Ressourcenmangel „Mehr ist nicht besser“: Was beim aktuellen Stewardship-System falsch läuft
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Stewardship und Engagement gehören zu den wichtigsten Werkzeugen moderner Vermögensverwaltung. Als bedeutende Anteilseigner können institutionelle Investoren durch den direkten Dialog mit Unternehmensleitungen Einfluss auf strategische Entscheidungen nehmen. Das reicht von klassischen Corporate-Governance-Themen wie Vorstandsvergütung bis hin zu Nachhaltigkeitsaspekten wie Klimaschutz oder Lieferkettenverantwortung.
Die Bedeutung dieses aktiven Dialogs ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Asset Manager verwalten heute größere Vermögen denn je und stehen gleichzeitig unter zunehmendem Druck, diese Macht verantwortungsvoll einzusetzen. Regulatoren, Kunden und die Öffentlichkeit erwarten, dass Investoren ihren Einfluss nutzen, um Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit und langfristigen Erfolg zu lenken.
Zugleich stehen Asset Manager beim Dialog mit Unternehmen vor einem Dilemma: Einerseits steigen die Anforderungen an Qualität und Dokumentation von Engagement-Aktivitäten, andererseits fehlen oft die Ressourcen für eine effektive Umsetzung. Zu diesem Schluss kommt ein aktuelles Whitepaper des britischen Impact-Investors WHEB Asset Management.
„Die dominante Erzählung der letzten Jahre war die nach mehr Stewardship und Engagement. Das verfehlt den Punkt. Stattdessen sollte der Fokus auf effektiverem Stewardship und Engagement liegen, das seinen Zweck erfüllt, langfristigen Wert für Kunden zu schaffen“, heißt es in dem 20-seitigen Dokument.
Ressourcen reichen nicht aus
Eine vom Whitepaper zitierte aktuelle Studie des Thinking Ahead Institute zeigt, dass Asset Manager derzeit nur etwa die Hälfte der Ressourcen zur Verfügung haben, die für eine effektive Ausübung ihrer treuhänderischen Pflichten nötig wären.
Gleichzeitig steigen die Anforderungen kontinuierlich: Neben dem klassischen Unternehmensdialog müssen Stewardship-Teams heute ESG-Research betreiben, Stimmrechte ausüben, regulatorische Anforderungen erfüllen und umfassend über ihre Aktivitäten berichten.
Fokus auf wesentliche Themen
WHEB empfiehlt Asset Managern daher eine strategische Neuausrichtung ihrer Engagement-Aktivitäten. Statt möglichst viele Unternehmen zu möglichst vielen Themen anzusprechen, sollten sie sich auf materiell wichtige Aspekte konzentrieren. Nach Ansicht von WHEB ist dabei ein klar definiertes Ziel für jedes Engagement entscheidend.
Der Asset Manager nennt Beispiele aus der eigenen Praxis: Themen wie PFAS-Chemikalien in der Bekleidungsindustrie oder Biodiversität im Forstmanagement hätten sich oft erst im Laufe der Zeit als geschäftskritisch erwiesen. Ein langfristiger Anlagehorizont sei daher entscheidend für erfolgreiches Engagement.
Regulatorischer Druck nimmt zu
Der regulatorische Druck auf Asset Manager steigt, besonders in der EU. Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) und die überarbeitete Aktionärsrechterichtlinie (SRD II) verlangen zunehmend konkrete Nachweise, wie Investoren Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen und Einfluss auf Unternehmen nehmen.
Die Komplexität der Aufgabe zeigt sich auch in der Messbarkeit von Engagement-Erfolgen. Selbst Aufsichtsbehörden tun sich damit schwer, wie das Whitepaper am Beispiel der britischen FCA aufzeigt.
Branchenweite Herausforderung
WHEB schlägt vor, dass verschiedene Marktteilnehmer ihre jeweiligen Stärken beim Engagement besser nutzen sollten. Während aktive Manager mit konzentrierten Portfolios sich auf den direkten Unternehmensdialog konzentrieren könnten, seien passive Manager mit großen Portfolios möglicherweise besser geeignet, marktweite Standards zu verbessern. Große institutionelle Investoren wiederum könnten sich auf systemische Risiken und politische Rahmenbedingungen fokussieren.
Der Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft erfordere ein effektiveres Stewardship-System, so das Fazit des Whitepapers. Die aktuellen Herausforderungen seien dabei keine existenzielle Bedrohung, sondern vielmehr „Wachstumsschmerzen“ einer sich entwickelnden Praxis.