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Aktualisiert am 31.08.2021 - 09:02 Uhrin Tipps & RatgeberLesedauer: 5 Minuten

Finanzberater erläutert Umzug nach Immobilienkauf – und nun?

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Nicht besser und nicht schlechter bedeutet konkret, dass die Bank zwei Szenarien prüft:

  1. Entgangener Zinsertrag: Die Bank hätte für die ersten zehn Jahre einen Anspruch auf Zinsen. Wird das Darlehen vorzeitig zurückgeführt, darf die Bank den entgangenen Zinsertrag in Rechnung stellen. Dabei muss sie mögliche Sondertilgungen zu Gunsten der Darlehensnehmer berücksichtigen.
  2. Wiederanlageschaden: Der Wiederanlageschaden ergibt sich aus der Situation, dass die Bank unplanmäßig das Darlehen zurückerhält und dieses zu aktuellen Konditionen erneut anlegen muss. Dies führt in der Regel dazu, dass vorzeitige Darlehensrückführungen im Zuge einer Umschuldung selten sinnvoll sind – denn das, was der Darlehensnehmer an Zinsen einspart, berechnet seine Bank als Wiederanlageschaden. Spannend in diesem Fall ist, dass die Zinskonditionen vor einem Jahr günstiger waren als die aktuellen (momentan etwa 0,3 bis 0,5 Prozent höher). Das heißt, wenn die Bank das zurückerhaltene Kapital wieder in Form eines Darlehens anlegen würde, erhielte sie sogar bessere Konditionen. Aus einem vermeintlichen Wiederanlageschaden ergäbe sich so ein Wiederanlageertrag. Das ist sehr theoretisch, aber dennoch ein spannender Sachverhalt!

Auf Anfrage bei der finanzierenden Bank ergäbe sich in unserem Fall eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von etwa 46.000 Euro.

Option 2 – Immobilie behalten und vermieten

Diese Option kommt für die Familie nicht infrage – obwohl sie so ihr Vermögen vermehren könnte. Da der künftige Wohnort rund 500 km von Nürnberg entfernt ist und Familie Muster nicht mit einer Rückkehr plant, möchte sie sich nicht über die Distanz hinweg um die Wohnung und die Mieter kümmern.

Option 3 – Eine Ersatzimmobilie kaufen und einen Pfandtausch des Darlehens durchführen

Die Familie zieht einen sogenannten Pfandtausch, auch Objekttausch genannt, in Betracht. Voraussetzung dafür ist, dass sie zeitnah ein neues Objekt findet – und das ist in Anbetracht der aktuellen Situation auf dem Immobilienmarkt durchaus herausfordernd. Gesucht wird ein passendes Objekt in der neuen Wahlheimat. Dieses ist im Idealfall ungefähr so viel wert wie das aktuelle Objekt bzw. die aktuelle Restschuld. Familie Muster könnte in diesem Fall einfach die eingetragene Grundschuld vom Notar überschreiben lassen. Dies kostet eine Gebühr für den Notar (ca. 0,5 bis 0,8 Prozent des Betrags), zudem verlangt die finanzierende Bank eine Bearbeitungsgebühr von etwa 280 Euro. Der Vorteil liegt in der schnellen und einfachen Umsetzung. 

Komplizierter wird es, wenn das neue Objekt günstiger oder teurer ist als das besicherte Objekt. Sollte es günstiger sein, wird das bisherige Darlehen in der aktuellen Höhe nicht benötigt und entspricht somit einer Teilrückzahlung, für die eine Vorfälligkeitsgebühr anfallen könnte. Bei meinen Kunden ist jedoch das Gegenteil der Fall – sie führen Gespräche über den Erwerb einer neuen Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 710.000 Euro und liegen somit über dem aktuellen Objektwert. Finanziert werden soll der höhere Kaufpreis durch die Neuaufnahme einer Darlehenstranche über die KfW über 150.000 Euro, denn das neue Objekt ist förderfähig. Den Restbetrag finanzieren sie aus bestehendem Eigenkapital und durch den Verkauf der Immobilie in Nürnberg.

Zwei Sachen gilt es hier zu beachten:

  1. Durch die Neuaufnahme des Darlehens ist eine vollständige Bonitäts- und Objektprüfung erforderlich. Dies sollte für meine Kunden allerdings kein Hindernis darstellen.
  2. Der zeitliche Ablauf ist wichtig: Um eine teure Zwischenfinanzierung zu vermeiden, sollte erst die bestehende Immobilie veräußert, dann die neue Immobilie gekauft werden.

Diese Beispiel aus der Praxis zeigt: Lebenssituationen ändern sich hin und wieder, das ist völlig normal und kein Grund zur Sorge. Auch für kompliziertere Fälle, etwa wenn Immobilienbesitz mit im Spiel ist, können individuelle und passende Lösungen gefunden werden. Familie Muster hat sich schlussendlich übrigens für Option 3 entschieden – und freut sich jetzt auf ihren Neustart in der neuen „alten“ Heimat.


Albin Abdic
Foto: MLP

Über den Autor:

Albin Abdic ist Diplom-Betriebswirt und seit 2004 Berater bei MLP in Nürnberg. Seit 2014 ist er als Certified Financial Planner (CFP) zertifiziert. Beim Wettbewerb „Finanzberater des Jahres“ des Euro-Magazins erreichte Abdic 2020 den dritten Platz in der Gesamtwertung.

Wir präsentieren kontinuierlich Beispiele aus der Beratungspraxis. Wir schauen dabei erfolgreichen CFP-Zertifikatsträgern bei MLP über die Schulter – unter anderem bei Beratungen zu Praxisgründungen, Ruhestandsplanungen, Depotanalysen und Immobilienfinanzierungen. Tipps und Tricks inklusive.

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