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Mehr als nur Internet Web 3.0 und die entstehenden Anlagegelegenheiten

Übergabe einer Normungs-Roadmap an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf dem Digitalgipfel 2022 in Berlin
Übergabe einer Normungs-Roadmap an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf dem Digitalgipfel 2022 in Berlin: Der Marktanteil der sechs führenden Tech-Unternehmen hat die Marke von 11 Billionen US-Dollar überschritten; mehr als ein Viertel des Werts des S&P 500 Aktienindex. | Foto: Imago Images / Mike Schmidt

Mehr als 500.000 Tweets, 700.000 Stunden YouTube-Videos, 5,7 Millionen Google-Suchen und 44 Millionen Facebook-Live-Views. Das ist die ungeheure Aktivität, die Minute für Minute online stattfindet. Eine Unmenge, die zu den 44 Zettabyte an Daten – das ist eine 44 gefolgt von 21 Nullen – hinzukommt, die die Welt seit Beginn der Internet-Ära erzeugt hat.

Daten sind heute die Grundlage unseres sozialen und wirtschaftlichen Lebens. Vor allem Big Data sind zu einer unverzichtbaren Ressource geworden, die es Unternehmen ermöglicht, mit ihren Kunden zu interagieren, und öffentlichen Verwaltungen, mit ihren Bürgerinnen und Bürgern zu kommunizieren. Dennoch wächst die Sorge, dass die Digitalwirtschaft in ihrer derzeitigen Form – gestützt auf Plattformen, die von einer Handvoll großer Technologieunternehmen kontrolliert werden – die Ungleichheit befeuert und nicht den versprochenen gesellschaftlichen Nutzen liefert.

Der Druck zu überdenken, wie die Welt das Internet betreibt und kontrolliert, wächst. Und die Ideen dafür, die langsam Gestalt annehmen, sind weit mehr als nur ein Upgrade. Allmählich bildet sich eine neue Generation – das Web 3.0 – heraus und könnte die digitale Welt grundlegend verändern. Sie verspricht einen völlig neuen Rahmen, der es der Gesellschaft und der Technologie ermöglicht, demokratisierter, inklusiver und sicherer zu interagieren.

Diese Neukonzeption des Internets könnte auch die Transformation digitaler Netzwerke in voll funktionsfähige Wirtschaftssysteme beschleunigen, in die immer größere Teile der physischen Welt einbezogen werden. Wenn Web 3.0 seine Versprechen hält, wird es auch die Investmentlandschaft unweigerlich neu konfigurieren. Wirtschaftlicher Wert und Kapital könnten sich von den heutigen Technologieriesen zu einer neuen Spezies von Unternehmen und digitalen Anlageklassen verlagern.

Entstehung des Internets der nächsten Generation

Im heutigen Internet, dem Web 2.0, erzeugen Nutzer Inhalte in einem zentralen Ökosystem, das von einer Handvoll Technologieriesen betrieben und kontrolliert wird. Diese Unternehmen, denken wir nur an Meta, Twitter und Alphabet, haben das Internet nach ihren Vorstellungen geformt und profitieren enorm von diesem Setup, finanziell und auch sonst.

Der kombinierte Marktanteil der sechs führenden Technologieunternehmen hat mittlerweile die Marke von 11 Billionen US-Dollar überschritten, das entspricht mehr als einem Viertel des Werts des S&P 500 Aktienindex. Die Umsätze dieser Unternehmen stellen sogar die Wirtschaftsleistung vieler Volkswirtschaften in den Schatten.

In den ersten Phasen ihrer Expansion gelang es den Internetgiganten, sich jeglicher Kontrolle zu entziehen, da sowohl Verbraucher als auch Regierungen von ihrem Erfolg profitierten. In den vergangenen Jahren sind jedoch die schädlichen Nebenwirkungen ihres weitreichenden wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Einflusses – Zerstörung der Privatsphäre, Zensur, verstärkte Überwachung und monopolistische Geschäftspraktiken und Gewinne – deutlich zutage getreten, sodass der Ruf nach ihrer Zerschlagung immer größer wird. Vor diesem Hintergrund nehmen die Bemühungen um eine andere Version des Internets Fahrt auf.

Tokenomik

Das von dem englischen Computerwissenschaftler Gavin Wood im Jahr 2014 erstmals zur Sprache gebrachte Web 3.0 soll die Vorzüge früher Open-Source-Versionen des Internets mit der Blockchain-Technologie kombinieren, um den Nutzern mehr Freiheit und Kontrolle über ihre Daten zu geben.

Anders als im Internet, wie wir es heute kennen, wird die zukünftige Version nichts mehr mit zentralisierten „Torwächtern“ wie Suchmaschinen und Social-Media-Plattformen am Hut haben. Stattdessen wird der Schwerpunkt auf Peer-to-Peer-Interaktionen liegen, die jedem Nutzer vollständige Autonomie und Kontrolle geben. Um das zu erreichen, ist in Web 3.0 ein Mechanismus integriert, der den Nutzern Anreize gibt, über die Zahlung von Token zum Netzwerk beizutragen und daran teilzunehmen.

 

Neue Anwendungen werden auf Netzwerken wie Ethereum basieren, und der Austausch von Token wird mit digitalen Währungen wie Bitcoin möglich. Token bieten den Nutzern die Möglichkeit, einen Teil des Netzwerks zu besitzen – mit anderen Worten, es werden digitale Eigentumsrechte übertragen. Außerdem ermöglichen Token es den Nutzern, sich zusammenzuschließen und auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, wie zum Beispiel den Ausbau des Netzwerks. Die wachsende Beliebtheit reiner Token-Transaktionen und das Aufkommen nicht fungibler Token (NFT) könnten sich als bedeutende Entwicklungen erweisen – nicht nur für Web 3.0, sondern auch für die breitere digitale Wirtschaft.

So wie die Festigung privater Eigentumsrechte im 19. Jahrhundert den Grundstein für Besitz, Übertragung von Eigentum und besicherte Kreditaufnahme gelegt hat, könnten tokenisierte digitale Eigentumsrechte die digitalen, virtuellen Netzwerke zu einem eigenständigen Wirtschaftssystem machen.

Web 3.0 und Hyperrealität

Vor mehr als 40 Jahren stellte der französische Soziologe Jean Baudrillard sein Konzept der „Hyperrealität“ vor, eine Verschmelzung von physischer und simulierter Realität.

Seitdem wurden zahlreiche Versuche unternommen, seine Ideen in etwas Greifbareres umzusetzen, aber keiner davon war besonders erfolgreich. Doch mit der Herausbildung von Web 3.0 und der Tokenisierung könnten die Ideen von Baudrillard nun endlich konkrete Formen annehmen.

Zusammen haben diese neuen Betriebssysteme und Technologien das Potenzial, der Dominanz der heutigen Technologiegiganten ein Ende zu bereiten und dadurch neue Investmentmöglichkeiten zu schaffen. Dazu müssen jedoch erst einmal einige Klippen umschifft werden. Eine davon ist der Rechtsrahmen. Digitale Eigentumsrechte und Eigentum müssen gerichtlich durchsetzbar sein. Unter Rechtsexperten ist nicht klar, ob sie den gleichen Status genießen wie physische Eigentumsrechte.

Ein weiteres Problem ist die Sicherheit. Die mit Web 3.0 verbundenen Cybersicherheitsrisiken sind potenziell größer als bei physischen Werten, weil sich die Assets in einer offenen und zentralisierten Cyberwelt befinden. Die Bedrohungen durch Hackerangriffe, Datenmanipulation und Datenschutzverletzungen sind beträchtlich. Bei der auf Gaming ausgerichteten Blockchain-Plattform Ronin Network wurden beispielsweise rund 600 Millionen US-Dollar an digitalen Token und Coins bei einem der bislang größten Hackerangriffe in der Kryptowährungsbranche gestohlen.

Eine dritte Sorge ist die ungeheure Menge an Kapital, die in die Branche fließt. Im Rückblick auf den Dotcom-Boom Ende der 1990er-Jahre nehmen Ängste zu, dass viele der Technologien, in die investiert wird, letztendlich nicht so wirtschaftlich sind, wie es auf den ersten Blick erscheint. Es droht die Bildung einer Blase.

Den Risiken stehen jedoch auch große Chancen gegenüber. Ein Internet, das offener, immersiver und zugänglicher ist als die aktuelle Version, könnte der Technologiebranche neue Dynamik geben und eine Fülle neuer Investmentmöglichkeiten eröffnen.

Einblicke für Investoren

Das Angebot an „Pure-play“-Investments in Web 3.0 und das Metaverse sind nach wie vor begrenzt, aber im Bereich Gaming und digitale Infrastruktur gibt es bereits Anlagegelegenheiten.

  • Gaming. Der Videospielmarkt hat bereits vor Covid eine Brücke zwischen virtueller und physischer Welt geschlagen. Die Pandemie hat diese Entwicklung allerdings verstärkt, da Kontaktbeschränkungen dazu geführt haben, dass Spieler sich über In-Game-Events- und -Aktivitäten vernetzt haben. Der Gaming-Markt dürfte bis 2023 um 8 Prozent pro Jahr auf mehr als 200 Milliarden US-Dollar anwachsen, nachdem er in den drei Jahren bis 2020 ein jährliches Wachstum von insgesamt rund 13 Prozent verzeichnete. Bis 2023 soll die Zahl der weltweiten Gamer bei 3,2 Milliarden liegen, das sind fast 60 Prozent mehr als 2015.
  • Edge Computing. Die Vision einer gerechteren Gesellschaft von Web 3.0 führt auch zu einer Demokratisierung des Umgangs mit Daten. Das Datenmanagement verlagert sich von zentralisierten Rechenzentren „an den Rand“ beziehungsweise zu Instanzen, die näher an der Quelle der Datenerzeugung angesiedelt sind, sodass die mit dem Cloud-Computing verbundene Latenz überwunden wird. Daten werden verschlüsselt und an mehreren Standorten oder Knoten gespeichert, die von Einzelpersonen oder Unternehmen betrieben werden, die Festplattenspeicher gegen eine Gebühr zur Verfügung stellen. Prognosen zufolge werden 2025 etwa 50 Prozent der von Unternehmen verwalteten Daten außerhalb traditioneller Rechenzentren oder der Cloud erstellt und verarbeitet werden, gegenüber 10 Prozent im Jahr 2018.
  • Virtual Reality (VR). Die VR-Branche, die jetzt schon einen Wert von 22 Milliarden US-Dollar hat, wird zwischen 2022 und 2030 voraussichtlich um 15 Prozent pro Jahr wachsen. Die Technologie bietet den Nutzern ein immersives Erlebnis mit Gadgets wie Headsets, Handschuhen oder Brillen und ist nicht mehr nur auf den Gaming- und Unterhaltungssektor beschränkt. Vielmehr hält sie auch in der Bildung, im Immobiliensektor und dem Gesundheitswesen sowie in der Luft- und Raumfahrt und der Verteidigung Einzug. Asien hat mit rund 40 Prozent den größten Umsatzanteil. In den kommenden Jahren dürfte Europa der am schnellsten wachsende regionale Markt sein.
  • Fortschrittliche Halbleiter. Fortschritte bei Halbleitern sind für die Entwicklung der nächsten Version des Internets von entscheidender Bedeutung. Trotz Rohstoffknappheit und anderer Engpässe in den Lieferketten dürfte der Halbleitermarkt bis 2030 durchschnittlich um 6–8 Prozent wachsen und sich bis zum Ende des Jahrzehnts zu einer 1 Billion US-Dollar schweren Branche entwickeln. Auch hier ist Asien gut aufgestellt, um sich Marktanteile zu sichern: China, Taiwan und Korea haben zusammen einen Anteil von 32 Prozent am weltweiten Chip-Markt und es stehen mehrere Milliarden Dollar für die Forschung und Entwicklung bereit. 

Quellen: Newzoo, Goldman Sachs, Gartner, Grand View Research, McKinsey

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