Marktkommentar Was Versicherer bei der Preisgestaltung beachten sollten
Die anhaltend hohe Inflation frisst bei Versicherern in vielen Bereichen die Gewinne auf. Die richtige Pricing-Strategie wird für die Versicherer daher auch in den kommenden Monaten einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren sein. Doch damit Kunden steigende Preise akzeptieren, müssen Versicherer an den richtigen Stellen ansetzen. Für die Unternehmen heißt es daher: Den Pricing-Schirm aufspannen und Gewinne schützen. Welche Chancen Versicherer durch strategisches Pricing in Geschäftserfolg umwandeln können, hat Simon-Kucher in einer aktuellen Studie ermittelt.
Sachversicherungen vom Sparzwang der Kunden kaum betroffen
Die Studie zeigt, dass zwar fast jeder zweite Kunde seine Sparbemühungen im Vergleich zum Vorjahr erhöhen muss, doch Sachversicherungen bleiben davon noch größtenteils verschont. Lediglich 24 Prozent der Befragten wollen bei ihren Versicherungen zusätzlich sparen. Versicherer haben jetzt also die Möglichkeit, dringend notwendige Preiserhöhungen durchzusetzen – und das sowohl bei Neu- als auch Bestandskunden.
Preiserhöhungen testen und nach Kundengruppen differenzieren
Dabei sollten die Versicherer strategisch und smart vorgehen: Übertreiben sie es mit den Preiserhöhungen, steigt die Stornoquote deutlich an. Um herauszufinden, wo der goldene Wert liegt, ist es sinnvoll, zuvor mit ausgewählten Bestandskunden einen Vorabtest durchzuführen. So können Versicherer für unterschiedliche Kundengruppen verschiedene Muster herausarbeiten.
Ein Beispiel aus unserer Praxis macht dies deutlich: Mithilfe eines differenzierten Vorgehens und der Abkehr vom Gießkannen-Prinzip konnte ein Versicherer die Prämie um beinahe vier Prozent erhöhen – ohne dass es dabei zu zusätzlichen Stornos kam. All diese Schritte fanden außerdem unter Einhaltung der entsprechenden Regularien statt. Versicherer, die ihre Preiserhöhungen schlicht anhand der erforderlichen Mindesterhöhungen festlegen, würden hingegen Gefahr laufen, entweder ihr Margenpotenzial nicht auszuschöpfen oder Kunden zu verlieren.
Wie man Rabatte richtig einsetzt
Rabatte sind beim Pricing ein wichtiges Instrument. Richtig eingesetzt, können sie Versicherern dabei helfen, Kunden für sich zu gewinnen oder an sich zu binden, die Auswirkungen der Inflation abzufedern oder Preiserhöhungen durchzusetzen. Allerdings hängen die Rabatte häufig stark von den Gewohnheiten und dem Bauchgefühl der Vermittler ab. Viele Vermittler würden Rabatte etwa fast ausschließlich in Fünf-Prozent-Schritten vergeben. Dabei berücksichtigten sie jedoch nicht, welchen Einfluss der Preisnachlass auf die Kaufentscheidung hat, wie eine Basis-Studie unseres Beratungsunternehmens zeigt. Mit zu hohen Rabatten und zu wenig Marge ist das Ergebnis dann leider zum Nachteil der Versicherer.
Im Gegenzug sind die positiven Auswirkungen eines gut gemachten Pricings immens hoch. Bevor sie also blindlings Rabatte vergeben, sollten Versicherer vorab analysieren, welche Rabatte tatsächlich richtig und wichtig sind, um den Kunden zu binden oder das Geschäft mit ihm zu erweitern. Dafür gilt es im ersten Schritt festzulegen, welche Verträge die Versicherung mit dem Kunden abschließen möchte und welche Rabatte sich dafür eignen.
Hallo, Herr Kaiser!
Dass sich das lohnt, zeigt ein Beispiel: Ein Versicherer, der es schafft, ein Prozent weniger Rabatt zu gewähren, kann bei einer Schaden-Kosten-Quote von 95 Prozent seinen Gewinn um 20 Prozent steigern. Nichtsdestotrotz darf neben den geschäftspolitischen Vorgaben aber auch ein Stück Bauchgefühl aufseiten der Vermittler nicht fehlen – der Mix macht es.
Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt beim Pricing eine immer wichtigere Rolle. Für einen Versicherer in Skandinavien haben wir etwa ein neues Gebäudeversicherungsprodukt entworfen und grüne Bausteine hinzugefügt. Das Ergebnis: Die Kunden sind bereit, für ein nachhaltigeres Vorgehen im Schadensfall mehr zu bezahlen. Was dazu führte, dass der Versicherer eine um elf Prozent höhere Durchschnittsprämie erzielen konnte als bei einem traditionellen Zuschnitt des Produkts.
Leistung statt Preis in den Fokus rücken
Beim Pricing kommt es besonders darauf an, dem Kunden den Wert der Leistung zu vermitteln. Der Preis sollte im Beratungsgespräch eine untergeordnete Rolle spielen. Doch das ist gar nicht so einfach, denn die Kunden sind meist gut informiert und haben klare Preisvorstellungen. Vor diesem Hintergrund haben wir die Erfahrung gemacht, dass der Fokus auf dem Mehrwert des Produkts sowie der Einsatz von standardisierten Mailing-Vorlagen, ein Quiz und Social Proofing vor dem Gespräch das Cross- und Up-Selling steigern – und das ohne bedeutenden Mehraufwand für den Vertrieb. So war in 90 Prozent der Beratungsgespräche das Quiz anschließend ein Thema, die Preisdiskussionen nahmen hingegen ab.
Unter dem Strich ist es für Versicherer mit Blick auf Inflation und Preisanpassungen wichtiger denn je, eine smarte Pricing-Strategie umzusetzen. Was bedeutet: Die Gewohnheiten bei den Rabatten müssen abgelegt und ein faktenbasierter Ansatz gewählt werden. Sonst bleiben Margen- und Gewinnpotenziale ungenutzt. Eine echte Monetarisierungschance sehen wir im Bereich ESG. Versicherer müssen hier die Produkte und Features in den Vordergrund rücken, die dem Kunden wirklich wichtig sind.
Entscheidend ist außerdem, dass im Kundengespräch weniger über den Preis und mehr über die Leistung gesprochen wird. Versicherer, die all das in ihrer Pricing-Strategie beachten, haben die Möglichkeit, die aktuell herausfordernde Lage gut zu meistern und sogar für die Zukunft gestärkt aus ihr hervorzugehen.