- Thema:
- Denker der Wirtschaft
DZ-Bank-Spezialist
Was hinter der Gamestop-Spekulation steckt
Christian Kahler

Verantwortet die Aktienstrategie der DZ Bank: Christian Kahler. Foto: DZ Bank
Spekulierende Kleinanleger haben an den US-Börsen jüngst für Verwerfungen gesorgt. Einige Online-Broker sperren mittlerweile den Handel mit bestimmten Wertpapieren. Langfristig dürfte der Ruf nach stärkeren dezentralen Finanzmärkten zunehmen, schätzt DZ-Bank-Analyst Christian Kahler.
Bitte registriere dich oder log dich ein, um Artikel aus der Reihe Denker der Wirtschaft lesen zu können.
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
Da diese Artikel nur für Finanzprofis gedacht sind, bitten wir dich, dich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
In einer der größten Hedgefonds-Rettungsaktionen seit dem Fall von Long-Term Capital Management (LTCM) 1998 wurde in dieser Woche die Firma Melvin Capital vor dem Ruin gerettet. Die Firma hatte zuvor auf stark fallende Kurse verschiedener Aktien wie Gamestop (Verkauf von Videospielen) oder AMC Entertainment (Kinos) spekuliert. Beide Unternehmen hatten zuletzt stark unter der Corona-Krise und dem strukturellen Trend zu Online-Medien gelitten, so dass die Wetten auf fallende Kurse lukrativ erschienen. Doch der organisierte Widerstand zahlreicher Kleinanleger, organisiert über die Internetplattform Reddit, machte die Strategie des Hedgefonds innerhalb weniger Tage zunichte.
Die Investoren sprachen sich untereinander ab und trieben mit jeweils kleinen Käufen die Kurse besagter Aktien in die Höhe. Da aus verschiedenen Gründen mehr Gamestop-Aktien leerverkauft wurden, als tatsächlich vorhanden waren, kam es zum sogenannten Short Squeeze, und Melvin Capital musste offene Positionen zu dramatisch höheren Preisen eindecken.
Angesichts der parabolischen Kursentwicklung fühlten sich Marktbeobachter hierzulande an die Kursexplosion der VW-Aktie im Jahr 2008 erinnert. In der Folge erlitt der Fonds hohe Verluste, die durch eine Finanzspritze von 2,75 Milliarden US-Dollar von anderen Hedgefonds (Citadel, Point72) ausgeglichen werden mussten.
Die sich verbreitenden Kursspekulationen um Aktien wie Gamestop, AMC Entertainment, Nokia oder hierzulande Varta beruhen auf einem koordinierten Vorgehen von Privatanlegern gegen Hedgefondsmanager und Analystenboutiquen, die auf fallende Kurse setzen. Die Wut der Kleinanleger, die hauptsächlich aus den USA stammen, sitzt tief. Viele der Anleger sind Kunden des Online-Brokers Robin Hood. Dieser wiederum ist dafür bekannt geworden, dass er regelmäßig die Orders seiner Kunden als Liquiditätsfluss an die bereits erwähnten Hedgefonds-Firmen weiterverkauft.
Hinzu kommt, dass zwar die Finanzindustrie im Allgemeinen (übrigens auch die Analysten) durch die Regulierung immer mehr in die Schranken gewiesen wurde – teils durchaus fragwürdige Leerverkäufer oder Hedgefonds-Manager, die auf fallende Kurse wetten. Trotzdem dürfen sie weiterhin ihre Schreckensszenarien in den Medien verbreiten. Zudem haben in den USA, anders als bei den großen Hedgefonds, Kleinanleger nur selten Zugang zu lukrativen Neuemissionen.
Über den Autor