Einst schien es undenkbar, Sätze über Wefox zu lesen, in denen der Name Julian Teicke nicht vorkommt. Der 37-jährige Gründer und das Insurtech waren quasi eins. Vor allem seine Visionen, Ambitionen und Versprechungen machten das Schweizer Unternehmen mit operativem Sitz in Berlin groß – bis hin zu einer Bewertung von 4,5 Milliarden Euro. Doch die Erzählung von der Tech-Revolution in der Versicherungsbranche erfüllte ihr Versprechungen nicht. Der vorläufige Verlust für das Geschäftsjahr 2023 beträgt rund 141 Millionen Euro.
Stiller Rückzug und Lob für Nachfolger
Teicke trat zurück, medial musste er sich später als „Guru“ und „Trickser“ verspotten lassen. Der Weg für einen Neuanfang schien gemacht, denn als Verwaltungsratschef Mark Hartigan im März Teicke als Vorstandsvorsitzender ablöste, klang es eher nach Harmonie, denn nach Widerstand. Teicke sagte, dass er Hartigan im vergangenen Jahr zu Wefox geholt habe und dankbar sei, dass der Brite zugestimmt habe, das Start-up zu führen. Hartigan habe „die richtigen Werte“ und ein „klares Gespür dafür, die richtigen Prioritäten zu setzen“.
Seit der Übernahme von Hartigan ist viel passiert. DAS INVESTMENT berichtete mehrfach, von einer drohenden Insolvenz und den Plänen diese durch Teilverkäufe zu verhindern bis hin zu Vorwürfen gegen Hartigan, er würde durch den von ihm forcierten Verkauf großer Teile des Unternehmens an den Londoner Makler Ardonagh finanziell in Millionenhöhe profitieren.
Investorenstreit über künftigen Kurs
Auch wenn sich Wefox seit Wochen nicht öffentlich äußert, dürfte mittlerweile klar sein, dass hinter den Kulissen ein Machtkampf tobt. Und hier ist Teicke plötzlich wieder mittendrin. Erst vor wenigen Tagen kam durch verschiedene Medienberichte ans Licht, dass das Investorenlager bei Wefox offenbar gespalten ist. Demnach steht der arabische Staatsinvestor Mubadala hinter Hartigangs Verkaufs- und Zerschlagungsplänen, wohl auch weil er dank vereinbarter Sonderrechte von dem erwarteten Erlös von insgesamt angeblich 550 Millionen Euro als Erstes profitieren würden.
Dagegen planten andere Investoren in Eintracht mit Teicke und seinen Co-Gründern Fabian Wesemann und Dario Fazlic eine Art Neuanfang. Dafür wollen angeblich die Wefox-Geldgeber Chrysalis Investments und Target Global für das angeschlagene Insurtech 25 Millionen Euro bereitstellen, um das konkurrierende Angebot von Ardonagh zu vereiteln. „Sky News“ berichtet nun, dass das Geld als Überbrückung dienen soll, bis die Gruppe in der Lage ist, die bisher lukrative italienische Tochter Assona zu verkaufen.
Teicke postet DAS-INVESTMENT-Beitrag auf Linkedin
Wie das Unternehmen schweigt sich auch Teicke selbst bei Presseanfragen aus. Doch immerhin äußerte er sich jetzt erstmals seit drei Monaten wieder auf seinem Linkedin-Kanal, der über 40.000 Follower zählt. Teicke postete den letzten Wefox-Beitrag von DAS INVESTMENT und schrieb dazu: „Es hätte ganz andere Schlagzeilen über Wefox geben müssen. Es ist unglaublich traurig und schmerzhaft zu sehen, was passiert und solche Schlagzeilen zu lesen.“
In den Kommentaren ist von viel Zuspruch für Teicke zu lesen: „Es ist so schmerzhaft zu sehen, dass ein so starkes Gründerteam (...) von einem externen CEO so unter Druck gesetzt wird“, schreibt ein Follower. Ein anderer hinterlässt folgenden Kommentar: „Leider nicht das erste Mal, dass ich solche Dinge von Spätphaseninvestoren höre. Eine Schande, dass ein großartiges Unternehmen von einem Investor so behandelt wird.“ Doch es schlägt auch in die andere Richtung aus. Von einem User heißt es: „Klingt, als bräuchten Sie eine richtige, unabhängige Bewertung.“
Ex-Chefs organisieren die interne Opposition
Wie das „Manger Magazin“ aktuell berichtet, ist Teicke im Hintergrund deutlich aktiver als in seiner öffentlichen Kommunikation und spricht in seinem Online-Beitrag von einem „Frontalangriff“ auf Hartigan. So hätten Teicke und seine Mitgründer Mitte Juni eine „Brandmail“ an die übrigen Wefox-Aktionäre geschickt, mit dem Betreff „Important Notice to Shareholders“. In dieser Nachricht soll das Gründerteam nachdrücklich von der erneuten Wahl von Hartigan in den Verwaltungsrat bei der außerordentlichen Eigentümerversammlung am 28. Juni gewarnt haben. Mutmaßlich geht es um die Nähe des neuen Chefs zu den Investoren und um einen Interessenkonflikt wegen des Ardonagh-Deals.
Wie andere Medien schon zuvor berichteten, spielt hierbei eine offensichtlich unterschiedliche Auslegung des Gesellschaftervertrags eine Rolle, und zwar darüber, ob die unabhängigen Vertreter des Verwaltungsrats einstimmig nominiert werden müssen. So zumindest laute das Verständnis der Gruppe um Teicke. Dass sein Mitstreiter Fazlic sich bereits gegen Hartigan ausgesprochen haben soll, bestätigt nun auch das „Manager Magazin“.
Maximale Distanz zum Stil und den Erzählungen von Teicke
Laut des Berichts hatte Hartigan zuvor selbst alles dafür getan, sich maximal von seinem Vorgänger und insbesondere dessen Erzählung über Wefox zu distanzieren. Unter dem früheren Oberst der britischen Armee herrsche bei Wefox intern ein völlig neuer Ton. Mitte Mai habe der neue Boss während eines Meetings mit Mitarbeitern und Management schonungslos mit der Vergangenheit abgerechnet. Die Zeiten, in denen das Kapital floss, weil den Geldgebern eine schöne Geschichte gereicht habe, seien endgültig vorbei, sagte Hartigan laut des Berichts. Das Versprechen, dass Wefox durch überlegene technologische Lösungen enorme Fortschritte beim Verkauf von Versicherungspolicen erzielen werde, werde das Unternehmen nicht einlösen können. Und das glaube auch niemand mehr.
Neuer Medienbericht bestätigt Hartigan-Kahlschlag
Das „Manager Magazin“ bestätigt auch die schon zuvor kolportierten Pläne von Hartigan für einen radikalen Umbau des Insurtechs. Ein intern im Mai präsentierter Plan siehe vor, die Wefox-Muttergesellschaft auf wenige zentrale Funktionen zu verschlanken. Übrig bleiben sollen laut des Medienberichts vor allem Bereiche wie Finanzberichterstattung und Controlling. Die Personalabteilung solle erheblich verkleinert und andere Gewerke wie das Marketing auf Gruppenebene komplett dichtgemacht werden. Der neue Wefox-Chef versuche zudem, Tochtergesellschaften loszuschlagen. Auch hätten in einer ersten Phase bereits rund 75 der etwa 175 Mitarbeiter in Zentralfunktionen gehen müssen. Wefox äußerte sich zu diesen Sachverhalten laut „Manager Magazin“ nicht.
Kaum eine Zukunft dürfte der Versicherungszweig habe. Das Neugeschäft ist bereits seit Längerem weitgehend eingestellt. Laut des Berichts bezeichnete Wefox-Finanzchef Jon Wismer die Wefox Insurance AG als „aufgegebenen Geschäftsbereich“. Auch vom Deutschlandgeschäft dürfte nicht viel übrig bleiben. Die geplante Einführung einer Risikolebensversicherung sei gestoppt, für bestehende Einheiten wie Assona oder 123versichert.de soll die Suche nach Käufern laufen, heißt es in dem Artikel.
Selbst bisher ertragsstarke italienische Tochter in Schwierigkeiten
Selbst beim italienischen Wefox-Teil Assona, der bislang als Ertragssäule der Gruppe galt, tauchten Anfang des Jahres unerwartet Schwierigkeiten auf, heißt in dem Bericht. Statt eines zweistelligen Millionengewinns kämen inzwischen Verlustmeldungen. Auch der Umsatz soll mittlerweile weit unter dem Niveau liegen, das beim Kauf durch Wefox noch in der Gewinn-und-Verlustrechnung stand. Hintergrund soll sein, dass dem italienischen Wefox-Arm Großkunden wie BMW oder Renault abhandengekommen sind.
Gründer drohen leer auszugehen
Bekannt wurde bereits, dass bei allen Verkaufsvarianten die Investoren der ersten Stunde um Teicke ganz oder fast vollständig leer ausgehen dürften. Deren Opposition gegen Hartigan vermag auch deshalb kaum zu überraschen. Doch das „Manager Magazin“ mutmaßt mit dem Verweis auf Insider, dass der Kampf um die Besetzung des Verwaltungsrats nur „eine Etappe im Kampf um die Macht bei Wefox“ sein dürfte. Gelänge es dem Gründertrio tatsächlich, Hartigan und seine Gefolgsleute zu verhindern, könnte im nächsten Schritt ein gründerfreundlicher Verwaltungsrat den Briten vom Chefposten entfernen, eine alternative Finanzierung auf die Beine stellen und Teicke wieder zurückholen.
Teicke widerspricht Absicht, an Wefox-Spitze zurückkehren zu wollen
Teicke erklärte dem Magazin dazu, er wolle nicht als Vorstandschef zurückkehren und Hartigan auch nicht aus seinen Funktionen „entfernen“. Selbst wenn das stimmt, dürfte er zumindest alles dafür tun, weiter Druck aufzubauen, um Mubadala und andere spät eingestiegene Investoren, den die Erlöse größtenteils oder sogar ganz zustehen dürften, davon zu überzeugen, dass auch die Wefox-Gründer sowie die frühen Geldgeber von den Verkaufserlösen profitieren. Ein glorreicher, endgültiger Abgang wäre das indes sicherlich nicht.

