Nachhaltigkeitsexperte Jan Rabe
Wege zur Klimaneutralität

Jan Rabe leitet das Nachhaltigkeitsbüro von Metzler Asset Management. Foto: Metzler AM
Um CO2-Budgets einzuhalten, muss die Politik künftig strengere Regeln für Unternehmen aufstellen. Viele Investoren stellen sich bereits auf mehr Regulierung ein und Liquidität verschiebt sich zu Gunsten derer, die zu Klimazielen beitragen. Nachhaltigkeitsexperte Jan Rabe von Metzler Asset Management erklärt, wie sich der Trend in Aktienstrategien abbilden lässt.
Eine selbsterfüllende Prophezeiung ist eine Vorhersage, die ihre Erfüllung selbst bewirkt. Eine Prognose über eine mögliche Zukunft kann also die wesentliche Ursache dafür sein, dass diese Zukunft auch eintritt. Weshalb das funktioniert? Menschen glauben an Vorhersagen – sie sind das Kernelement einer jeden Unternehmensbewertung und Grundlage für die Richtung von Kapitalflüssen. Der synchrone Ruf nach Klimaneutralität im Rahmen des Pariser Klimaabkommens entlang von NGOs, Staatengemeinschaften, Unternehmen und Anlegern könnte sich als Paradebeispiel hierfür erweisen. Dass dieses Ziel ein Ablaufdatum hat, dürfte den meisten Kapitalmarktteilnehmern bewusst sein. Weitestgehend unbewusst ist den...
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Eine selbsterfüllende Prophezeiung ist eine Vorhersage, die ihre Erfüllung selbst bewirkt. Eine Prognose über eine mögliche Zukunft kann also die wesentliche Ursache dafür sein, dass diese Zukunft auch eintritt. Weshalb das funktioniert? Menschen glauben an Vorhersagen – sie sind das Kernelement einer jeden Unternehmensbewertung und Grundlage für die Richtung von Kapitalflüssen. Der synchrone Ruf nach Klimaneutralität im Rahmen des Pariser Klimaabkommens entlang von NGOs, Staatengemeinschaften, Unternehmen und Anlegern könnte sich als Paradebeispiel hierfür erweisen. Dass dieses Ziel ein Ablaufdatum hat, dürfte den meisten Kapitalmarktteilnehmern bewusst sein. Weitestgehend unbewusst ist den meisten jedoch, dass die Frist nicht etwa für 2100 oder 2050 gesetzt ist, sondern nur sieben Jahre umfasst.
Werden bestehende Regulierungen zur Begrenzung des Ausstoßes von Treibhausgasen nicht drastisch verschärft, droht schon bald ein Überschreiten der kritischen CO2-Budgets der Erdatmosphäre. Das Erreichen politischer Ziele würde somit unwahrscheinlicher. Kapitalmärkte stellen sich bereits auf ein Mehr an Regulierung ein, und Liquidität verschiebt sich zugunsten derer, die zum Ziel der Netto-Null-Emissionen beitragen beziehungsweise keinen signifikanten Kosten durch Klimarisiken ausgesetzt sind. Wir zeigen, wie sich dies über Aktienstrategien abbilden lässt.
Die CO2-Uhr läuft ab
Blickt man kritisch auf das Streben nach Klimaneutralität, ist es hilfreich, sich mit den Forschungen des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) auseinanderzusetzen. Jeder, der schon einmal auf die CO2-Uhr des Instituts in Berlin, Paris oder New York geschaut hat, muss sich fragen, welche Implikationen das Ablaufen dieser Uhr haben wird.
Auf Basis der Berechnungen des UN-Klimarats kann die Erdatmosphäre laut MCC Stand Ende 2017 lediglich 420 weitere Gigatonnen (Gt) CO2 aufnehmen, damit der durchschnittliche Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau von 1890 bis 1900 begrenzt bleibt.1 Genau dieses Ziel wurde im Pariser Klimaabkommen von 2015 ausgehandelt.
Unter Annahme eines konstanten Verbrauchs von circa 42 Gt pro Jahr seit Ende 2017 wäre dieses Budget in weniger als sieben Jahren aufgebraucht. Dies steht in starkem Kontrast zu den Zielen der internationalen Politik, die mit ihren Maßnahmen aktuell auf ein 3-Grad-Celsius-Ziel zusteuert. Diese Implementierungslücke (rote Pfeile in Abbildung 1) gilt es zu schließen, wenn das Erreichen der Klimaneutralität kein Luftschloss bleiben soll. Hierzu müssten bestehende Regulierungen allerdings drastisch verschärft und ausgeweitet werden.
Abbildung 1: Ist ein Ziel von 1,5 Grad Celsius überhaupt haltbar?
Globale CO2-Emissionen pro Jahr, in Gigatonnen

1 IPCC (2017): Mitigation Pathways Compatible with 1.5 Grad Celsius in the Context of Sustainable Development, Seite 108.
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