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„Kein Investment ohne belastbare ESG-Daten“ Wie Fondsmanager mit fehlenden Nachhaltigkeitsberichten umgehen

Bayer-Chef Werner Baumann (links) bei der Eröffnung einer neuen Recycling-Anlage des Chemiekonzerns
Bayer-Chef Werner Baumann (links) bei der Eröffnung einer neuen Recycling-Anlage des Chemiekonzerns: Großunternehmen sind verpflichtet, Nachhaltigkeitsinformationen offenzulegen – für kleine und mittlere Firmen gilt das noch nicht. | Foto: Imago Images / Sven Simon

Nachholbedarf bei deutschen Unternehmen: Einer Erhebung der Unternehmensberatung Mazars zufolge, für die 800 Führungskräfte aus 27 Ländern befragt wurden, veröffentlichen nur 15 Prozent der Firmen hierzulande einen Nachhaltigkeitsreport. Das Thema sei in den Führungsetagen zwar präsent. Allerdings sehen sich der Studie zufolge in Deutschland momentan nur 22 Prozent der befragten Unternehmen in der Lage, die Anforderungen umfassend erfüllen zu können. Weltweit seien es immerhin 36 Prozent. Die größte Herausforderung stelle dabei die Datenqualität dar.

„Das Mazars C-Suite-Barometer belegt den Aufholbedarf, den deutsche Unternehmen haben“, kommentiert Philipp Killius, Partner und Nachhaltigkeitschef bei Mazars in Deutschland, die Studie. Investoren, Analysten und Fondmanager achteten verstärkt darauf, dass Unternehmen nachhaltig agierten. „Entsprechend fordern sie verlässliche und überprüfbare Informationen über die ESG-Performance ein“, so Killius. Eine transparente Berichterstattung über CO2-Fußabdruck, Sozialstandards entlang der Lieferkette und die organisatorische Verankerung von ESG sei essentiell für ein Investment oder Delisting, erklärt der Nachhaltigkeitsexperte: „Kurz gesagt: Kein Investment ohne belastbare ESG-Datenlage.“

Berichtspflicht gilt bislang nur für größere Firmen – das ändert sich aber

Bislang gilt die sogenannte CSR-Berichtspflicht in Deutschland nur für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und Umsatzerlösen von über 40 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro. Diese Firmen müssen seit 2017 ihre Bemühungen zu bestimmten Nachhaltigkeitsthemen offenlegen. Dazu zählen laut den Industrie- und Handelskammern etwa Umwelt-, Sozial und Mitarbeiterbelange, Achtung der Menschenrechte sowie Bekämpfung von Korruption.

Deutschlandweit betrifft das aktuell nur etwa 500 Unternehmen – das ändert sich aber in den kommenden Jahren. Am 1. Januar 2024 wird die aktuelle EU-Richtlinie zur Berichtspflicht von einer neuen Regelung abgelöst, mit der schrittweise mehr Firmen zur Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsdaten verpflichtet werden. So gelten die Regeln von 2026 an auch für kleine und mittlere börsennotierte Unternehmen. Für diese Firmen ist jedoch eine Übergangsfrist bis 2028 vorgesehen. Insgesamt sind von der Neuauflage der CSR-Richtlinie Schätzungen zufolge deutschlandweit 15.000 Firmen betroffen.

 

Den Mittelstand stelle das vor große Herausforderungen, meint Tim Wehlmann, Leiter des Nachhaltigkeitsbereichs und Analyst bei der auf Nebenwerte spezialisierten Fondsboutique Paladin Asset Management. Um die Anforderungen zu erfüllen, müssten viele dieser Firmen Fortbildungen besuchen, weiteres Personal einstellen sowie viel Geld und Zeit in Systeme und Prozesse investieren, so der Nebenwerte-Spezialist: „Letztendlich haben kleine und mittlere Unternehmen zukünftig die Aufgabe, Nachhaltigkeitsaspekte in ihrer Unternehmensstrategie zu verankern und auch den Nachweis zu erbringen, dass Geschäftstätigkeit und Nachhaltigkeitsziele in Einklang stehen.“ Betroffene Firmen sollten mit der Umsetzung daher nicht zu lange warten, rät er.

Fehlende Daten: Fondsmanager müssen eigenes Research aufbauen

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Die Fondsbranche erhofft sich von den Neuregelungen mehr Klarheit. Für Investoren sei die derzeit fehlende Nachhaltigkeitsberichterstattung bei kleinen und mittleren Unternehmen herausfordernd, so Wehlmann: „Ohne Zugang zu detaillierten Informationen ist es schwierig, das Engagement eines Unternehmens für Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen zu bewerten und fundierte Anlageentscheidungen zu treffen.“

Insbesondere bei Nebenwerten setzen Fondslenker daher bislang oft auf eigene Erhebungen. „Da ESG-Daten in unserem Segment bei vielen Ratingagenturen blinde Flecken sind, haben wir in den vergangenen Jahren gezielt ein eigenes umfängliches ESG-Research aufgebaut und nutzen externe Daten komplementär“, erklärt der Nebenwerte-Experte. Die Daten stammten in erster Linie aus öffentlich zugänglichen Informationen wie unternehmenseigenen Offenlegungs- und Berichtsdokumenten, Firmenerklärungen, seriösen Nachrichtenquellen, staatlichen und internationalen Institutionen sowie branchenspezifischen Berichten. Darüber hinaus suche Paladin das Gespräch mit den Firmen.

Verbindliche Standards fehlen: Nachhaltigkeitsberichte oft uneinheitlich

Bei großen Konzernen sieht die Datenlage – nicht nur in Deutschland – zwar besser aus. So berichten Allianz Global Investors zufolge inzwischen fast 80 Prozent der weltweit größten Unternehmen und 96 Prozent der globalen Top 250 Unternehmen über Nachhaltigkeit. Diese Datenflut sorge aber auch für Herausforderungen: „Die Welt der ESG-Daten wird immer größer und komplexer“, so Matt Christensen, bei der Fondsgesellschaft für nachhaltige Investments zuständig. Für Investoren sei das oft sehr unübersichtlich und erschwere das Verständnis der Reportings. Um Nachhaltigkeitsdaten für Profi-Investoren zu bündeln und aufzubereiten, hat das Investmenthaus kürzlich eine eigene digitale Plattform gestartet.

 

Ein Problem, das auch die EU angehen will, sind die fehlenden Standards. In Deutschland können Unternehmen bislang nationale, europäische oder internationale Rahmenwerke nutzen. Möglich ist, die Daten in den Konzernbericht zu integrieren oder einen eigenen Nachhaltigkeitsreport zu veröffentlichen. Die EU plant, ein verbindliches Regelwerk für Nachhaltigkeitsberichte einzuführen – ein entsprechender Entwurf wurde im vergangenen Sommer erstmals vorgelegt und soll ab 2025 für das Geschäftsjahr 2024 verpflichtend werden.

Die neue Regelung bedeute mehr Transparenz für Konsumenten und Anleger, heißt es dazu von der EU. Die von Unternehmen bereitgestellten Informationen würden damit besser lesbar und einfacher. „Greenwashing ist Geschichte“, so der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire im vergangenen Sommer über die neue Richtlinie. Sollten sich die Erwartungen erfüllen, wäre das auch für die Fondsbranche eine gute Nachricht.

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