Schadenersatzansprüchen zurückgegriffen werden“, erläutert Fischl. Für bestimmte Produktkategorien dürfen Finfluencer in Frankreich zudem keine Werbung mehr machen, darunter Kryptowährungen. Bei Verstößen drohen bis zu 300.000 Euro Strafe oder zwei Jahre Haft.
Für ähnliche Regeln hierzulande könnte sich Rechtsanwalt Fischl allerdings nur teilweise begeistern: „Ein neues Gesetz wie in Frankreich scheint mir die Gefahr von Überregulierung mit sich zu bringen“, sagt er. Deutsche Gerichte setzten bislang auch eher auf Transparenz als auf Verbote, beobachtet er. Generell nicht schlecht findet Fischl die französische Idee eines Zertifikats für Finfluencer, das in Deutschland die Bafin vergeben könnte. Allerdings müssten Kriterien ersonnen werden, was „gute“ von „schlechten“ Finfluencern unterscheidet – ein nicht ganz leichtes Unterfangen.
Die EU-Kommission hat im vergangenen Mai den Entwurf für eine EU-weite Kleinanlegerstrategie vorgelegt. Damit will sie auch das Wirken von Finfluencern stärker kontrollieren. Sie fordert unter anderem, dass Wertpapierfirmen, die Influencer für Werbung bezahlen, auch dafür verantwortlich sein sollen, dass diese sich an die gesetzlichen Regeln halten.
„Schärfere Regelungen für Influencer-Marketing könnten auf dem europäischen Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act) aufsetzen“, schlägt Rechtsanwalt Fischl vor. Auf diesem Gebiet tut sich aktuell viel: Im März hat der Bundestag deutsche Detailregeln dazu verabschiedet.
Eine besondere Idee hat der Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Inno Invest, Stefan Schmitt. Er beobachtet, dass bei Finfluencern „die Grenzen zu einer aufsichtspflichtigen Wertpapierdienstleistung in Form der Anlagevermittlung oder Anlageberatung“ oft verwässern. Auch wenn regelmäßig gesagt oder geschrieben werde, dass es sich nicht um Anlageberatung handele: Viele Kanäle in Deutschland bewegten sich „rechtlich in einer sehr dunklen Grauzone“ – eine Gefahr sowohl für die Emittenten als auch die Finfluencer selbst.
Statt eines Verbots empfiehlt Schmitt, dass sich Finfluencer, die auch Produkte empfehlen, einem Haftungsdach anschließen könnten. „Die Verbraucher können sich dann darauf verlassen, dass die Inhalte seriös sind. Die Bafin ist zufrieden, weil die Compliance die Beiträge dauerhaft überwacht. Und die Finfluencer profitieren, weil sie mit einem Haftungsdach sicher sein können, dass sie nicht für ihre Inhalte haften“, wirbt Schmitt für seine Idee.
Erwähnt werden sollte, dass Inno Invest ein eigenes Haftungsdach betreibt. Ob sich Haftungsdächer jedoch in der Breite von der Idee überzeugen ließen, daran darf gezweifelt werden. Denn mit Blick auf ihre Haftungszusage prüfen sie ihre Partner vor Vertragsabschluss in der Regel gründlich auf Eignung und Verlässlichkeit. Das Modell, das Schmitt vorschlägt, dürfte, wenn überhaupt, nur für einen kleinen Kreis von Finfluencern mit echtem Finanzhintergrund bedeutsam sein.
Unisono heißt es einmal mehr von allen Seiten: Es sollte mehr Finanzbildung her. Denn wenn sich Verbraucher besser auskennen würden, könnten sie die Finanzangebote, auf die sie in sozialen Netzwerken stoßen, auch besser für sich selbst einordnen.
