Kapitalmarktforscher Heinz-Werner Rapp
Dieses Wachstumspotenzial hat die weltraumbasierte Ökonomie

Kapitalmarktforscher Heinz-Werner Rapp
Die Raumfahrt steht vor einem bedeutenden Paradigmenwechsel und wird immer mehr zu einem wichtigen Innovationstreiber für Wirtschaft und Technologie in zentralen Zukunftsfeldern. Das Entwicklungspotenzial der Weltraumwirtschaft zieht das Interesse sowohl von staatlichen als auch privaten Akteuren an und löst signifikante Investitionen aus.
Laut neuesten Analysen von McKinsey dürfte „New Space“, ...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Die Raumfahrt steht vor einem bedeutenden Paradigmenwechsel und wird immer mehr zu einem wichtigen Innovationstreiber für Wirtschaft und Technologie in zentralen Zukunftsfeldern. Das Entwicklungspotenzial der Weltraumwirtschaft zieht das Interesse sowohl von staatlichen als auch privaten Akteuren an und löst signifikante Investitionen aus.
Laut neuesten Analysen von McKinsey dürfte „New Space“, die weltraumbasierte Ökonomie, in den kommenden Jahren mit 9 Prozent jährlich deutlich stärker wachsen als die Weltwirtschaft. Die Umsätze im „New Space“ könnten von heute 630 Milliarden US-Dollar auf 1,8 Billionen US-Dollar im Jahr 2035 steigen und damit sogar die weltweite Halbleiterindustrie deutlich hinter sich lassen. Der globale Wettlauf im All startet in eine neue Ära: Zeit, an Bord zu gehen.
„New Space“ ist dabei, sich von traditionellen Satellitendiensten zu neuen Bereichen wie Weltraumfertigung, Weltraumtourismus oder der Beseitigung von Weltraummüll zu entwickeln. Die technologischen Fortschritte in der Raumfahrtindustrie versprechen nicht nur neue und sehr vielfältige Geschäftsmöglichkeiten, sondern haben auch zahlreiche Auswirkungen auf das Leben auf der Erde: Von der Verbesserung globaler Kommunikationsnetzwerke über präzisere Wetter- und Erdbeobachtung oder satellitengestützte Präzisionslandwirtschaft bis hin zur Entwicklung neuer medizinischer Technologien und nachhaltiger Energiequellen wie weltraumgestützte Solarenergie – die Möglichkeiten sind vielfältig und oftmals sogar revolutionär.
Zudem ermöglicht die Nutzung von Weltraumressourcen eine nachhaltige Rohstoffversorgung auf der Erde und kann den Druck auf begrenzte Ressourcen verringern. Studien zufolge wäre das Schürfen Seltener Erden und strategischer Metalle aus Asteroiden ebenso denkbar wie die Gewinnung des seltenen Edelgases Helium-3 vom Mond.
Dank des technologischen Fortschritts sind die Kosten für einen Raketenstart heute nur noch ein Zehntel so hoch wie vor 20 Jahren. Diese scharfe Kostendegression hat dazu beigetragen, dass allein in den Jahren zwischen 2019 und 2023 die Anzahl der Satellitenstarts um 50 Prozent gestiegen ist. Dabei spielt der Einsatz wiederverwendbarer Trägersysteme eine zentrale Rolle, weil dadurch orbitale Transporte deutlich vereinfacht werden.
Der Megatrend „New Space“ wird durch langfristige Trends vorangetrieben. Die Transformation der Weltraumwirtschaft bringt eine Vielzahl innovativer Produkte und Dienstleistungen hervor, etwa in den Feldern Miniaturisierung, 3D-Druck, Robotik und künstliche Intelligenz.
Der Boom von „New Space“ wäre jedoch kaum denkbar ohne das Engagement dreier prominenter Milliardäre: Elon Musk mit Space X, Jeff Bezos mit Blue Origin und Richard Branson mit Virgin Galactic. Alle drei haben das Ziel, Menschen ins All zu transportieren, entsprechende Infrastrukturen zu schaffen und neue Märkte zu erschließen.
Doch die kommerzielle Raumfahrt wird nicht nur von diesen Persönlichkeiten vorangetrieben. „New Space“ gewinnt zunehmend eine strategische Bedeutung für die gesamte Finanzbranche: Seit 2014 wurden mehr als 280 Milliarden US-Dollar in zahlreiche Start-ups im Raumfahrtsektor investiert. Die Investitionen des privaten Sektors haben in den Jahren 2021 und 2022 mit insgesamt über 70 Milliarden US-Dollar ein Allzeithoch erreicht.
Diese Mittel fließen vor allem in die Weiterentwicklung und den Ausbau von In-Orbit-Inspektionen, Wartungsdiensten und kommerziell finanzierten Raumstationen. Eine große Rolle spielt auch weiterhin die Ausbringung spezieller Satelliten, etwa zur Wetter- und Klimaforschung oder zur Steuerung von Präzisionslandwirtschaft. Hinzu kommt der Auf- und Ausbau erdumspannender Satellitennetze wie „Starlink“, das von Elon Musk als innovative Infrastruktur für ein globales Internet vermarktet wird.
Diese dynamische Entwicklung schafft künftig neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten. Mit zunehmender Privatisierung und Kommerzialisierung des Weltraums bieten sich faszinierende strategische Chancen für Unternehmer und Investoren. Um dabei in Europa nicht den Anschluss zu verpassen, ist jedoch eine stärkere Zusammenarbeit notwendig, auch mit staatlichen Institutionen.
Großmächte wie die USA und China sehen das Weltall als neuen Wirtschaftsraum, den man frühzeitig absichern sollte; kommerzielle Raumfahrt gilt dafür als kritische „Enabling Technology“. China baut seine strategische Position im Weltraum seit einigen Jahren konsequent aus und fordert dabei die frühere Weltraummacht USA gezielt heraus. Der Aufbau eines neuen „Weltraumbahnhofs“ im ostafrikanischen Dschibuti unterstreicht die ehrgeizigen chinesischen Ziele.
Auch Indien zeigt zuletzt große Ambition im Weltraum und ist sogar das erste Land, dem die erfolgreiche Landung eines Raumfahrzeugs nahe des Mond-Südpols gelungen ist. Doch auch Länder wie Japan, Peru, Thailand, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate investieren verstärkt in Raumfahrtinitiativen, um an den Wachstumschancen des „New Space“ zu partizipieren. Schon heute entsteht dadurch ein intensiver Wettbewerb um wichtige Positionen im erdnahen Orbit, aber auch um Landeplätze und mögliche Gebietsansprüche auf dem Mond.
Dieser Aspekt führt unmittelbar zu einem sehr kritischen Thema, nämlich der zunehmenden Militarisierung des Weltraums. Die Stationierung von Satelliten im Orbit zur Überwachung, Kommunikation und Aufklärung ist bereits gängige Praxis. Doch die militärischen Planungen gehen mittlerweile weit darüber hinaus. Die USA, Russland und China investieren verstärkt in die Entwicklung von Anti-Satelliten-Waffen, weltraumgestützten Verteidigungssystemen und anderen militärischen Technologien.
Die wachsende Abhängigkeit moderner Industrieländer von weltraumgestützter Infrastruktur, darunter Satelliten für Navigation und Kommunikation, erweist sich nun als Quelle erhöhter Verletzlichkeit, denn: Falls ein Gegner es schafft, große Teile dieser Infrastruktur auszuschalten, würde selbst eine moderne Großmacht wie die USA empfindlich getroffen. Diese Entwicklungen lassen ein neues Wettrüsten im All erwarten, das zusätzliche Risiken und Spannungen zwischen den Großmächten nach sich zieht.
Die internationale Gemeinschaft steht also vor der Herausforderung, Regelungen zu finden, die eine friedliche Nutzung des Weltraums fördern und gleichzeitig individuelle Sicherheitsinteressen wahren. Angesichts erhöhter geopolitischer Spannungen auf der Erde scheint das Ziel einer gemeinnützigen und fairen Erschließung des Weltalls, zum Wohl aller Menschen, jedoch vorerst kaum durchsetzbar.
Dieser Artikel basiert in Teilen auf einer Publikation mit dem Titel „,New Space': Das Weltall als Wirtschaftsraum der Zukunft“, die als „Cognitive Briefing“ beim Feri Cognitive Finance Institute erschienen ist. Die Studie ist abrufbar unter https://www.feri-institut.de/media-center/studien/
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