LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in Asset AllocationLesedauer: 7 Minuten

Hanjo Allinger im Gespräch Wie der CO₂-Emissionshandel das Klima wirklich schützen kann

Seite 3 / 3

Dieses Problem sieht auch Bednar. Er schlägt vor, Emissionsobergrenzen für Unternehmen einzuführen, mit denen das 1,5-Grad-Ziel noch erreicht werden kann. Was halten Sie von diesem konkreten Ansatz?

Allinger: Ich schließe nicht aus, dass er  funktionieren könnte. Nach meiner Einschätzung viel einfacher, transparenter und sicherer wäre dasselbe zumindest in Europa durch eine deutlich höhere jährliche Reduktion der neu versteigerten Emissionsberechtigungen zu erreichen. Würde ihre Anzahl so stark verknappt, dass sie genau dem restlichen, auf Europa entfallenden Kohlendioxid-Budget, bei Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels entspräche, wären alle Ziele erreicht: Das 1,5-Grad-Ziel würde eingehalten, und die Finanzierung der Investitionen in Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid würden von den Unternehmen (respektive ihren Kunden) getragen.

Parallel sollte die Anzahl der Wirtschaftssektoren, die zur Teilnahme am EHS verpflichtet sind, ausgedehnt werden und eine Benachteiligung der europäischen Produzenten gegenüber weniger regulativen Produktionsstandorten bei Im- und Export durch einen Grenzausgleich verhindert werden.

Ganz konkret benötigen wir also übergangsweise einen Importzoll und eine Exportsubvention, die beide von der Berücksichtigung der Emissionen im Produktions- und Absatzland abhängen. Investitionen in die Erforschung von Techniken zur CO₂-Abscheidung würden dadurch vermutlich sogar noch stärker beschleunigt, weil der Kostendruck schneller zunähme. Gleichzeitig würde die deutlich höhere Transparenz die tatsächlichen gesellschaftlichen Kosten viel stärker verdeutlichen und auch Zielkonflikte mit anderen gesellschaftspolitischen Oberzielen schneller deutlich machen.

Mit Cap2 haben Sie im Sommer dieses Jahres selbst eine Plattform zur Vermeidung von Emissionen ins Leben gerufen. Wie funktioniert Ihr Modell?

Allinger: Auch wir setzen auf die Lenkungskraft des europäischen Emissionshandels. Für institutionelle Anleger wie etwa Fondsgesellschaften, Pensionskassen und Stiftungen oder auch für Einzelunternehmer berechnen wir die verantworteten Emissionen. Dann kaufen wir in diesem Umfang Emissionsrechte an der europäischen Energiebörse EEX und geben sie an eine Klimaschutzstiftung weiter. Die Emissionsberechtigungen werden Teil des Stiftungskapitals, das staatlich kontrolliert nie angetastet werden darf. Damit ist garantiert, dass sie nie wieder zur Legitimation von Emissionen verwandt werden können. Da die Menge der verfügbaren Emissionsberechtigungen gesetzlich vorgegeben ist, brauchen wir dabei nicht auf einen Preiseffekt warten – jede Tonne zählt.

1.200% Rendite in 20 Jahren?

Die besten ETFs und Fonds, aktuelle News und exklusive Personalien erhalten Sie in unserem Newsletter „DAS INVESTMENT Daily“. Kostenlos und direkt in Ihr Postfach.

Wir kompensieren also nicht, wir reduzieren Emissionen. Über den Marktmechanismus finden wir einen europäischen Partner, der bereit ist, gegen Bezahlung mehr Emissionen zu reduzieren als er gesetzlich müsste. Letztlich ist das nichts anderes als arbeitsteilige Emissionsvermeidung. Die vollständige Klimaneutralität oder die Kompatibilität mit dem 1,5-Grad-Ziel bestätigen wir mit einer Urkunde und einem Siegel.

Gibt es bereits ähnliche Modelle auf dem Markt?

Allinger: Wir glauben, dass wir derzeit einer der ganz wenigen Anbieter auf dem Markt sind, die eine sichere Verringerung von Emissionen anbieten können. Nach dem Inkrafttreten der Übereinkunft von Paris in diesem Januar ist eine sichere Kompensation der eigenen Emissionen durch Kompensationsprojekte kaum noch möglich. Weil sich jetzt jedes Land individuell zu einer Reduktion der Emissionen verpflichtet hat, besteht stets die Gefahr, dass die Gast-Länder von Klimaprojekten in Folge des Engagements von Klimaschützern eigene Bemühungen zur CO₂-Reduzierung verringern. Damit kann die dort erzielte Einsparung nicht mehr sicher als zusätzlich erbracht angesehen werden und mit eigenen Emissionen verrechnet werden.




Über den Interviewten:
Hanjo Allinger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Deggendorf. Er studierte an den Universitäten Passau und Exeter. Ein Stipendium der Harvard-University ermöglichte ihm während der Promotion ein Forschungsaufenthalt in Boston. 2013 wurde er in Anerkennung seiner Forschungsleistungen in die Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste aufgenommen. Seit 15 Jahren leitet er das Forschungsinstitut Inwiso in München. Seit 2020 ist er neben der Professur als Geschäftsführer von Cap2 tätig.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen