Lebensversicherungen Was Vermittler über Solvenzquoten wissen müssen
Solvenzquoten im Versicherungsvertrieb
Für Versicherungsmakler ersetze der Blick auf die Solvenzquote also nicht die fundierte Analyse eines Anbieters. Dazu gehörten beispielsweise künftige Ertragsquellen, betont Jörg Schulz vom Kölner Institut für Finanz-Markt-Analyse (Infinma): „An erster Stelle sollte immer die Auswahl eines geeigneten Produkts stehen, welches der Kunde auch wirklich benötigt und das seinen Ansprüchen und Bedürfnissen gerecht wird“, sagt Schulz.
Im zweiten Schritt sei es dann aber nicht falsch, sich bei mehreren geeigneten Produkten für einen Anbieter mit guter Solvenzquote zu entscheiden. Beim direkten Vergleich müssen Finanzberater dem Infinma-Chef zufolge aber stets darauf achten, die richtigen Quoten gegenüberzustellen – also am besten jene ohne ÜM und VA. Denn trotz der berechtigten Kritik, dass es sich bei den Verhältniszahlen nur um den Stand am jeweiligen Stichtag handelt, müssten alle Lebensversicherer ihre Berichte immerhin nach dem gleichen Muster...
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Solvenzquoten im Versicherungsvertrieb
Für Versicherungsmakler ersetze der Blick auf die Solvenzquote also nicht die fundierte Analyse eines Anbieters. Dazu gehörten beispielsweise künftige Ertragsquellen, betont Jörg Schulz vom Kölner Institut für Finanz-Markt-Analyse (Infinma): „An erster Stelle sollte immer die Auswahl eines geeigneten Produkts stehen, welches der Kunde auch wirklich benötigt und das seinen Ansprüchen und Bedürfnissen gerecht wird“, sagt Schulz.
Im zweiten Schritt sei es dann aber nicht falsch, sich bei mehreren geeigneten Produkten für einen Anbieter mit guter Solvenzquote zu entscheiden. Beim direkten Vergleich müssen Finanzberater dem Infinma-Chef zufolge aber stets darauf achten, die richtigen Quoten gegenüberzustellen – also am besten jene ohne ÜM und VA. Denn trotz der berechtigten Kritik, dass es sich bei den Verhältniszahlen nur um den Stand am jeweiligen Stichtag handelt, müssten alle Lebensversicherer ihre Berichte immerhin nach dem gleichen Muster erstellen.
Daten sehr unterschiedlich verwendet
Die daraus abzulesenden Daten würden laut Schulz allerdings sehr unterschiedlich verwendet: „Die Veröffentlichung von Policen Direkt unterscheidet sich sehr wohlwollend von den oft sehr verkürzten und plakativen Darstellungen von Medien oder Verbraucherschützern.“
Damit spielt er auf die jüngst wiederholten Unkenrufe des Vorstandssprechers des Bunds der Versicherten (BdV) an. „Ein Viertel der deutschen Lebensversicherer ist angezählt“, hatte Axel Kleinlein die Ergebnisse einer aktuellen Analyse zusammengefasst, die er im Juni gemeinsam mit dem Unternehmensberater Carsten Zielke der Öffentlichkeit vorstellte. Demnach hätten 23 Lebensversicherer ernste Probleme, weil sie eine geringe Solvenz aufweisen oder finanzielle Verluste erwarten.
Erstmals „Solvenz ohne Kundengelder“
„Was sich bereits in den Untersuchungen der letzten Jahre offenbart hat, wird nun immer mehr zu einer massiven Verwerfung, die die Branche strukturell verändern dürfte“, blickt Kleinlein voraus. Das zeige die erstmals ermittelte „reine Solvenz ohne Kundengelder“ (siehe Grafik unten).
„Würden die Versicherten tatsächlich alle die ihnen gehörenden Überschüsse ausgezahlt bekommen, dann ist mehr als die Hälfte der Versicherer angezählt“, steht für den Verbraucherschützer fest. Die Folge: „Einige Versicherer werden die nächsten Jahre nicht überleben.“ Weniger dramatisch wirken die gegenüber der Finanzaufsicht ausgewiesenen Solvenzquoten, bei der alle untersuchten Anbieter über die 100-Prozent-Grenze kommen.
Bei 17 Gesellschaften steht die BdV-Ampel für die Testkategorie Solvenz auf Grün (siehe Tabelle unten). Mehr als die Hälfte aller Untersuchten halte sogar viel mehr Geld als notwendig zurück. Das treffe auf zehn Lebensversicherer mit starkem Biometrie-Geschäft zu. Bei 14 klassischen Anbietern und fünf Run-off-Gesellschaften stehe die Ampel hingegen auf Rot: Die Eigenmittel seien so gering, dass dringender Handlungsbedarf bestehe.
Die erst seit 2016 berechneten Solvenzquoten deutscher Lebensversicherer sanken 2020 zwar branchenweit auf einen neuen Tiefpunkt, gibt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu. Doch: „Kein Kunde muss sich Sorgen um seine Lebensversicherung machen. Die garantierten Leistungen sind gesichert. Das geht auch aus Prognoserechnungen der Bafin hervor“, kommentiert Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen die Warnhinweise. Die Solvenz der deutschen Lebensversicherer sei nachweislich besser als von Kleinlein und Co. dargestellt.
Deren „Methodik ist willkürlich, denn der BdV stützt seine Aussagen zur Lebensversicherung auf eine von Zielke Research Consult selbst ermittelte Solvenzquote“, kritisiert Asmussen. Diese „reine“ Quote ergänzt nun erstmals eine von den Verbraucherschützern berechnete Kennzahl ohne den Effekt der noch nicht zugewiesenen Überschüsse, die laut BdV zu 100 Prozent den Versicherten gehören. „Der Kniff, die Kundengelder als Eigenmittel-Ersatz zu verwenden, ist eine der drei Säulen des legalen Betrugs der Lebensversicherung zur Altersvorsorge“, poltert Kleinlein.
Argumentation des BdV „völlig absurd“
Auf Widerspruch stößt der langjährige Branchenkritiker mit dieser Argumentation jedoch bei Herbert Schneidemann. Denn sie sei „völlig absurd“ und könnte zu Fehlinterpretationen führen, so der Vorstandsvorsitzende der Versicherungsgruppe die Bayerische, der seit diesem Jahr auch die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) führt. Konkret stünden „Töchter starker Gruppen völlig ungerechtfertigt am Pranger“. Deren jeweilige Muttergesellschaft im Konzern solle „nicht unendlich viel Geld in Tochtergesellschaften investieren, nur um die Solvenzquote zu steigern“.
So könne die Konzerntochter Bayerische Beamten Lebensversicherung zwar mit Leichtigkeit eine Solvenzquote von über 100 Prozent erreichen. Aber: „Es wäre Unsinn, wenn wir unsere Kapitalanlagen dafür jetzt unprofitabler machen würden.“ Die Rechnung für eine symbolhaft höhere Solvenzquote zahlten die Kunden durch niedrigere Überschussbeteiligungen – „und das ist ganz sicher nicht in ihrem Interesse“.
Außerdem betont auch er, dass der alleinige Blick auf eine einzelne Kennzahl zu einer verkürzten Sicht führe. Rating-Agenturen wie Assekurata schauten sich für ihre Urteile über einzelne Gesellschaften daher viele weitere Bilanzposten an. „Grundsätzlich sehe ich es positiv, dass die Solvenzberichte der deutschen Lebensversicherer durch die Publikationen des BdV stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken“, so Schneidemann abschließend. Dies dürfe aber nicht allein mittels reißerischer Überschriften geschehen, die vom Untergang der Branche künden.