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Aktualisiert am 17.01.2017 - 15:03 Uhrin VersicherungenLesedauer: 3 Minuten

„Weltgrößte Technoparty ist kein Gartenfest“ – wer haftet für die Loveparade-Tragödie?

Oliver Renner
Oliver Renner

DAS INVESTMENT.com: Die Suche nach den Schuldigen der Loveparade-Tragödie dauert an. Falls herauskommen sollte, dass der Veranstalter Lopavent schuld ist, wird er die Opfer entschädigen müssen. Wohl auch aus dem Firmenvermögen, denn die Deckungssumme seiner Veranstalterhaftpflichtversicherung ist mit 7,5 Millionen Euro lächerlich gering. Dabei hätte sein Versicherungsvermittler wissen müssen, dass diese Summe nicht ausreicht. Muss er nun haften?

Oliver Renner: Unter Umständen schon.

DAS INVESTMENT.com: Was heißt das?

Renner: Es könnte sein, dass der Vermittler den Veranstalter auf das Problem mit der geringen Deckungssumme hingewiesen hat und dieser trotzdem keine höhere Deckungssumme wollte. Wenn er das nachweisen kann, ist er aus dem Schneider.

DAS INVESTMENT.com: Und wenn nicht?

Renner: Dann wird es kompliziert, denn sowohl den Vermittler als auch den Kunden trifft eine „Teilschuld“. So hätte der Vermittler zwar nach der Größenordnung der Veranstaltung fragen sollen. Er hätte den Kunden auch darauf hinweisen müssen, dass bei rund einer Million Besucher auch beim ordnungsgemäßen Verlauf Unfälle vorprogrammiert sind, so dass wesentlich höhere Schadenersatzansprüche als die besagten 7,5 Millionen Euro entstehen können. Andererseits hätten aber auch dem Veranstalter, der nicht erst seit gestern in der Branche tätig ist, die Risiken einer zu geringen Deckungssumme klar sein müssen. Schließlich ging es nicht um ein Gartenfest mit 50 Personen, sondern um die weltgrößte Technoparty.

DAS INVESTMENT.com: Das bilanzierte Eigenkapital der Lopavent GmbH beträgt laut dem letzten veröffentlichten Jahresabschluss nicht einmal 170.000 Euro. Kann auch das Privatvermögen des Lopavent-Chefs herangezogen werden, um die Opfer zu entschädigen?

Renner: Als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) haftet Lopavent grundsätzlich mit dem Firmenvermögen. Sollte jedoch im Laufe der Ermittlungen ein persönliches Verschulden von Herr Schaller festgestellt werden, könnte eine persönliche Haftung in Betracht kommen.

DAS INVESTMENT.com: Mit anderen Worten: Wenn die staatsanwaltlichen Ermittlungen ergeben sollten, dass der Lopavent-Chef schuldig ist, wird er die Opfer aus seinem Privatvermögen entschädigen müssen.

Renner: Nicht ganz. Denn die strafrechtliche Verantwortlichkeit ist juristisch lediglich ein Indiz. Schließlich sind das Strafrecht und das Zivilrecht nicht dasselbe. So kann jemand, der vor einem zivilen Gericht schuldig gesprochen wurde und eine Entschädigung zahlen musste, im strafrechtlichen Sinne freigesprochen werden. Das gilt aber auch umgekehrt.

DAS INVESTMENT.com: Wie schätzen Sie die Chancen der Opfer, finanziell entschädigt zu werden?

Renner: Dazu kann ich nichts sagen, bevor die Ermittlungen abgeschlossen sind. Sollte der Veranstalter tatsächlich haften müssen, können Opfer und Hinterbliebene ihn auf Schadenersatz verklagen. Es muss aber jeder Einzelfall im Hinblick auf die Frage der Kausalität geklärt werden. Zudem muss auch ein mögliches Mitverschulden in Betracht gezogen werden.


Zur Person: Oliver Renner ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Kanzlei Rechtsanwälte Wüterich Breucker in Stuttgart.
Nachtrag: Die massive Kritik am Loveparade-Veranstalter scheint Wirkung zu zeigen. Zusammen mit seinem Versicherer Axa hat Schaller eine Soforthilfe für Betroffene, die sich in einer akuten finanziellen Notlage befinden eingerichtet. Einzelheiten finden Sie hier

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