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Aktualisiert am 12.04.2022 - 11:02 Uhrin Energie und Technik für die Welt von morgenLesedauer: 5 Minuten
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In naher Zukunft Wie der Klimawandel die globale Sicherheit bedroht

Ölraffinerie in Russland
Ölraffinerie in Russland: Durch die aufgrund des Krieges in der Ukraine stark gestiegenen Preise für Öl und Gas werden erneuerbare Energien wettbewerbsfähiger. | Foto: Imago Images / ITAR-TASS
Ulrik Fugmann (links) und Edward Lees, BNP Paribas AM

Der Klimawandel ist die größte Risiko für die Menschheit – und das nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch unter Sicherheitsaspekten. „Das ist zwar nichts Neues, wird aber oft übersehen“, sagt Ulrik Fugman, Portfoliomanager und gemeinsam mit seinem Kollegen Edward Lees Leiter Umweltstrategien bei BNP Paribas Asset Management.

Bereits 2006 berief das US-amerikanische Centre for Naval Analysis (CNA) elf pensionierte Generäle und Admirale des US-Militärs ein, um die Bedrohungen durch den Klimawandel zu untersuchen und Vorschläge für den Umgang der Vereinigten Staaten mit den damit verbundenen Herausforderungen zu unterbreiten.

Sie kamen zu vier Ergebnissen:

  • Der Klimawandel ist eine ernste Bedrohung für die nationale Sicherheit
  • Der Klimawandel verschärft die Gefahr von Instabilität in vielen ohnehin unbeständigen Regionen
  • Der Klimawandel wird die Spannungen selbst in stabilen Regionen verstärken
  • Klimawandel, nationale Sicherheit und Energieabhängigkeit sind miteinander verbundene globale Herausforderungen

Es gab bereits eine Reihe von Konflikten als direkte Folge der Erderwärmung. Die Dürre in Syrien beispielsweise trug erheblich zum Krieg und dem anschließenden Flüchtlingsstrom bei. Schreitet der Klimawandel weiter voran, dürfte die Zahl der damit verbundenen Auseinandersetzungen zunehmen.

Fugman zitiert eine Meta-Analyse von mehr als 60 quantitativen Studien, die den Zusammenhang zwischen Klima und Konflikten untersuchen. „Mittlere Schätzungen deuten darauf hin: Für jede Veränderung des Klimas um eine Standardabweichung in Richtung wärmerer Temperaturen oder extremerer Regenfälle steigt die Häufigkeit zwischenmenschlicher Gewalt um 4 Prozent und die Häufigkeit von Gruppenkonflikten um 14 Prozent an.“ Weiter heißt es: „Da für die Erde bis 2050 eine Erwärmung um 2 bis 4 Grad Celsius erwartet wird, könnte sich als entscheidende Folge des Klimawandels eine Zunahme von Konflikten einstellen.“

Europa als Geisel russischen Gases

Der Krieg in der Ukraine verdeutlicht den vierten von den CNA-Experten beschriebenen Punkt, erläutert Edward Lees. „Europa ist faktisch zur Geisel russischer Gaslieferungen geworden, da es etwa 40 Prozent seines Erdgasbedarfs über russische Pipelines bezieht. Von diesen verlaufen mehrere durch die Ukraine.“

Darüber hinaus ist die Schwarzmeerregion ein wichtiges Zentrum Knotenpunkt der weltweiten Agrarproduktion. Laut einem jüngst erschienenen Artikel in der Financial Times entfallen auf Russland und die Ukraine 29 Prozent der globalen Weizenexporte. Außerdem tragen sie zu 25 Prozent der globalen Mais- und 80 Prozent der Sonnenblumenölexporte bei.

Die Gefahr von Unterbrechungen der Öl- und Gaslieferungen aus Russland und die geopolitischen Spannungen haben die Ölpreise auf mehr als 110 US-Dollar pro Barrel steigen lassen. Die Gaspreise haben unter anderem in Deutschland und im Vereinigten Königreich neue Höchststände erreicht. Dies wiederum hat dazu geführt, dass auch Strom deutlich teurer geworden ist.

Das könnte sich immerhin positiv auf die Nutzung und den Ausbau erneuerbarer Energien auswirken: „Bei steigenden Öl- und Gaspreisen werden erneuerbare Energien und Elektrofahrzeuge immer wettbewerbsfähiger“, betont Lees. „Dies gilt auch für grünen Wasserstoff im Vergleich zu auf Erdgas basierendem grauen Wasserstoff.“

Energiewende soll beschleunigt werden

Als Reaktion auf die russische Invasion haben sich mehrere europäische Länder für eine Beschleunigung der Energiewende ausgesprochen. Deutschland hat seine Pläne für die Versorgung durch 100 Prozent erneuerbare Energien um 15 Jahre auf 2035 vorverlegt. Das steht im Einklang mit den Zielen der USA und des Vereinigten Königreichs.

Die deutsche Regierung will erreichen, dass bereits 2030 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Die Kapazität von Onshore-Windkraftanlagen soll von 2027 bis 2035 jährlich um 10 GW pro Jahr steigen. Aktuell sind es 2 GW. Darüber hinaus beabsichtigt die Ampelkoalition, die Genehmigungszeiten für neue Anlagen drastisch zu verkürzen. Langwierige Verfahren waren bisher ein erhebliches Hindernis für den Ausbau erneuerbarer Energien. Der Zubau von Offshore-Windkraftanlagen soll 6 GW im Jahr 2029, 9 GW im Jahr 2030 und ab 2031 jährlich 4 GW erreichen. Bei Solaranlagen liegt das angestrebte Plus bei jährlich 20 GW ab 2028 – aktuell sind es 5 GW.

In den USA steht das Thema ebenfalls weit oben auf der politischen Agenda. In seiner Rede zur Lage der Nation sagte Präsident Joe Biden, dass die Bekämpfung des Klimawandels zu Energieeinsparungen für die amerikanischen Haushalte führen wird. „Biden weiß, dass das Klima wichtig ist, dass Energiesicherheit wichtig ist und dass kostensenkende Technologien eine Rolle bei der Bekämpfung der Inflation spielen können“, sagen Lees und Fugman. Sie sind der Ansicht, dass der US-Präsident und die Demokraten vor den Zwischenwahlen einen legislativen Sieg erringen müssen. „Daher erwarten wir in diesem Jahr Fortschritte bei den Steuergutschriften für erneuerbare Energien.“ Außerdem würden Themen wie Wasserstoff überparteilich positiv gesehen.

Katalysator für echten Wandel

Aus Sicht der Experten könnte es für die Dekarbonisierung, Digitalisierung und Dezentralisierung des globalen Energiesystems kaum mehr Katalysatoren als jetzt für einen echten Wandel geben. Insbesondere in den kommenden fünf bis zehn Jahren dürfte sich einiges tun. „Das Narrativ der Energiewende hat sich in den vergangenen Wochen deutlich verändert und ist nicht mehr nur eine ökologische Herausforderung, die das Leben auf der Erde und ihre zukünftigen Generationen erheblich beeinflussen wird.“

Die Welt sei jetzt aufgewacht und habe erkannt, dass es erhebliche, umfassende Risiken für die Klimasicherheit gibt und welche Bedeutung diese für die auch für die Geopolitik haben. „Die Welt hat mit mehr Inflation zu kämpfen. Daher wird immer stärker diskutiert, inwiefern erneuerbare Energien zu sinkenden Energie- und Strompreisen beitragen können“, beobachtet Lees.

Die Kosten für die Stromerzeugung aus Sonne und Wind sind drastisch gesunken, der Wirkungsgrad ist erheblich gestiegen. „Im Gegensatz dazu ist der Ölpreis von 1970 bis heute etwa um das 30-fache gestiegen“, erläutert Lees. „Die Preise fossiler Brennstoffe sind schwankungsanfälliger und sie spielen für wirtschaftliche Auf- und Abschwünge sowie die Inflation eine entscheidende Rolle, während erneuerbare Energieträger im Laufe der Zeit sehr inflationshemmend waren.“

Bewertungen bei erneuerbaren Energien gesunken

Neben dem Wachstumspotenzial für erneuerbare Energien, das durch den Krieg in der Ukraine und damit verbundenen Überlegungen hinsichtlich der Energiesicherheit einen weiteren Schub erhalten dürfte, machen auch die aktuell chancenreichen Bewertungen das Thema für Investoren interessant: Die Schwankungen an den Aktienmärkten und Unsicherheiten hinsichtlich der weiteren Konjunkturentwicklung haben diese auf Niveaus gedrückt, die seit den Tiefstständen nach dem Corona-Crash im März 2020 nicht mehr zu beobachten waren.

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