Die USA unter Biden Was sich verändern dürfte – und wo Kontinuität in Sicht ist
Der Trubel rund um die US-Wahl 2020 hat sich gelegt – zumindest weitgehend. Vieles spricht für eine geteilte Regierung, in der die Demokraten den Präsidenten und die Republikaner die Mehrheit im Kongress stellen. Entsprechend erscheint eine Reflation infolge der expansiven Fiskalpolitik, die von den Märkten im Vorfeld der Wahl eingepreist worden war, auf kurze Sicht ebenso unwahrscheinlich wie Steuererhöhungen.
Wir gehen nach wie vor davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum im späteren Verlauf des kommenden Jahres dank einer Reihe neuer kleinerer Hilfspakete und einer Verbesserung der öffentlichen Gesundheitssituation wieder beschleunigt. Es wird aber noch eine Weile dauern, bis sich eine Erholung auf breiter Basis einstellt. Die Wirtschaftsaktivität wird vermutlich nicht vor Ende 2021 auf das Niveau von 2019 zurückkehren.
Gespaltener Kongress beschränkt Bidens Handlungsspielraum
Ohne einen demokratisch dominierten Kongress wird die Biden-Administration gezwungen sein, ihre politischen Prioritäten auf Bereiche auszurichten, in denen sich beide Parteien einig sind:
- Ein Covid-19-Rettungspaket: Wir gehen davon aus, dass es vermutlich erst 2021 zu einem Beschluss kommen wird und rechnen damit, dass Biden und der neue Kongress diesem Thema oberste Priorität einräumen. Zugleich erwarten wir, dass der Umfang der Programme wesentlich geringer ausfallen wird als noch vor wenigen Wochen angenommen – sie werden vermutlich rund eine Billion US-Dollar betragen.
- Arzneimittelpreise und Gesundheitswesen: Ihre Hoffnung auf ein umfassendes Gesundheitsgesetz können die Demokraten vermutlich von vornherein begraben, wenn sich der Senat in republikanischer Hand befindet. Eine Einigung über eine Reform der Rezeptgebühren verschreibungspflichtiger Medikamente und möglicherweise über ein umfangreicheres Gesundheitsgesetz ist aber denkbar, sofern sich der Oberste US-Gerichtshof gegen den Affordable Care Act ausspricht und den Kongress somit in Zugzwang bringt.
- Ein eher spärliches Infrastrukturgesetz: Der FAST Act soll 2021 genehmigt werden. Er sorgt dafür, dass dem Highway Trust Fund als Hauptmechanismus zur Finanzierung der US-Autobahnen Gelder zufließen. Er könnte als legislatives Vehikel dienen, um einen umfassenderen Gesetzesentwurf auf den Weg zu bringen; dieser wird aber nicht annähernd an die mehrere Billionen US-Dollar schweren klimabezogenen Infrastrukturgesetze heranreichen, auf deren Verabschiedung die Demokraten gehofft hatten. Außerdem gibt es eine überparteiliche Unterstützung für den Ausbau eines großen Breitbandnetzwerks.
Vom Tisch sein dürften im Falle eines gespaltenen Kongresses hingegen Steuererhöhungen: Die Steuerlast für Unternehmen und natürliche Personen sollte unverändert bleiben. Ebenfalls ist nicht damit zu rechnen, dass der Abzug der staatlichen und lokalen Vermögensteuer (SALT) wieder eingeführt wird.
Was kann Biden im Alleingang unternehmen?
Präsident Biden könnte über präsidiale Dekrete regieren – ein beliebtes Instrument, das bereits von Präsident Trump und anderen Präsidenten vor ihm ausgiebig eingesetzt wurde.
- Klimaschutz: Nach unserer Einschätzung wird der designierte Präsident verkünden, dass die USA dem Pariser Klimaabkommen unmittelbar nach seinem Amtsantritt wieder beitreten. Anschließend könnten Dekrete folgen, die Trumps Anpassungen der Vorschriften für Kraftstoffeffizienz und der Emissionsbeschränkungen zurücknehmen.
- Einwanderung: Biden wird sich vermutlich darauf konzentrieren, viele der Maßnahmen rückgängig zu machen, die während der Amtszeit seines Vorgängers in Kraft gesetzt wurden – von einer Aufhebung des Visumverbots für Einreisende aus überwiegend muslimischen Ländern bis hin zu einer Einstellung der Arbeiten an der Grenzmauer zu Mexiko.
- Gesundheitswesen: Biden könnte den Affordable Care Act stärken, indem er allen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, wieder Zugang zum Krankenversicherungsmarkt verschafft. Daneben sind Anreize für Bundesstaaten möglich, die eine Ausweitung von Medicaid in Aussicht gestellt haben.
- Finanzmarktregulierung: Die Biden-Regierung dürfte bei der Regulierung der Finanzbranche ein etwas restriktiveres Verhalten an den Tag legen. Zur Besetzung vieler wichtiger Positionen, unter anderem in der Führungsspitze der US-Notenbank, ist allerdings eine Bestätigung des Senats erforderlich. Das wird vermutlich eine Nominierung gemäßigter Kandidaten zur Folge haben.