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"Wesentlichen Anlegerinformationen": Regulierungswelle überfordert den Markt

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Die Beratungslandschaft in Deutschland leidet seit einigen Monaten unter zwei Aspekten. Einerseits sind die Vertriebswege im Zuge der bereits eingeleiteten und noch kommenden Regulierungsmaßnahmen verunsichert und fragen sich, was sie noch dürfen, was sie müssen und welche Konsequenzen das hat. Beispiel „Register der Wertpapierberater“: Welche Sanktionen sind zu erwarten, wenn sich ein Kunde über seinen Berater beschwert? Sachkundenachweis für Vermittler: wird es eine „Alte-Hasen-Regelung“ geben? Viele bangen hier vor der Zukunft.

Zudem dürfte mancher Anleger, der seine wesentlichen Anlegerinformationen liest, was er angesichts umfangreicher Verkaufsprospekte in der Vergangenheit mehrheitlich nicht getan haben dürfte, erstmalig verstehen, was er kauft. Insbesondere mit Blick auf die Risiken und Kosten. Da liegt vielen das Festgeld doch näher, egal wie niedrig die Zinsen sind, als der Erwerb eines nur ungenau zu prognostizierenden Fonds.

Sollte sich die vielerorts zu beobachtende Kaufzurückhaltung der letzten Wochen fortsetzen, wäre dies ein weiteres Indiz für die angespannte Situation.

Mit anderen Worten: Schlimm genug, dass Berater und Anleger angesichts Fukushima, Griechenland und anderen Entwicklungen hinsichtlich der Kapitalmärkte verunsichert sind; nun wird der Vertrieb auch noch von den administrativen Veränderungen gelähmt, die der Gesetzgeber grundsätzlich gut gemeint hat.

Dieser Trend kann weder den Gesellschaften noch den Vertrieben gleichgültig sein und muss im Auge behalten werden. Und auch der Gesetzgeber sollte verfolgen, was da gerade passiert. Schließlich kann es nicht in seinem Sinne sein, wenn die Beratungs- und Vermittlungslandschaft inklusive der Verbraucher derart verunsichert ist, dass das Vertrauen und individuelle Beratungen, die für eine funktionierende Finanzdienstleistungsindustrie und eine ihr Vermögen aufbauende und verwaltende Bevölkerung wichtig sind, zum Erliegen kommen.

Fazit: Es ist richtig, wenn der deutsche und der europäische Gesetzgeber die Beratungslandschaft verbessern wollen. Allerdings sollten die Politiker und Aufsichtsbehörden allmählich verstehen, dass sie Prozesse, die sie Jahrzehnte verschlafen haben, nun nicht auf einen Schlag durchpeitschen können, ohne größeren Kollateralschaden anzurichten. Rom wurde bekanntlich auch nicht an einem Tag geschaffen.

Wer einmal zusammenrechnet, wie viele Bereiche sich im Zuge der Regulierungen verändern, der hat eine ungefähre Vorstellung von der Belastung der Compliance- und IT-Abteilungen, Schulungscenter und der einzelne Berater dieser Tage ausgesetzt sind. Und es wäre noch zu diskutieren, inwieweit die Aufsichtsbehörden derzeit hinsichtlich ihrer Kapazitäten und der Interpretationsspielräume der erlassenen Gesetze überhaupt in der Lage sind, deren Einhaltung zu kontrollieren.

Bitte Schritt für Schritt. Wenn am Ende der Entwicklung statt einer besseren Beratung gar keine Beratung mehr steht, ist damit auch niemandem geholfen.

Zur Person: Björn Drescher ist geschäftsführender Gesellschafter und Mitbegründer der Drescher&Cie GmbH, einer Gesellschaft für Wirtschafts- und Finanzinformationen. Zudem ist er Verleger der Börsenbriefe "Fonds-Scout" und "Fonds im Visier" sowie Veranstalter von Seminaren rund um das Thema "Investmentfonds".

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