LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in AnalysenLesedauer: 5 Minuten

Wenn eine Bank zumacht, dann … Was Wirecard mit der Herstatt-Pleite vor 46 Jahren gemeinsam hat

Seite 2 / 3

Denn das kleine Team der Kölner Privatbank spielte beim Spiel der ganz großen Banken mit. Pro Geschäftstag wurden zeitweise im Durchschnitt rund 180 Geschäfte mit einem Volumen von über 4 Mrd. DM abgeschlossen. Danny Dattel spekulierte im Wesentlichen mit seinem Team auf einen fallenden Dollar. In der Anfangsphase noch sehr erfolgreich, denn der Dollar fiel nach dem Ende des Bretton-Woods-Systems und füllte die Kassen des Bankhauses.

Gier frisst Hirn

Eigentlich gab es ein Handelslimit von zehn Millionen Dollar pro Arbeitstag für jeden der Goldjungs. Allerdings wurde man im Angesicht des Erfolges übermütig. Andere Angestellte der Bank wurden als „Strohmänner“ eingesetzt und zeichneten, angeblich mit Wissen der Geschäftsleistung, Kontrakte. Da diese Mitarbeiter als Privatpersonen nicht termingeschäftsfähig waren, traf sie keine Erfüllungspflicht. Diese Geschäfte fielen damit im Verlustfall letztlich auf die Bank zurück.

Aber auch die längste Erfolgsserie geht einmal zu Ende. Irgendwann stieg der Dollar und erwischte die Devisenabteilung auf dem falschen Fuß. Mittlerweile war es in der deutschen Bankenwelt ein offenes Geheimnis, das das Bankhaus aus Köln ein zu großes Rad am Terminmarkt drehte. Landeszentralbank und Bankenaufsicht stellten Fragen und ließen sich bereitwillig vertrösten. Wie 46 Jahre später im Fall Wirecard wollte keiner die Warnsignale sehen. Ende 1973 gab es bereits offene Netto-Positionen von 711 Millionen Dollar, dem 23-Fachen des haftenden Eigenkapitals der Bank.

Herstatt-Risiko

Am Ende ging es dann schnell. In Deutschland fand die Fußballweltmeisterschaft statt. Am 26. Juni kurz nachdem das Spiel Deutschland gegen Jugoslawien angepfiffen wurde, kam der Abpfiff für die Kölner Vorzeigebank. In den Tagen zuvor waren alle Verhandlungen zur Rettung der Bank gescheitert, die Aufsicht reagierte und entzog dem Haus die Banklizenz. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass den Vermögenswerten der Bank von etwa 1 Mrd. DM Schulden von knapp 2,2 Mrd. DM gegenüberstanden.

Am nächsten Tag erlebte Köln einen „Bank-Run“. Tausende Sparer bangten um Ihr Geld. Es bildeten sich lange Schlangen vor den Filialen und es kam zu Tumulten. Es war die größte Bankenpleite im Nachkriegsdeutschland. Durch die plötzliche Schließung der Bank konnten Devisenhandelstransaktionen nicht vollständig abgewickelt werden und es kam global zu Störungen im Interbankenhandel. Dieses Risiko wird seither im Bankwesen Herstatt-Risiko genannt.

Viele Verlierer

Hauptaktionär Hans Gerling musste die Hälfte seines Versicherungskonzerns verkaufen und trug mit 210 Millionen Mark die finanzielle Hauptlast des Vergleiches. Kleinanleger mit Guthaben bis 20.000 DM bekamen ihr Geld vollständig zurück, Banken und Kommunen zu 65,4 Prozent. Unter ihnen befand sich auch die Stadt Köln mit 190 Millionen DM, die Stadt Bonn mit 12,2 Millionen DM und das Erzbistum Köln. Bis zum Jahr 2006 zogen sich letzten Prozesse hin. Iwan Herstatt wurde letztlich zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Lediglich Danny Dattel konnte nicht belangt werden. Ausschwitz Syndrom lautete die Diagnose, die ihn prozessunfähig machte.

Tipps der Redaktion