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Weltwirtschaft „Abwärts mit dem Fahrstuhl, aufwärts über die Treppe“

HMM Algeciras – das größte Containerschiff der Welt – im Hamburger Hafen
HMM Algeciras – das größte Containerschiff der Welt – im Hamburger Hafen
Joachim Fels, Pimco-Chefvolkswirt

Die Weltwirtschaft hat die mit 128 Monaten längste jemals dokumentierte Wachstumsphase im Februar aufgrund des Corona-Virus abrupt beendet – und nun wieder begonnen, sich von der heftigsten Rezession unserer Zeit zu erholen. Doch wie geht es in den kommenden Monaten weiter? Diese Frage haben wir im Rahmen einer Videokonferenz mit Pimco-Anlageexperten aus aller Welt diskutiert. Unser Basisszenario sieht eine holprige und ungleichmäßige Erholung vor, wobei die Wirtschaftsaktivität in den meisten Volkswirtschaften der westlichen Welt vermutlich nicht vor 2022 auf ihr Vorkrisenniveau zurückkehren wird. Mit anderen Worten - und zwar jenen von Thomas Barkin, Präsident der Federal Reserve von Richmond: Die Wirtschaft nahm den Fahrstuhl nach unten und wird nun die Treppe wieder hochsteigen müssen.

Kurzfristig rechnen wir zwar mit einem mechanischen Aufschwung als Reaktion auf die Aufhebung oder Lockerung der Lockdown-Maßnahmen, doch der anschließende Aufstieg dürfte nach unserem Dafürhalten lang und beschwerlich sein - und zwar aus folgenden Gründen:

  • Eine soziale Distanzierung, ob freiwillig oder obligatorisch, wird vonnöten und wahrscheinlich sein, bis eine wirkungsvolle Behandlungsmethode für die Viruserkrankung weithin verfügbar ist. Das bedeutet, dass viele Sektoren nicht in der Lage sein werden, ihre Kapazitäten zügig auf das Niveau vor der Krise auszuweiten.
  • Die globalen und nationalen Lieferketten werden über geraume Zeit gestört bleiben, da die Wiederbelebung der Wirtschaft in den einzelnen Ländern, Regionen und Sektoren ungleichmäßig verlaufen wird.
  • Die Umverteilung von Arbeit und Kapital von angeschlagenen Unternehmen und Sektoren auf solche, die gestärkt aus der Krise hervorgehen, ist ein zeitintensiver Prozess. Dieser kann zudem durch politische Maßnahmen, die „Zombie“-Unternehmen am Markt halten, noch erschwert werden.
  • Der Schuldenüberhang im Unternehmens- und Haushaltssektor als Folge der Rezession dürfte die Konsum- und Investitionsausgaben auf absehbare Zeit einschränken.

Unsicherheit über den weiteren Pandemie-Verlauf prägt die Märkte

Gleichwohl ist unser Basisszenario eines „langen Aufstiegs“ mit einer ungewöhnlichen Unsicherheit behaftet. Im Rahmen unseres virtuellen Forums riefen wir uns 2016 entwickeltes Konzept in Erinnerung, das wir schon einmal als hilfreich empfunden haben, um die Aussichten zu charakterisieren – das Konzept der „radikalen Unsicherheit“. Diesmal liegt die Hauptquelle der Unsicherheit, und damit der ausschlaggebende Faktor für die konjunkturellen Aussichten, außerhalb der ökonomischen oder politischen Sphäre: eine sich rasant entwickelnde Covid-19-Pandemie, deren konjunkturelle Konsequenzen stärker oder schwächer sein könnten, als in unserem Basisszenario für die kommenden sechs bis zwölf Monate – unseren Prognosezeitraum – beschrieben. Daher haben wir viel Zeit darauf verwendet, zwei alternative Szenarien zu unserem Basisszenario aufzustellen.

Alternativszenario 1: Impfstoff kommt früh, Wirtschaft zieht schneller an

Das gute Szenario einer rascheren konjunkturellen Erholung würde sich einstellen, wenn das gewaltige Wettrennen der weltweiten Wissenschaftler um die Entwicklung eines Impfstoffs oder anderer Behandlungsmethoden frühzeitige und belastbare Ergebnisse liefert und die Notwendigkeit von Abstandsregeln schneller verringert als erwartet. In diesem Zusammenhang untersuchten wir den Status quo potenzieller Impfstoffe und Arzneimittel, unterstützt durch eine eingehende Prüfung der neuesten wissenschaftlichen Veröffentlichungen durch zwei unserer Kollegen sowie durch Pimcos medizinischen Berater in Sachen Covid-19. Doch selbst den Experten war es praktisch unmöglich, zuverlässige Voraussagen bezüglich des Zeitpunkts abzugeben, an dem wirksame medizinische Heilmittel zur Verfügung stehen werden.