Industrieländer kaufen sich vorerst frei Die verzögerte Energiewende ist eine Chance für Investoren
Auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen COP28 Anfang Dezember 2023 in Dubai wurde ein wegweisendes Abkommen geschlossen: Es deutet auf das Ende des Zeitalters fossiler Brennstoffe hin und ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Konferenz in einem Erdöl exportierenden Land stattfand. Das Abkommen kam zustande, nachdem der Präsident der COP28, Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate und zugleich Vorstandschef der staatlichen Ölgesellschaft ADNOC, behauptet hatte, es gebe „keine wissenschaftliche Grundlage“ dafür, dass ein Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad beitragen würde.
Ebenfalls für Schlagzeilen sorgten die Einigung auf einen Fonds zur Deckung von Verlusten und Schäden durch den Klimawandel sowie eine stärkere Konzentration auf erneuerbare Energiequellen, eine beschleunigte Dekarbonisierung, Kohlenstoffmärkte sowie naturbezogene Klimaschutzmaßnahmen.
Neben Kohle nun auch Öl und Gas genannt
In der Abschlusserklärung der Konferenz wurde die Formulierung „Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe“ vermieden und stattdessen an die Länder appelliert, „den Übergang weg von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen auf gerechte, geordnete und ausgewogene Weise zu vollziehen und die Maßnahmen zu beschleunigen, um bis 2050 Netto-Null zu erreichen“.
Die Bezugnahme auf alle fossilen Brennstoffe und nicht nur wie bei der vorherigen COP auf Kohle ist ein wichtiger Meilenstein. Die unverbindliche Vereinbarung lässt jedoch noch Raum für Verbesserungen: Dem Verhandlungsführer von Samoa zufolge enthält der Text eine „Reihe von Schlupflöchern".
Das 1,5-Grad-Ziel wurde in Dubai bekräftigt und die Notwendigkeit betont, die Emissionen bis 2030 um 43 Prozent und bis 2035 um 60 Prozent gegenüber dem Stand von 2019 zu senken.
Unterstützung für die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder
Zur Überraschung vieler Beobachter gab es Fortschritte bei dem Fonds, der die am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffenen und gefährdeten Länder – vor allem Entwicklungsländer – finanziell unterstützen soll. Er erhielt von den wohlhabenden Staaten Kapitalzusagen in Höhe von 725 Millionen US-Dollar.
Kritiker argumentieren, dass diese Gelder nur 0,2 Prozent der jährlichen Schäden durch Klimakatastrophen abdecken. Eine Nichtregierungsorganisation beziffert den erforderlichen Betrag auf mehr als 400 Milliarden US-Dollar pro Jahr – Tendenz steigend.
Verdreifachung der Kapazität erneuerbarer Energien
Angeführt von der EU, den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten haben sich 130 Länder mit der Unterzeichnung des Global Renewables and Energy Efficiency Pledge verpflichtet, die weltweite Kapazität erneuerbarer Energien bis 2030 zu verdreifachen. Zusammen sind diese Länder für 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, stehen für 37 Prozent des gesamten weltweiten Energiebedarfs und machen 56 Prozent der Weltwirtschaft aus.
Ziel ist es, bis 2030 weltweit eine Kapazität von 11 Terawatt (TW) an erneuerbaren Energien zu erreichen. Um das zu schaffen, müssen sie jährlich um 17 Prozent ausgebaut werden. Seit 2016 wurde dieses Tempo erreicht. Im vergangenen Jahr gab es jedoch Herausforderungen, darunter steigende Kosten. Erschwerend kommt hinzu, dass die höheren Zinsen die Investitionen gebremst haben. In den ersten neun Monaten 2023 beliefen sich die Investitionen in die Solar- und Windkraftinfrastruktur auf insgesamt 29 Milliarden US-Dollar – ein Bruchteil der 128 Milliarden US-Dollar, die im gleichen Zeitraum 2022 flossen.
Logistische Engpässe haben ebenfalls zu Problemen geführt: Zwei Offshore-Windprojekte in den USA wurden unter anderem wegen fehlender Errichterschiffe aufgegeben. Auch die kostenintensive Netzanbindung ist zu einem großen Hindernis geworden.
Der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge muss die Finanzierung erneuerbarer Energien bis 2030 pro Jahr 1,7 Billionen US-Dollar erreichen – eine Verdopplung im Vergleich zum aktuellen Niveau. Um diese Lücke zu schließen, sind stärkere staatliche Anreize erforderlich.
Glaubwürdigkeit und Entwicklung des Kohlenstoffmarktes
Über Artikel 6 des Pariser Abkommens gab es keine Einigung. In diesem wird anerkannt, dass die so genannten national festgelegten Beiträge (NDC) zur Emissionsreduzierung nicht ausschließlich mit öffentlichen Mittel erreicht werden können. Vielmehr sei die Beteiligung des Privatsektors entscheidend für die Finanzierung ehrgeiziger Initiativen.
Trotz der fehlenden Verständigung über Artikel 6 könnte sich der Kohlenstoffmarkt als starker Treiber bei der Generierung von Finanzmitteln für Klimaanpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen erweisen. Auf dem Treffen unterstützten Finanzinstitutionen, Regulierungsbehörden und COP28-Vertreter die Bemühungen zur Wiederbelebung des freiwilligen Marktes für Emissionsgutschriften, nachdem dieser mit Skandalen zu kämpfen hatte.
Bei den Standards wurden Fortschritte erzielt, indem sich unabhängige Zertifizierungsstellen wie Verra dem Integrity Council for Voluntary Carbon Markets angeschlossen haben, um Bedenken der Investoren hinsichtlich der Glaubwürdigkeit auszuräumen. Die vorgeschlagenen Regelungen sollen unter anderem sicherstellen, dass die Gutschriften zu einer dauerhaften Verringerung der Emissionen führen, Doppelzählungen verhindern und die Transparenz verbessern.
Staatliche und private Akteure Hand in Hand
Um den Kohlenstoffmarkt weiterzuentwickeln, haben die USA den Environmental Transition Accelerator (ETA) ins Leben gerufen. Diese Plattform bringt staatliche und private Akteure zusammen, um mithilfe von Kohlenstoffgutschriften eine schnellere und tiefgreifendere Senkung der Treibhausgasemissionen zu erreichen. Dafür soll der Übergang von fossilen Brennstoffen zu sauberer Energie in Entwicklungs- und Schwellenländern beschleunigt werden.
Neun große Unternehmen haben bereits eine Interessenbekundung unterzeichnet. Als neue Pilotländer sind Chile, die Dominikanische Republik und Nigeria hinzugekommen. Der ETA könnte bis 2035 Finanzmittel in Höhe von 72 bis 207 Milliarden US-Dollar mobilisieren. Der Ansatz der Plattform zielt darauf ab, die teilnehmenden Länder zur Intensivierung ihrer Aktivitäten zur raschen Dekarbonisierung des Energiesektors zu ermutigen.
Verringerung der Methanemissionen
Um die Methanemissionen aus der Viehhaltung – die für 30 Prozent des Methanausstoßes verantwortlich sind – zu reduzieren, haben sechs der weltweit größten Hersteller von Milchprodukten die Dairy Methane Action Alliance gegründet. Die Unterzeichner sind verpflichtet, diese Emissionen bis Mitte 2024 offenzulegen und bis Ende 2024 einen umfassenden Aktionsplan für ihre Verringerung zu veröffentlichen und umzusetzen.
Methan wirkt in den ersten 20 Jahren nach dem Eintritt in die Atmosphäre etwa 80-mal stärker als CO2. Laut einer Analyse des UN-Umweltprogramms aus dem Jahr 2021 würde eine Senkung dieser Emissionen um 45 Prozent in diesem Jahrzehnt dazu beitragen, die globale Erwärmung auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen.
Um die Methanemissionen von Milchvieh zu verringern, werden verschiedene Technologien entwickelt. Angesetzt wird bei Zuchttechniken, Impfstoffen und der Ernährung. Laut einer Studie der schwedischen Umweltbehörde hat die Einführung der Chemikalie 3-Nitrooxypropanol in Milchviehfutter die Emissionen um 30 Prozent gesenkt. Der Bericht hebt hervor, dass die Entwicklung auf diesem Gebiet in den vergangenen Jahren „rasant“ verlaufen ist und der Bereich zahlreiche Investitionsmöglichkeiten bietet.