Widerrufsbelehrung Widerruf der Lebensversicherung nach 10 Jahren möglich?
Der Fall
Ein Mann schließt im Juli 2009 eine fondsgebundene Rentenversicherung (Rürup-Rente) ab. Das Antragsformular enthält auch eine Widerrufsbelehrung. Diese steht zwischen zwei Unterschriftszeilen, ist vom übrigen Textteil abgesetzt und hat eine fettgedruckte Überschrift. Allerdings fehlt eine genaue Angabe, wieviel Geld der Versicherungsnehmer bei einem Widerruf gegebenenfalls zu zahlen hat. Es wird nur eine Berechnungsformel genannt.
Der Kunde unterschreibt das Formular und bestätigte damit, dass er die maßgeblichen Versicherungs-Bedingungen, die Informationen für den Versicherungsnehmer sowie das Produkt-Informationsblatt erhalten hat.
Im März 2020 widerruft der Kunde den Vertrag. Dabei beruft er sich auf eine sowohl formell als auch inhaltlich fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Diese sei drucktechnisch nicht hervorgehoben, moniert er. Außerdem seien weder Rechtsfolgen bei Beginn des Versicherungsschutzes vor Ablauf der Widerrufsfrist noch der konkrete Betrag, den der Versicherungsnehmer im Falle des Widerrufes gegebenenfalls zurückzuzahlen hätte, genannt worden. Daher stehe ihm ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht zu, argumentiert der Kläger.
Das Urteil
Hallo, Herr Kaiser!
Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden sieht das anders. Der Widerruf sei nicht wirksam, erklären die OLG-Richter in ihrem Urteil vom 20. Oktober 2022 (Aktenzeichen: 4 U 951/22). Die Widerrufsbelehrung im Antragsformular genüge den gesetzlichen Anforderungen gemäß Paragrafen 8 und 7 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Sie sei sowohl formal als auch inhaltlich korrekt.
Die Widerrufsbelehrung ist nach Auffassung des OLG drucktechnisch ausreichend hervorgehoben. Schließlich befindet sie sich zwischen zwei Unterschriftszeilen auf dem Antragsformular, die Überschriften „Widerrufsrecht“, „Widerrufsfolgen“ und „Besondere Hinweise“ sind zudem fettgedruckt. Unterhalb der Widerrufsbelehrung befinden sich noch wichtige Hinweise und darunter die Unterschrift des Klägers. „Bei dieser Gestaltung kann die Widerrufsbelehrung von dem Versicherungsnehmer schlechterdings nicht übersehen werden“, finden die Richter.
Auch inhaltlich sei die Belehrung nicht zu beanstanden, so das OLG weiter. Sie entspreche der Musterbelehrung. „Damit genügt die Belehrung den Anforderungen, wenn das vom Bundesministerium der Justiz aufgrund einer Rechtsverordnung nach Paragraf 8 Absatz 5 VVG veröffentlichte Muster verwendet wird“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Auch der nicht angegebene konkrete Zahlbetrag bei Widerruf stellt für die OLG-Richter kein Hindernis für eine inhaltlich korrekte Widerrufsbelehrung dar. „Zu den erforderlichen Angaben über die für die Überschussbeteiligung geltenden Grundsätze gehört es nicht, dem Versicherungsnehmer die Grundsätze der Bilanzierung zu verdeutlichen; ausreichend ist eine knappe und allgemeinverständliche Darlegung der maßgeblichen Gesichtspunkte“, erklären sie.
Andere Fälle und Urteile
Doch nicht alle Gerichte in Deutschland urteilen bei ähnlich gelagerten Fällen zu Gunsten der Lebensversicherer. Denn Richter in Deutschland haben viel Spielraum. Es kann also einen Unterschied machen, wo Versicherte vor Gericht ziehen – auch im Fall des Widerrufs einer Lebensversicherung. Eine Studie der Hamburger Verbraucherschützer zeigt, welche Gerichte bei Widerruf verbraucherfreundlich urteilen.