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Gespräch mit nachdenklichen Vermögensverwaltern „Wenn Wolken aufziehen, geht es schnell und wird brutal“

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Sind das klare Käufe?

Wehner: Wir wollen in der Tat die durch die Impfstoffe zu erwartende wirtschaftliche Erholung nutzen. Dabei wollen wir Firmen meiden, die nur über Zentralbankgeld und Stützungen von Regierungen wieder auf die Beine kommen und damit eher fremdgesteuert sind. Stattdessen setzen wir auf Unternehmen, deren Geschäftsmodell fortbesteht und die aus eigener Kraft am Aufschwung wieder teilhaben werden. Das sind beispielsweise BASF, Royal Dutch Shell, Total, Vinci oder Schneider Electric.

Der Ölpreis liegt am Boden, und Sie kaufen Ölwerte? Mutig.

Wehner: Royal Dutch Shell und Total stehen finanziell nach wie vor gut da. Sie fahren vielleicht nicht mehr diese Riesengewinne ein wie bei einem Ölpreis von 100 Dollar je Fass. Trotzdem können sie ihren Kostensatz weiter decken und bei einem Ölpreis von 50 US-Dollar und mehr wieder Gewinne einfahren, die eine Dividende auch operativ möglich macht. Damit können sie weiter existieren. Und sollte dann der Ölpreis steigen, entstehen zusätzliche Gewinne, die der Aktienmarkt noch nicht eingepreist hat.

Bei solch missachteten Aktien müsste die Dividendenrendite beträchtlich sein.

Rüttgers: Bei uns im Portfolio liegt sie im Schnitt bei etwa 2,5 Prozent, was wir ziemlich gut finden.

Ich hätte mehr erwartet.

Rüttgers: Einige Ölwerte haben zum ersten Mal seit langem die Dividende gestrichen, was den Durchschnitt nach unten zieht. Royal Dutch ist so ein Beispiel, normalerweise zahlen die 4 oder 5 Prozent. Sollte sich alles wieder etwas normalisieren, wird auch unsere Dividendenrendite sicher wieder steigen.

Mal eine andere Sache – ist am Anleihemarkt das Schönste schon durch?

Wehner: Gefühlt ja. Staatsanleihezins und Risikoaufschläge – alles notiert in der Nähe historischer Niedrigststände. Dahinter stecken aber hauptsächlich Zentralbanken, die Anleihen kaufen. Eine natürliche Nachfrage durch Investoren gibt es schon gar nicht mehr. Der Anleihemarkt ist nur noch ein synthetischer Markt, den die Zentralbanken antreiben. Und wie schnell der kippen kann, haben wir im Frühjahr 2020 gesehen. Wir haben dann Kursverluste von 10 Prozent und mehr, die die laufenden Renditen von unter einem Prozent nicht mehr abfangen können.

Nichts für Sie?

Wehner: Nein. Anleihen sind ein Schönwettermarkt geworden. Wenn Wolken aufziehen, geht es schnell und wird brutal – und keiner kommt mehr raus, weil kaum noch jemand kauft.

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