Weiterentwicklung der E(W)U
Worauf es jetzt bei der Europäischen Union ankommt
Analysiert die Problemzonen der Währungsunion: GDV-Chefvolkswirt Klaus Wiener Foto: GDV
Nachdem die Europäische Union in den letzten Jahren unter anderem mit dem Brexit-Votum einige Rückschläge hat einstecken müssen, verzeichnete die EU zuletzt vor dem Hintergrund zunehmender globaler Spannungen wieder neuen Zuspruch. Vorschläge zur Weiterentwicklung der Union sowie des Euroraums nehmen mittlerweile einen breiten Raum in der politischen Diskussion ein.
Eine höhere Stabilität von EU/EWU ist grundsätzlich im Interesse der Mitgliedstaaten und damit auch Deutschlands. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, ist – u. a. da historische Vorbilder fehlen – letztlich eine offene Frage. Aufgrund der heterogenen Interessenlage der Mitgliedstaaten und auch einer fehlenden Unterstützung der Bevölkerung für eine vertiefte Integration dürften tiefgreifende Reformen, insbesondere eine Änderung des grundlegenden europäischen Vertragswerkes, kaum umzusetzen sein. Vielmehr erscheint es zunächst sinnvoll, sich auf einige, wesentliche Elemente zu konzentrieren, die für den Währungsraum, aber auch die EU einen deutlichen Mehrwert darstellen und langfristig dem Projekt Europa wieder zu mehr Dynamik verhelfen können.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Eine höhere Stabilität von EU/EWU ist grundsätzlich im Interesse der Mitgliedstaaten und damit auch Deutschlands. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, ist – u. a. da historische Vorbilder fehlen – letztlich eine offene Frage. Aufgrund der heterogenen Interessenlage der Mitgliedstaaten und auch einer fehlenden Unterstützung der Bevölkerung für eine vertiefte Integration dürften tiefgreifende Reformen, insbesondere eine Änderung des grundlegenden europäischen Vertragswerkes, kaum umzusetzen sein. Vielmehr erscheint es zunächst sinnvoll, sich auf einige, wesentliche Elemente zu konzentrieren, die für den Währungsraum, aber auch die EU einen deutlichen Mehrwert darstellen und langfristig dem Projekt Europa wieder zu mehr Dynamik verhelfen können.
Kapitalmarktunion und digitale Strategie entscheidend
Die Europäische Union befindet sich in einer kritischen Phase. Ein „Weiter so“ birgt die große Gefahr, dass der Anteil der euroskeptischen Bevölkerung in der EU weiter wächst. Vor diesem Hintergrund besteht Handlungsbedarf in verschiedener Hinsicht:
Es ist eine ganz zentrale Aufgabe von Politik, den Bürgern Europas die Vorteile der Integration zu verdeutlichen. Dies heißt auch die wirtschaftlichen Vorteile, die Binnenmarkt und Euro mit sich bringen, noch stärker zu betonen. Die europäische Einigung mag weit mehr sein als die wirt schaftliche Integration. Wie sich vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit gerade in den südeuropäischen EU-Ländern gezeigt hat, sind in der Wahrnehmung der Bürger Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand aber ganz zentrale Punkte. Eine politische Union wird es realistischer Weise auf absehbare Zeit nicht geben. Um den Fokus seines Wahlkampfteams auf die hohe Bedeutung der Wirtschaft zu lenken, hat es ein erfolgreicher US-Präsidentschaftskandidat in den neunziger Jahre einmal drastisch ausgedrückt: „It’s the economy, stupid“!
Die EU befindet sich in einem globalen Wettbewerb mit rasch wachsenden Volkswirtschaften. China ist dabei nur das prominenteste Beispiel. Hinzu kommt, dass mit der neuen US-Administration zunehmend ein wirtschaftlicher Protektionismus zu beobachten ist. „Economic Nationalism“ ist hier das Stichwort. Europa kann auf diese Herausforderungen nur gemeinsam reagieren. Hierzu muss aber die Wettbewerbsfähigkeit in allen Ländern gestärkt werden.
Um den Währungsraum darüber hinaus krisenfester zu machen, ist die Vollendung der Kapitalmarktunion sehr wichtig. Analysen des IWF zeigen, dass wirtschaftliche Schocks in den USA vor allem durch private Kapitalflüsse abgefedert werden. Fiskalische Transfers, die zeitlich oft nur verzögert greifen und prozyklisch wirken, spielen eine nur untergeordnete Rolle. Dieser Befund ist für die EU derzeit anders: Hier sind private Kapitalflüsse über Ländergrenzen hinweg noch zu schwach, um die Funktion einer wirtschaftlichen Stabilisierung übernehmen zu können. Mit einer sachgerechten Vollendung der Kapitalmarktunion könnte dies geändert werden – und ein noch größeres EU-Budget bzw. ein EU-Finanzminister wären wohl kaum noch erforderlich.
Gerade die Diskussion über einen gemeinsamen Finanzminister dürfte aber so lange äußerst kontrovers bleiben, wie hiermit nicht auch die Frage der demokratischen Legitimierung beantwortet wird. Das Haushaltsrecht ist eines der wichtigsten Rechte der nationalen Parlamente. Eine Verschiebung auf die europäische Ebene würde erfordern, dass die EU allen ihren Bürgern das gleiche Stimmengewicht zugesteht (one man, one vote). Dies ist bei den aktuellen Abstimmungsverfahren nicht gegeben.
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