Volkswirt Henning Vöpel
Volkswirt Henning Vöpel
Ein zweiter Vorteil besteht darin, dass eine öffentliche Infrastrukturentscheidung die einzelwirtschaftlichen Entscheidungen auf einem gemeinsamen Technologie- und Innovationspfad koordiniert. Private Investitionen, darunter vor allem solche in Forschung und Entwicklung, werden dadurch auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet und entfalten kumulative Wirkung. In Deutschland etwa hat die frühe Entscheidung für den Pfad des Verbrennermotors über Jahrzehnte hinweg zu hoher selbsttragender Innovationstätigkeit und wachsenden Spezialisierungsvorteilen geführt.
Eine wesentliche Gefahr der Industriepolitik sollte jedoch nicht übersehen werden: Trifft der Staat eine Entscheidung über den zukünftigen Technologiepfad, macht er damit zumeist alternative Technologiepfade, die sich in der Zukunft womöglich als überlegen und effizienter herausgestellt hätten, zunichte. Er übernimmt daher einen Teil des Technologierisikos, das in einer Marktwirtschaft eigentlich von Unternehmen getragen werden sollte, und überwälzt so die Kosten einer möglichen Fehlentscheidung auf die Steuerzahler. Der Staat misst sich also (Zukunfts-) Wissen an, das er nicht haben kann.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Ein zweiter Vorteil besteht darin, dass eine öffentliche Infrastrukturentscheidung die einzelwirtschaftlichen Entscheidungen auf einem gemeinsamen Technologie- und Innovationspfad koordiniert. Private Investitionen, darunter vor allem solche in Forschung und Entwicklung, werden dadurch auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet und entfalten kumulative Wirkung. In Deutschland etwa hat die frühe Entscheidung für den Pfad des Verbrennermotors über Jahrzehnte hinweg zu hoher selbsttragender Innovationstätigkeit und wachsenden Spezialisierungsvorteilen geführt.
Eine wesentliche Gefahr der Industriepolitik sollte jedoch nicht übersehen werden: Trifft der Staat eine Entscheidung über den zukünftigen Technologiepfad, macht er damit zumeist alternative Technologiepfade, die sich in der Zukunft womöglich als überlegen und effizienter herausgestellt hätten, zunichte. Er übernimmt daher einen Teil des Technologierisikos, das in einer Marktwirtschaft eigentlich von Unternehmen getragen werden sollte, und überwälzt so die Kosten einer möglichen Fehlentscheidung auf die Steuerzahler. Der Staat misst sich also (Zukunfts-) Wissen an, das er nicht haben kann.
In der Geschichte gab es jedoch immer wieder solche Momente, in denen bedeutende, Pfadabhängigkeit erzeugende Infrastruktur- und Technologieentscheidungen getroffen wurden – wie etwa für den Verbrenner- und gegen den Elektromotor ganz zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das sind folgenreiche Entscheidungen für lange Zeiträume. Ganz vermeiden wird man solche Entscheidungen nicht können, was den optimalen Zeitpunkt umso wichtiger macht und am Ende den Unterschied zwischen guter und schlechter Industriepolitik ausmacht.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist zum Beispiel eine solche Entscheidung. Das Energiesystem ist heute sehr komplex. Es besteht aus so vielen unterschiedlichen Erzeugersystemen, Verteilernetzen und Anwendungstechnologien, dass eine andere als industriepolitisch motivierte Transformation effizient kaum denkbar ist – ohne privates Kapital und Unternehmertum aber eben auch nicht. Die Governance zwischen Staat und Markt ist ein entscheidender Faktor: Bilden sie ein Subventionskartell oder eine Fortschrittsallianz?
Das hohe technologische Risiko und der lange ökonomische Zeithorizont von industriellen Investitionen setzen in jedem Fall eine Politik voraus, die durch langfristiges Handeln stabile transformative Rahmenbedingungen schafft. Ohne sie gibt es kein privates Risikokapital, keinen unternehmerischen Mut und keine Transformation.
Wenn die EU nun also einen Net-Zero Industry Act ankündigt, hängt der Erfolg maßgeblich davon ab, ob es damit gelingt, Märkte zu schaffen und sie zu skalieren, Lieferketten zu entwickeln, Risikokapital zu mobilisieren, Innovationen auszulösen und Unternehmertum zu stärken. Wenn dagegen nur alte Geschäftsmodelle subventioniert und wahlweise lobbyistische Versprechen oder Drohungen bedient werden, wird diese Politik krachend scheitern. In Zeiten der Transformation wird gute Industriepolitik zur neuen Ordnungspolitik. Die Diskussion in Europa ist eröffnet. Es steht viel auf dem Spiel – für Jahrzehnte.
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