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Flutkatastrophe im Juli 2021 „Die Schadenzahlungen können nur einen Teil der Probleme lösen“

„Wir gehen jetzt von versicherten Schäden zwischen 4,5 Milliarden und 5,5 Milliarden Euro aus“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Das Tiefdruckgebiet namens Bernd richtete damit den höchsten, bislang vom GDV gemessenen, Hochwasserschaden an. Viele Versicherer melden ebenfalls neue Rekordzahlen.

Debatte um Pflichtversicherung gewinnt an Fahrt

Am 10. August zeigt sich erstmals auch Joachim Wenning, Vorstandsvorsitzender der Münchener Rückversicherung, offen für eine Versicherungspflicht für Hausbesitzer gegen die Folgen von Hochwasser und Starkregen.

„Wenn der Staat meint, jetzt ist es Zeit, stehen wir bereit“, sagt er im Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“. Ein Allheilmittel sieht Wenning in der Versicherungspflicht jedoch nicht: „Entscheidend dabei ist, dass die Prämien das jeweilige Risiko widerspiegeln, das heißt: individuelle statt identischer Prämien.“ Gleichzeitig warnt er die Branche davor, selbst eine solche Pflicht zu fordern: „Wenn es zu einer solchen Katastrophe kommt, dann werden die Schadenzahlungen der Versicherer nur einen Teil der Probleme lösen können. Vieles andere bleibt ungelöst.“

Doch gerade die Versicherer sieht der bayerische Finanzminister Albert Füracker in der Pflicht. „Wenn die Versicherungsquote nicht deutlich nach oben geht, ist eine neue Diskussion der Versicherungspflicht absehbar“, sagt er im Interview mit dem Online-Portal „Infranken“. „Es steht außer Frage: Der Freistaat hilft auch in Zukunft in der größten Not, wenn Existenzen bedroht sind. Dennoch sind Elementarschadenversicherungen ein Muss.“

Vor vier Jahren hatte der Freistaat Bayern beschlossen, ab 2019 keine Soforthilfe mehr für Flutopfer zu bezahlen. Dies begründeten die Politiker damit, dass der Steuerzahler nicht dauerhaft für fehlende Versicherungen herhalten könne. Seither wird von staatlicher Seite nur noch in existenzbedrohlichen Fällen geholfen.

Hochwasser-Soforthilfen sind vor Pfändung geschützt

Zahlungen, die aufgrund der Hochwasser-Soforthilfe auf Pfändungsschutzkonten eingehen, können über den Sockelbetrag hinaus pfandfrei gestellt werden. Dies entschied das Amtsgericht Euskirchen am 2. August in drei Fällen (Aktenzeichen 11 M 1030/11, 11 M 3132/11 und 11 M 1262/17). 

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Die Richter orientierten sich dabei auch an den Corona-Soforthilfen. Hier hatte bereits der Bundesgerichtshof am 10. März dieses Jahres entschieden (Aktenzeichen VII ZB 24/20), dass die pandemiebedingten Soforthilfen auch über den Sockelbetrag hinaus pfandfrei gestellt werden können.

„Ausmaß der Schäden ist nicht vergleichbar mit vorherigen Unwetter-Ereignissen“

Kunden der Provinzial meldeten bis zum 2. August 2021 insgesamt 33.142 Schäden mit einem Volumen von 761,3 Millionen Euro. Dabei entfallen auf die Sach-Sparte 29.045 Schäden mit einem Aufwand von 730,1 Millionen Euro und auf die Kraftfahrt-Sparte 4.097 Schäden mit einem Aufwand von 31,1 Millionen Euro. Bislang zahlte der Versicherer mehr als 70 Millionen Euro aus.

Die LVM Versicherung in Münster rechnet bundesweit mit mehr als 9.400 Schadenmeldungen in der Sach- und in der Autoversicherung sowie einem Gesamtaufwand von etwa 165 Millionen Euro. Davon entfallen rund 147 Millionen Euro auf Elementarschäden in der Wohngebäude- und der Hausratversicherung. Die LVM-Autoversicherung kalkuliert mit Schäden in Höhe von 18 Millionen Euro.

Kunden aus Nordrhein-Westfalen meldeten der LVM-Sachversicherung bislang mehr als 4.600 Schäden an Gebäuden und Hausrat. Rund 900 Schadenmeldungen erreichten die LVM aus Rheinland-Pfalz. Auf Kreisebene wurden die meisten Schäden aus den Landkreisen Euskirchen (740), Unna (540), Ahrweiler (480), Märkischer Kreis (370) und Dortmund (260) gemeldet. Mit einer durchschnittlichen Schadensumme von etwa 40.000 Euro liegen die Schäden im Landkreis Ahrweiler am höchsten. Die Einzelschäden betroffener LVM-Kunden gehen teils über die Millionengrenze: Der größte gemeldete Elementarschaden liegt bei über 1,5 Millionen Euro.

„Die Situation in den betroffenen Gebieten ist immer noch unübersichtlich, was die Schadensprognose deutlich erschwert“, sagt Katharina Pankock-Muhle, Schadenexpertin der LVM-Sachversicherung. „Das Ausmaß der Schäden ist nicht mit vorherigen Unwetter-Ereignissen vergleichbar. Wir setzen alles daran, unsere Kunden in der Schadenabwicklung bestmöglich zu unterstützen, beispielsweise, indem wir die Schadenaufnahme und Dokumentation sehr einfach gestalten und direkt Vorauszahlungen leisten.“

In Summe rechnet die Versicherungskammer Bayern (VKB) mit einem Schadenaufwand von 150 bis 225 Millionen Euro allein in ihrem Bundesland. „Schon jetzt ist klar, dass 2021 eines der schadenintensivsten Jahre wird“, sagt Christian Krams, Leiter Konzern Schaden bei der VKB.

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